Digitalisierung + Geschlecht = Gerecht?

Die Digitalisierung kann Geschlechterungleichheiten aufweichen, jedoch auch verstärken. Durch aktives Vorleben sollte der Dritte Sektor Ersteres unterstützen. Denn wer sich für eine gerechte Gesellschaft einsetzt, muss damit in der eigenen Organisation anfangen.

Zwei Plastikfiguren stehen vor einer Straße. Ein Mann, eine Frau. Ihre Geschlechter sind durch Glühbirnen gekennzeichnet.

Wir leben im Jahr 2020. Feminismus und emanzipatorische Bewegungen sind medial präsent, allen ein Begriff und weit verbreitet. Alles gut? Nein.

Gehälter und Karrieremöglichkeiten von Frauen sind noch immer deutlich geringer als die von Männern. Im gemeinnützigen Sektor sieht es nicht viel besser aus: Laut einer Studie von FAIR SHARE Deutschland haben Männer in deutschen NGOs und Stiftungen sechsmal bessere Aufstiegschancen als Frauen und rund 90 Prozent der Führungsposten sind männlich besetzt – trotz mehrheitlich weiblicher Belegschaft.

Digitalisierung als Game Changer? Ja? Nein? Vielleicht!

Die gute Nachricht ist: Digitale Technologien und Arbeitsweisen bieten potenziell große Chancen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für höhere Bezahlungen und Karrierechancen von Frauen sowie eine Neubewertung von Arbeit. Aber nur “potenziell”, denn genauso steht die Möglichkeit im Raum, dass der Digitale Wandel Geschlechterungleichheiten verstärkt – nicht nur, aber auch im gemeinnützigen Sektor.

Wie Frauen vom Digitalen Wandel profitieren könn(t)en

  1. Durch die Digitalisierung ändert sich die Art unseres (Zusammen)Arbeitens. So werden agile Arbeitsweisen, die sich durch Kollaboration, Flexibilität, Teamfähigkeit, Kommunikation und ein innovatives Mindset auszeichnen, immer wichtiger: Future Skills, die stärker Frauen als Männern zugeschrieben werden und die Position von Frauen auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft somit deutlich verbessern können. Damit das geschieht, müssen sich Führungskräfte im Dritten Sektor des Wandels jedoch erst einmal bewusst werden.
  2. Aber auch digitale “Hard Skills” wie IKT-Kompetenzen werden immer relevanter, denn Deutschland braucht bis zum Jahr 2023 fast 700.000 zusätzliche Technikexpert:innen. Ein attraktiver „Möglichkeitsraum“, auch für Frauen. Noch gibt es zwar einen großen digital gender gap: Frauen haben über alle soziodemografischen Merkmale tendenziell einen geringeren Digitalisierungsgrad als Männer. Dies sollte uns jedoch nicht davon abhalten, auch weiblichen Bewerber:innen die Chance zu geben, in solchen Tätigkeitsfeldern wirksam zu werden. Denn Frauen können Informatik und HTML auch (lernen). Gelingt uns der Kulturwandel allerdings nicht, verstärkt dies Geschlechterungleichheiten – nicht nur innerhalb der jeweiligen sozialen Organisation, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene.
  3. Digitale Arbeitsformen wie Home Office beseitigen zwar nicht die Ungerechtigkeit, dass Frauen qua Geschlecht tendenziell stärker für Haus- und Fürsorgearbeiten zuständig sind, bieten ihnen aber zumindest die Flexibilität, von zu Hause aus auf dem Arbeitsmarkt zu partizipieren. (Gilt natürlich auch für engagierte Männer!) Um den gender pay gap nicht zu vergrößern, muss dabei allerdings ausgestaltet werden, dass mobile Arbeiter:innen keine Nachteile in Bezug auf Gehalt und Karrierechancen erleiden.

Geschlechtergerechte Digitalisierung ist kein Selbstläufer

Deutlich wird: Die Digitalisierung birgt sowohl das Potenzial Geschlechterungleichheiten abzuschwächen, kann diese – ohne eine aktive Gestaltung – jedoch auch verstärken. Der Dritte Sektor sollte den Diskurs unterstützen und Gutes in der eigenen Organisation vorleben.

Aber wie? So!

  • Besetzt Führungspositionen mit Frauen
    Und zwar nicht nur aus moralischen, sondern auch pragmatischen Gründen: Denn erfahrungsgemäß bringen nur Frauen Themen auf die Agenda, die Frauen tangieren. Ignorieren wir Frauen auf Führungsebene, provoziert das eine Ausrichtung des Dritten Sektors, die stärker die Belange von Männern als Frauen unterstützt. Dies kann nicht Ziel sozialen Handelns sein – gerade nicht im Kontext der Chancen, die die Digitalisierung mit sich bringt.
  • Schafft frauenfördernde Arbeitsbedingungen
    Unabhängig von der Besetzung von Führungspositionen gilt es im Dritten Sektor Strukturen zu etablieren, die durch Nutzung der digitalen Technologien Geschlechterungleichheiten abschwächen. Zu nennen ist hier die Erlaubnis zum mobilen Arbeiten, das Bereitstellen von Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der Digitalen Kompetenzen für Frauen, die gleiche Bezahlung beider Geschlechter und die Einstellung von Frauen in klassischen Männersegmenten (Technik, Informatik).
  • Mehr Frauen-Digital-Projekte
    Wenig ist sozial wirksamer als sich für die Zukunftschancen von 50 Prozent der Bevölkerung einzusetzen. Gemeinnützige Organisationen wie Code Girls, Komm, mach MINT, Gender Equality Media e.V. und feministclickbait machen es vor, aber hier geht noch mehr – vielleicht ja bald auch durch eure Projekte!?
  • Beteiligt euch am Diskurs
    Lenkt Aufmerksamkeit darauf, dass eine frauenfreundliche Ausgestaltung unabdingbare Essenz einer sozialen Digitalisierung ist. Bereichert die Debatte um Digitalisierung und Geschlecht auf Verbandsebene, Demonstrationen oder auf Veranstaltungen wie dem Digital Social Summit. Neben vielen anderen tollen Organisationen können hier beispielsweise die Initiative D21, die Hans-Böckler-Stiftung oder die Stiftung Neue Verantwortung Vorbilder sein.

Diskutiert mit uns analog – und kommt zum Barcamp #FrauenProjekteDigital

Wie können Frauen die Digitalisierung für ihre Zwecke nutzen und die Spielregeln der digitalisierten Gesellschaft mitbestimmen? Welche Folgen hat die Digitalisierung der Arbeitswelt? Und bringt der Digitale Wandel eigentlich nur diskriminierende Algorithmen oder mehr Geschlechtergerechtigkeit mit sich? Fragen wie diese werden am 19. Juni auf dem zweiten Barcamp #FrauenProjekteDigital des FrauenComputerZentrumBerlin diskutiert – und wir moderieren und sind offizielle Unterstützer:innen.

Kommt auch vorbei und tauscht euch aus! Hier gibt’s mehr Informationen.

2 thoughts on “Digitalisierung + Geschlecht = Gerecht?

    1. Vielen Dank für deine Anregung, Minouki. Du hast natürlich recht, dass der Artikel allgemein gehalten ist. Allerdings wollten wir die Verschränkung von Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit auch auf einer großen, allgemeinen Ebene beleuchten. Gerne würden wir jedoch tiefer in das Thema hineintauchen. Wüsstest du denn gute Interviewpartnerinnen, die aus eigener Erfahrung berichten können?

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