So geht fokussiertes Arbeiten: Im Homeoffice

Home Office, Fokussierung und Priorisierung sind Themen, die gerade viele von uns umtreiben. Digitale Dauer-Erreichbarkeit und neue Gegebenheiten verschärfen die Situation. Wir haben große und kleine Lösungsansätze für Euch!

Im hintergrund verschwommen das Profil einer Frau, im Vordergrund und Fokus ihre Faust. Auf dem Handrücken steht "Focus".

Sucht man nach Beiträgen zu fokussiertem Arbeiten im Home Office, dann verliert man selbst schnell den Überblick. Die Suchergebnisse werden dominiert von vielen Checklisten, die Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dazu gehört „nicht im Schlafanzug arbeiten“, „Ablenkungen beseitigen“, „feste Zeiten etablieren“, „vorher aufräumen“ und die allseits beliebte Pomodoro-Technik – dazu später mehr. Es ist aber doch so: Unsere Homeoffices sind höchst individuell – genau wie unsere Arbeitsanforderungen, Persönlichkeiten und Lebensbedingungen:

In Corona-Zeiten kommt noch hinzu, dass die Wohnungen vieler Menschen voller und lauter sind als an gewöhnlichen Werktagen: Partner:innen, Mitbewohner:innen und Kinder toben durch Videokonferenzen, telefonieren und leben parallel auf oft engem Raum und mit geteilter Bandbreite.

Trotzdem: Irgendwelche Tipps muss es doch geben? Auch wir haben die eierlegende Wollmilchsau des Zeitmanagements im Homeoffice nicht gefunden. Wir haben aber ein paar Ansätze gesammelt, die wir vielversprechend finden oder bereits aktiv praktizieren.

Vielleicht seid ihr mit digitaler Transformation in euren Organisationen und Projekten betraut und daher gerade besonders gefragt – die Anfragen und Anforderungen für kurzfristiges Handeln brechen nur so über euch herein? Allein deshalb kann es keine allgemeine Aussage geben, wie Fokus im Homeoffice gelingt. Die zentralste Aussage ist wohl die: Wir erleben gerade eine globale Pandemie und einen Ausnahmezustand in unseren eigenen vier Wänden: Es ist okay, wenn wir abgelenkt und auch mal überfordert sind!

Organisatorisch

Weniger (Online-)Meetings – stärker asynchron arbeiten

Starten wir mit unserer wohl radikalsten Anregung. Im Deutschlandfunk sagte kürzlich ein Experte „Homeoffice ist das ein Refugium der Stillarbeit. Eigentlich.“ Das ist ein traumhafter Idealzustand, den viele von uns aber derzeit nicht leben können. Klar: Auch vor Corona saß man in vielen Organisationen schon hin und wieder den halben oder ganzen Tag in Meetings, Telefon- und Videokonferenzen – dazwischen das sonstige Tagesgeschäft. Nun hat sich das alles in Videokonferenzen verlagert.

Es ist spätestens jetzt an der Zeit, dieses Meetingverhalten zu überdenken. Von der Effizienz vieler Meetings mal abgesehen: Wir alle haben unseren individuellen Biorhythmus und – gerade in Coronazeiten – unterschiedliche Zeiten für Sorgearbeit. Wer nun aber eigentlich vormittags zwischen neun und dreizehn Uhr seine produktivste Schreib- und Denkphase hat, dem wird der Tag allein mit einer langen Telefonkonferenz in dieser Zeit schon schwer beschädigt.

Die Fragen nach guten Moderationstechniken, der besten Software für Videokonferenzen, wie wir sie derzeit oft lesen oder selber stellen, greifen daher zu kurz – sagt zumindest dieser inspirierende Artikel. Er verdeutlicht das an einem Zitat-Klassiker:

„Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt schnellere Pferde.“ (Henry Ford)

Die Idee: Nicht die optimierte Videokonferenz (schnelles Pferd), sondern etwas Neues (wie eben das Auto) muss her. Das könnte ein Kulturwandel hin zu asynchronem Arbeiten sein. Das hieße beispielsweise, gute Vorarbeit einzelner in Form von umfassenden Memos zu leisten – und folgend konzentrierte Kollaboration im Dokument; zeit- und ortsunabhängig. Kurze Meetings bräuchte es dann höchstens noch, um finale Entscheidungen zu treffen.

Was wir auf dem Weg dahin brauchen? Den Mut, es auszuprobieren und eine Selbstverpflichtung, sich beim Erstellen, Lesen und Kommentieren der Memos tatsächlich Mühe zu geben.

Wer nicht in Entscheider:innenposition sitzt, kann diesen Wandel wohl nur anregen, aber nicht im Alleingang umsetzen. Solange das nicht geht: Prüft, an welchen Videomeetings ihr wirklich teilnehmen müsst – wider den Präsenzkult!

Schwarze Kopfhörer liegen auf gelbem Untergrund.
Photo by Malte Wingen on Unsplash

Technologisch

Das eigene Verhalten bewusst machen

Eine kurze Kaffeepause, dazu ein Blick in den Twitterfeed. Ein bisschen dort mitdiskutieren, einen spannenden verlinkten Artikel lesen – und schon ist der Tag rum. Kennt ihr?

Es gibt eine Vielzahl an Apps für Handy und Desktop, die eure Zeit auf verschiedenen Seiten und Programmen tracken und mit Trainingsprogrammen aufwarten. Gamification ist dabei auf dem Vormarsch. Mit der App Forest beispielsweise sperrt man seinen Handybildschirm für 30 Minuten, um einen virtuellen Baum großzuziehen und damit seinen Wald zu vergrößern. Nutzt man das Handy vorher, stirbt der Baum und der eigene Wald wächst langsamer.

Andere Apps lassen dich Tageshöchst-Nutzungszeiten für z.B. Facebook oder youtube einstellen – danach blockiert die App. Und wieder andere Programme fragen dich im Double-Opt-In Verfahren, ob Du gerade wirklich während der angegebenen Arbeitsphase eine App öffnen möchtest – das soll versehentliche Gewohnheitsgriffe vermeiden. Die Süddeutsche Zeitung hat einige dieser Apps zusammengetragen.

Schottet Euch ab

Es geht nicht immer und in jeder Umgebung, die Tür hinter sich zu schließen und die Kinder oder zu pflegende Angehörige auszublenden. Wenn aber die Störungsquellen die tobenden Kinder in der Nachbarwohnung, die Geige-übende Mitbewohnerin oder der Partner in einer Videokonferenz sind: Wie wäre es mit Kopfhörern mit Noise Cancelling Funktion?

Wer noch nie welche auf den Ohren hatte: Es ist magisch bis verstörend, bei absoluter Stille Menschen um sich herum die Lippen bewegen zu sehen. Auf jeden Fall aber ist es sehr, sehr ruhig – ob ihr nun leise Musik einspielt oder nicht. Nicht nur für jetzt ist das super: Nach den Corona-Ausgangsbeschränkungen könnt ihr euch auf ungestörtes Arbeiten in Großraumbüro, Zug und sonstwo freuen.

Powernap war nie einfacher!
Photo by Keenan Barber on Unsplash

Biologisch

Akzeptiert euren Biorhythmus! Im Homeoffice wird es für viele leichter, ihren Bedürfnissen zu folgen. Mittags ein Powernap zum Beispiel. Oder eine kurze Yoga-Pause im Nachmittagstief. Basierend auf den Regelungen eures Arbeitgebers kann es auch leichter werden, die eigenen Arbeitsphasen besser auf den Tag zu verteilen. Eure produktivste Schreibphase ist abends, dafür ist nachmittags im Kopf eher Ebbe? Vielleicht ist es für manche das Richtige, die festgelegten (!) Arbeitsstunden anders auf den Tag zu verteilen und in einer Stunde mehr zu schaffen als sonst in 2-3 Stunden.

Für andere wiederum ist Routine wichtig, also wie auch an normalen Bürotagen zu arbeiten – vllt. auch mit gemeinsamer virtueller Mittagspause mit den Kolleg:innen? Für beide Arbeitsmodelle gilt aber: Behaltet die Stunden im Blick. Das Homeoffice lädt dazu ein, nicht so richtig den Absprung zu finden, Dinge später noch fertigstellen zu wollen oder mehr. Das ist nicht gut! Denkt an Löwenzahn und stellt nach eurer festgesetzten Tagesarbeitszeit das Arbeitsequipment in die Ecke!

Psychologisch

In den Arbeitsflow kommen und dort bleiben: Für die einen heißt das, sich morgens bürofertig zu machen und ordentlich an den Schreibtisch zu setzen – für andere im Schlafanzug die erste Arbeitswelle zu reiten, und in der ersten Pause die Verwandlung zu vollziehen – andere bleiben vielleicht auch den ganzen Tag im Schlafanzug produktiv.

Um am Ende des Tages ein erfolgreiches Gefühl zu haben, können kleine psychologisch-organisatorische Tricks helfen:

Tagesziele aufstellen – und dabei nicht übertreiben

Nehmt euch für den Tag ein realistisches Set an Aufgaben vor – nicht zu viele! Vergesst dabei nicht, Platz zu lassen für die Daueraufgaben: Mails, Kommunikation mit Kolleg:innen und Partner:innen, anstehende Meetings. Wenn ihr euch realistische Ziele setzt, seht ihr am Ende des Tages klar, was ihr geschafft habt. Wenn nicht: Notiert für die Folgetage, woran es lag. Kam eine weitere unvorhergesehene Aufgabe herein – die ihr stattdessen bewältigt habt? Oder war es doch das sagenumwobene Fensterputzen?

Zeitfenster für Aufgaben setzen

Es gibt Methoden – wohl eher für Fortgeschrittene – bei denen man sich vor Beginn an einer neuen Aufgabe ein festes Zeitfenster setzt, binnen derer die Aufgabe erledigt sein muss. Sanftere Ansätze, die Zeit im Blick zu behalten und den Fokus gleich mit, bietet ein Arbeitsphasen-Rhythmus. Beliebt ist hierbei im Internet die zu Beginn erwähnte Pomodoro-Technik.

Glaubt es oder nicht – aber dieser Artikel wurde weitgehend im Pomodoro-Modus geschrieben. Was heißt das? Man stellt sich einen Timer (im Falle des Erfinders eine Küchen-Eieruhr in Form einer Tomate, ital.: pomodoro)

So lang die Uhr läuft – empfohlen werden 20-25 Minuten – wird nichts außer der Kernaufgabe bearbeitet. Wenn es nach 25 Minuten klingelt, hat man eine fünfminütige Pause. Facebookfeed durchscrollen, Kaffee kochen oder ein paar Streckübungen machen – alles ist erlaubt, was in der vorgesehenen Zeit möglich ist. Dann geht es in die nächsten 25 Minuten. Nach ein paar Durchläufen ist dann eine längere Pause drin.

Nein sagen

All diese Planungen funktionieren nur, wenn man sich auch an seinen Plan hält. Im Kleinen heißt das: Während der Arbeitsphase wird nichts anderes als die Aufgabe gemacht – und wenn den Tag über neue Aufgaben an euch herangetragen werden, seid realistisch. Passt es heute noch rein? Oder kann das eine der Aufgaben für morgen werden?

Gemeinsam auf Geschafftes zurückblicken – Erfolge feiern

Ganz alleine in der Echokammer vor sich hinarbeiten ist nur für die ganz intrinisch motivierten Leute auf Dauer gut. Man verliert selbst manchmal aus dem Blick, wie viel man eigentlich geschafft hat oder schätzt seine Leistung geringer ein, als sie eigentlich ist.

Bei D3 – so geht digital arbeiten wir agil mit der Scrum-Methode. Auch wenn ihr das nicht tut: Vielleicht tun euch einige der Elemente auch im (Homeoffice-)Alltag gut: Wir starten den Tag wie auch im Büro mit einem maximal 15 minütigen Daily – derzeit in einer kurzen Videokonferenz: Welche Team-Aufgaben von gestern wurden erledigt, welche werden heute von wem angegangen? Es gibt also eine gemeinsam vereinbarte To-Do-Liste für den Tag. Sätze wie „Hey, Du hast Dir aber schon ganz schön viel vorgenommen“ helfen bei der Selbstreflexion.

In unseren alle zwei Wochen stattfindenen Reviews schauen wir gemeinsam auf das Erreichte zurück – freuen uns über Statistiken, organisierte Events, veröffentlichte Produkte, geschriebene Konzepte und mehr. Wahnsinn, was man in zwei Wochen alles geschafft hat! Ohne diese Treffen wäre uns das kaum bewusst.

Ihr wollt mehr über agiles Arbeiten bei uns wissen? Schaut doch in das Webinar unserer Projektleiterin Katarina für die openTransfer Akademie:

Das ideale HomeOffice

Wenn das Homeoffice wirklich zu einem Refugium der Stillarbeit werden kann, ist da ganz schön viel Potential drin! Bis vor kurzem arbeiteten nur bis zu 12 Prozent aller Menschen in Deutschland gelegentlich zu Hause – obwohl es bei rund 40% möglich wäre! Das hat eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben. Damit ist Deutschland in Europa weit unter dem Durchschnitt.

Wir sind gespannt, wie sich unserer Lernerfahrungen der jetzigen Phase auf den Präsenzfetisch in deutschen Büros nach Corona auswirken werden. Was denkt ihr? Wie geht es weiter? Und: Was habt ihr ausprobiert? Teilt eure Erfahrungen mit uns. Was hilft Euch? Schreibt es uns gern – zum Beispiel hier in den Kommentaren.

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Serie Digitales Arbeiten: Weiterlesen

Weitere Tipps zum HomeOffice und andere Beiträge zu digitalem Arbeiten haben wir in unserer Serie für Euch zusammengestellt:

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