Digital genial! Wie man Freiwillige mit digitalen Mitteln fit macht

Die Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) unterstützt und fördert insbesondere leitende Ehrenamtliche. Ina Wittmeier ist als Referentin der Ehrenamtsakademie (eaA) für die Umsetzung des Bildungskonzeptes zuständig. Wir haben mit ihr über die Potentiale und Chancen der Digitalisierung für die Arbeit mit Ehrenamtlichen gesprochen.

Liebe Ina, was hat euch dazu bewegt, euch digitaler aufzustellen?

Unser Startschuss fiel im Jahr 2014. 2015 war die letzte Kirchenvorstandswahl, auf die wir uns intensiv vorbereiten mussten – immerhin rechneten wir mit rund 10.000 zu wählenden und zum Teil neuen Freiwilligen, die wir betreuen und informieren mussten. Zuvor konnten die Menschen ihre zahlreichen Fragen per Hotline stellen – natürlich während der offiziellen Bürozeiten. Wir haben schnell gemerkt, dass dieses Vorgehen einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Gerade Freiwillige müssen mit ihrer Zeit anders haushalten, als Hauptamtliche. Dazu gehört natürlich auch die Tatsache, dass die meisten während der klassischen Bürozeiten selbst einem Job nachgehen. Deshalb musste hier eine flexiblere Lösung her, um die Freiwilligen noch besser zu betreuen und ihnen alle Informationen zu vermitteln, die sie benötigen.

Eine Frage, die sich viele Organisationen stellen, wenn sie sich mit digitalen Möglichkeiten auseinandersetzen: Wie seid ihr in diesen Prozess eingestiegen – wo habt ihr angefangen?

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Als digitalen Einstieg haben wir eine geschlossene Facebook-Gruppe gewählt. Wir wollten einen Ort schaffen, an dem sich viele Gleichgesinnte treffen und Fragen an uns stellen können. Die Wahl fiel deshalb auf eine geschlossene Gruppe, um die Privatssphäre der Teilnehmenden nach außen zu wahren. Schnell setzte ein besonders schöner Effekt ein: Die Community hat sich gegenseitig unterstützt. Die Betreiber der Gruppe, also wir, wurden in dem Prozess immer unwichtiger. Und auch das altbekannte Telefon wurde diesmal aufgrund der alternativen Kontaktmöglichkeit kaum genutzt. Dann kamen mit unseren Webinaren und Erklärvideos  zwei weitere Säulen hinzu, auf denen unsere Digitalstrategie nun basiert.

Gab es Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes oder den generellen Machenschaften von Facebook und Co.?

Datenschutzbedenken gab es sicherlich, aber wir müssen dennoch dort sein, wo die Menschen sind. Hier müssen wir pragmatisch vorgehen – auch, um neue und vor allem diversere Zielgruppen zu erreichen. Wir haben zu einem früheren Zeitpunkt auch ein eigenes Portal für ein ähnliches Vorhaben getestet, dort haben sich rund 15 Teilnehmende angemeldet. In unserer Facebook-Gruppe sind es 300. Das ist für uns schon ein wichtiges Argument, um auf unsere Zielgruppe zuzugehen.

Wie ging es dann nach der Facebook-Gruppe weiter? Welche Säule seid ihr als nächstes angegangen?

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Unser Grundgedanke war immer der Folgende: Die Menschen sollen zu jeder Zeit und an jedem Ort Informationen finden – auch ohne sich bei einem neuen Portal oder ähnlichem anzumelden. Als Ehrenamtliche hat man andere Prioritäten, als im Job – gerade hier muss ich schnell und unkompliziert an Hilfestellungen gelangen können. Man hat keine Zeit, einen Tag für eine Fortbildung zu investieren und selbst die Anfahrt für ein Abendseminar kann zum Ausschlusskriterium werden. Hier mussten wir flexibler werden – und haben digitale Wege gefunden, wie dies funktionieren kann.

Wir haben festgestellt, dass wir den enormen Schulungsbedarf nicht mit klassischen Seminaren abdecken können. Deshalb haben wir uns zunächst dazu entschlossen Videos zu drehen, um wichtige Inhalte anschaulicher präsentieren zu können. Wir nutzen YouTube, da es dort keine Anmeldebarrieren gibt. Danach haben wir uns dazu entschlossen, unsere Info-Angebote auch in Form von Webinaren anzubieten.

Webinare haben den Vorteil, dass man schnell komplexe Sachverhalte erläutern kann. Es geht dabei dann um ganz klassische Themen wie Zeitpläne, wo finde ich welche Informationen und welche rechtlichen Neuerungen kommen auf uns zu. Die Teilnehmenden haben hier die Chance, Fragen zu stellen. Ebenfalls gute Erfahrungen haben wir mit der Handhabe gemacht, die Webinare im nachhinein als Erklärvideos auf YouTube zu veröffentlichen. Die Plattform bietet die Möglichkeit, dass alle auch ohne Anmeldung jederzeit und von jedem Ort mit Internetverbindung lernen können. So kommt es, dass die Aufrufzahlen von Webinar- Aufzeichnungen um ein Vielfaches höher sind, als die Teilnehmer*innenzahl, die Reichweite der Angebote wird damit also deutlich erhöht.

Dass so viele Menschen die zum Teil sehr langen Videos ansehen, ist unser bestes Feedback: Die Menschen wünschen sich flexible Lösungen, die ihnen Zeit sparen. Sie können in ihrem Tempo lernen – und zur Not immer den Pause-Button betätigen. Hinzukommt auch die ökologische Bilanz: Die Menschen sparen sich den Anfahrtsweg – ob mit Bahn oder Auto.

Und wie geht es nun weiter?

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Im nächsten Jahr steht die nächste Kirchenvorstandswahl. Und hier haben wir erstmals vor, alles digital zu kommunizieren und zu organisieren – Ausnahme bildet ein einziger Flyer.

Nun habt ihr ja auch eine etwas ältere Zielgruppe – habt ihr keine Angst, hier jemanden zu verlieren?

Was uns antreibt, ist die Lust daran, etwas Neues auszuprobieren und anzustoßen, dafür bedarf es anfangs eines höheren Engagements. Das bedeutet auch, sich auf die Zeiten und Bedürfnisse Ehrenamtlicher einzulassen. Man erreicht damit sicher nicht alle Ehrenamtlichen und bei manchen Themen ist es immer noch besser, sich persönlich zu begegnen. Daher ist die Digitalisierung nicht für alles die Lösung, es sollten auch weiterhin reguläre Seminare und direkte Gespräche angeboten werden. Aber: Wir müssen mit der Zeit gehen und flexible Lösungen finden – und die finden wir digital. Außerdem haben wir somit die Chance, eine jüngere und auch diversere Zielgruppe zu erreichen. Und das muss langfristig ohnehin unser Ziel sein, zumal man bei uns schon ab 14 Jahren Mitglied im Kirchenvorstand werden kann. .

Ganz zum Schluss: Was sind eure drei Tipps für Organisationen, die digital durchstarten möchten?

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  1. Einfach mit den Kanälen und Formaten anfangen, auf denen man selbst unterwegs ist und mit denen man sich auskennt. Das ist der einfachste Weg, um ins Handeln zu kommen.
  2. Ausprobieren und sich nicht von kleineren Rückschritten entmutigen lassen. Wenn etwas nicht funktioniert, sollte man nicht zuviel Zeit damit verschwenden, es weiterzubetreiben, sondern analysieren, auswerten und mit dem Gelernten etwas Neues ausprobieren. Dazu gehört auch der Tipp: Keine Angst vor Fehlern! Der Spaß am Experimentieren bringt uns immer weiter.
  3. “Out of the Box” denken. Man sollte nicht nur die eigene, altbekannte Zielgruppe im Kopf haben, sondern breiter denken und auch an potentielle neue Freiwillige und Ehrenamtliche denken. Wenn man neue Zielgruppe erreichen möchte, muss man auch neue Wege gehen.

Die Angebote der eaA sind auf www.ehrenamtsakademie-ekhn.de zu finden.

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