Arbeitskultur in der Corona-Krise: 5 Tipps zum agilen Führen

Räumlich getrennte Teams, neue Kommunikations- und Arbeitsformen und die schnelle Anpassung der eigenen Programme an den Corona-Kontext: Führungskräfte von NPOs sehen sich gerade mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Wir glauben: Agiles Führen bringt in solchen Situationen einen großen Mehrwert – und schafft Freiräume für die wirklich wichtigen Aufgaben.

Rote Speilfiguren stehen eng beieinander. Daneben eine einzelne schwarze Spielfiguren, die alleine steht.

Ob kontrollierend, anleitend, oder delegierend, ob jede:r alleine oder alle zusammen, ob Mentor:in, Trainer:in, Command & Control oder demokratisch: Es gibt keine per se richtige Antwort darauf, was den/die perfekte Chef:in ausmacht und wie (digitale) Führung gestaltet sein sollte. Was es aber gibt, sind spezifische Führungscharakteristika, die in bestimmten Situationen sinnvoll sind.

Im Kontext von Corona sind soziale Organisationen mit komplexen Problemen konfrontiert: Durch Ausprobieren und kleine Schritte muss momentan versucht werden, die richtige Lösung zu erarbeiten. Es geht um Innovation & Experimentieren – und ein Arbeitsumfeld, das schnelle Reaktionen und Anpassungen möglich macht.

Im ersten Artikel unserer Serie “Arbeitskultur in der Corona-Krise” haben wir festgehalten, wieso agiles Arbeiten gerade in einem solchen Kontext einen großen Mehrwert mit sich bringt. Im vorliegenden zweiten Teil beleuchten wir die neuen Herausforderungen, die die Corona-Krise für soziale Organisationen und deren Führungskräfte mit sich bringt und gehen dabei auf Grundzüge des agilen Führens ein. Im dritten Artikel unserer Serie beleuchtet Agilitätscoach Thomas Jorré den Ablauf der agilen Retrospektive – und die Spielregeln, die dabei beachtet werden sollten.

Organisieren, reagieren, motivieren & kümmern, Strateg:in, Visionär:in, Therapeut:in & Krisenmanager:in – die Rollen von Führungskräften sind gerade vielfältig. (Foto: Marvin Meyer)

Herausforderungen gibt’s momentan genug

Entscheidungen müssen unter enormen Zeitdruck getroffen werden, die wirtschaftliche Situation ist durch Veranstaltungsabsagen und das gesellschaftliche Herunterfahren oftmals angespannt und die Organisationsplanung wird unsicher(er), da nicht klar ist, wann das normale Alltagsleben wieder in Fahrt kommt. Gleichzeitig gilt es, Arbeitsplätze zu erhalten, Mitarbeiter:innen zu motivieren und gesundheitliche Ängste und Bedenken des Teams zu reflektieren. Und durch die Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Lebens müssen auch die hauseigenen Projekte oft auf ihre soziale Wirksamkeit im Corona-Kontext überprüft – und gegebenenfalls angepasst werden.

Jedoch müssen Führungskräfte gerade nicht nur strategisch, sondern auch in Bezug auf die interne Arbeitsorganisation und Führung der Mitarbeiter:innen reagieren. Denn dadurch, dass Teams räumlich getrennt und lediglich virtuell verbunden arbeiten, verändert sich einiges. So können Fragen nicht mehr schnell über den Flur gestellt werden, die Kommunikation wird unübersichtlicher und in den meisten Fällen ist schwieriger nachzuvollziehen, was jede:r Einzelne wann und wie macht – Missverständnisse und Aneinander-vorbei-Arbeiten inklusive.

Das hört sich nicht nur nach viel an – sondern ist viel. Die gute Nachricht: Ein agil-demokratischer Führungsstil entlastet Führungskräfte auf kommunikativer Ebene und hilft ihnen, all diese Verantwortlichkeiten unter einen Hut zu bringen. Denn Kernstück des agilen Führens ist die Abgabe von Verantwortung an die Mitarbeitenden. Dies ist jedoch nicht mit Kontrollverlust gleichzusetzen, sondern gibt Führungskräften andere Freiräume. Freiräume, die sie dafür nutzen können, wichtige Probleme zu lösen, die wirklich nur sie lösen können: Aspekte wie die Sicherung von Arbeitsplätzen, die schnelle, strategische (Neu)Ausrichtung der eigenen Organisation oder das emotionale Führen der Mitarbeitenden durch die Krise.

Agiles Arbeiten – mehr als Scrum & bunte Klebezettel (Foto: Irfan Simsar)

5 Tipps zum agilen Führen

1. Gleichberechtigung statt Command & Control

Viele Organisationen arbeiten noch immer in klassisch-hierarchischen Strukturen. Das agile Arbeiten lässt sich damit nicht vereinbaren. Hauptaufgabe der Führungskraft ist es hierbei nämlich nicht, den Mitarbeiter:innen konkrete Aufgaben vorzusetzen, sondern gute Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen das Team bestmöglich wirken kann. So geben agile Führungskräfte eher das grobe Ziel, als den genauen Weg vor. Denn wie und wo dieser verläuft, wird von den Mitarbeitenden gleichberechtigt mitentschieden. Dies führt nicht nur zu besseren Ergebnissen, sondern gibt den Führungskräften auch die Möglichkeit, sich anderen Dingen zuzuwenden.

Eine Ausnahme gibt es: Chaotische Situationen, wie die ersten Wochen der Corona-Krise, sind von der Dringlichkeit und Eindeutigkeit des Handelns geprägt. So schön wir ein basisdemokratisches und gleichberechtigtes Miteinander auch finden: In der ersten, chaotischen Phase einer Krise braucht es schnelle, entschlossene und unkompliziert-hierarchische Führung – the person in charge is in charge. Genauso wichtig ist es aber auch, den Führungsstil an die neue Situation anzupassen, sobald das Chaos kontrolliert werden kann – und das ist mittlerweile bei den meisten sozialen Organisationen der Fall.

2. Eigeninitiative und Handlungsfähigkeit fördern

Agiles Arbeiten benötigt selbstorganisierte Teams und motivierte Mitarbeiter:innen, die kritisch nachdenken, Geschehenes reflektieren und Gelerntes anwenden. Denn, nur wenn den Mitarbeitenden Verantwortung übertragen, sie unterstützt, gefördert, ihnen bei der Weiterentwicklung geholfen und ihnen den Sinn der Arbeit verdeutlicht wird, können diese auch agil auf Probleme reagieren. Dies bedeutet, dass Führungskräfte im agilen Setting Freiräume kreieren und Verantwortungen auch bei den Mitarbeitenden verorten sollten.

3. “Nein”-Sagen ist okay: Ehrliches Feedback etablieren

Dass die eigene Arbeit als Individuum und Team, z.B. in Retrospektiven, immer wieder reflektiert, evaluiert und gegebenenfalls angepasst wird, ist Kernstück des agilen Arbeitens. Feedback ist jedoch nur gut, wenn es ehrlich ist. Damit sich Mitarbeiter:innen auch trauen, das was ist, auch so zu benennen, braucht es im Team die psychologische Sicherheit, unbequeme Wahrheiten ansprechen zu können – ohne mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Wie? Na, am besten durch eigenes Vorleben – und durch das Appellieren an die eigenen Mitarbeiter:innen, in Sachen Feedback mutig zu sein.

4. Transparenz (vor)leben

Nur wenn alle wissen, was alle machen, können sinnvolle Verbesserungsvorschläge kommuniziert werden. Agil arbeitende Führungskräfte sollten dies insofern unterstützen, indem sie Entscheidungen nicht im stillen Kämmerchen, sondern gemeinsam mit dem Team treffen und ihr Handeln und ihre Handlungsmotivation immer wieder transparent aufzeigen.

5. (Noch mehr) Kommunizieren!

Kommunikation ist Treibstoff des agilen Arbeitens. Gutes Zuhören und regelmäßiger Austausch zwischen Führungsebene und Mitarbeiter:innen sowie innerhalb der Mitarbeitenden sind eine wesentliche Basis, um Veränderungen frühzeitig mitzubekommen und berücksichtigen zu können. Gerade jetzt, im Kontext der räumlichen Trennung ist das Aufrechterhalten der internen Kommunikation, die mit wichtigste Aufgabe von Entscheider:innen. Wie das im Homeoffice gelingen kann? Hier haben wir für euch Tipps zusammengetragen.

Aber dafür haben wir doch gar keine Zeit?!

Natürlich kann keine Organisation ihre Arbeits- und Führungsweise von heute auf morgen (agil) umgestalten. Der große Vorteil einer jeden Krise ist jedoch ihre Disruptivität und das Veränderungspotential, dass sich daraus ergeben kann.

Also: Nutzt die momentane Situation, um alt-etablierte Führungsmuster und Pfadabhängigkeiten zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Falls agile Arbeitsmethoden für euch einen Mehrwert bieten, könnt ihr diese momentan so einfach einführen, wie selten sonst. Denn Chaos ist der beste Treiber für Kreativität – neue und innovative Arbeitsmethoden und neue Führungsstile werden hier am schnellsten akzeptiert.

Schonmal vormerken: Bald geht’s weiter!

Im nächsten Teil der Serie gehen wir auf den wichtigsten Baustein des agilen Arbeitens ein: Die Retrospektive. Denn im kritischen Betrachten der eigenen Arbeit, Lösungswege und Strategien, liegt das größte Potential um zu Lernen und Sachen beim nächsten Mal besser zu machen. Das denken nicht nur wir, sondern auch unser Gastautor Thomas Jorré – der als Coach Organisationen auf ihrem Weg der agilen und digitalen Transformation begleitet. Seid gespannt!

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