Viele Organisationen skalieren ihre Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen in andere Städte und Regionen. So erreichen sie noch mehr Menschen und erhöhen ihre Wirkung. Das funktioniert beispielsweise, indem sie neue Standorte in anderen Städten eröffnen, gemeinsam mit dort ansässigen Organisationen die Angebote durchführen oder ihr Wissen und ihre Erfahrungen an andere weiterreichen.
Jedoch kann es die geografische Distanz erschweren, sich regelmäßig mit Standorten auszutauschen, Wissen zu vermitteln und zu überprüfen, ob Qualitätsstandards eingehalten werden. Digitale Tools und automatisierte Prozesse können helfen.
Der openTransfer Accelerator ist ein Skalierungsstipendium, das soziale Organisationen ein Jahr lang in Bezug auf Wachstum und Verbreitung begleitet. Teil des diesjährigen Curriculums war eine Trainingsreihe, die den Einsatz digitaler Ansätze in der Skalierung reflektiert. Aktuelle und ehemalige Stipendiat:innen haben vier Wochen lang ihre Prozesse überdacht und Strategien entwickelt, um diese zu digitalisieren. Die Accelerator-Projektleiterin Julia Meuter hält fest, was dabei gelernt wurde.
Wie kann die Digitalisierung bei der Skalierung bewährter Angebote helfen?
Um ein Projekt erfolgreich in andere Städte zu verbreiten, sind verschiedene Schritte notwendig: Von der Auswahl der richtigen Partner:innen und deren Schulung, über die Zusammenarbeit mit den Standorten bis hin zur Qualitätssicherung. Viele Organisationen setzen hier bisher vor allem auf persönlichen Kontakt und analoge Methoden. Nicht erst seit Corona hat sich aber gezeigt, dass digitale Tools hilfreich sein können, um die gemeinsame Arbeit der Standorte zu verbessern und voranzubringen. Zwei Bereiche möchte ich in diesem Zusammenhang genauer betrachten: Die Weitergabe von Wissen an die lokalen Standorte und den regelmäßigen Austausch zwischen der Zentrale und den Standorten.
Den Wissenstransfer digital gestalten
In der Regel ist es wichtig, Projekte an lokale Gegebenheiten anzupassen. Dennoch gibt es Prozesse, die für alle Standorte gleich sind. Das Wissen dazu kann in einem Handbuch verfasst oder einer Schulung weitergegeben werden – oder es wird digitalisiert. Informationen entwickeln sich stetig weiter und so verliert ein gedrucktes Handbuch schnell an Aktualität. Eine Alternative hierfür ist eine eigene Webseite oder ein Wiki, wo alle Prozesse dargestellt werden. Der große Vorteil: Man kann verschiedene Medien einfach verbinden. Neben beschreibenden Texten können auch Fotos und kurze Videos zeigen, wie das Projekt erfolgreich umgesetzt wird.
Eine weitere Möglichkeit ist es, anstelle analoger Fortbildungen Webinare anzubieten. Diesen Weg haben zum Beispiel die Digitalen Helden gewählt. Der Verein schult Schüler:innen im verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien. Dafür haben sie ein Mentoringprogramm entwickelt und schulen Pädagog:innen und Eltern. Zu Beginn fand diese Schulung in Workshops an Schulen statt. Es wurden also immer wieder die gleichen Workshops für immer andere Schulen durchgeführt – eine nicht sehr effiziente Zeiteinteilung, zumal für eine Organisation, deren DNA quasi digital ist. Mittlerweile haben sie die Schulungen als Webinare in den virtuellen Raum verlegt und können so eine viel größere Anzahl an Interessierten erreichen. Wer seine Standorte in spe nicht an bestimmte Zeiten binden möchte, kann auch Videos für das Onboarding aufnehmen, die dann angeschaut werden können, wenn es den Zuschauer:innen passt.
Die Zusammenarbeit digital vorantreiben
Regelmäßiger Austausch zwischen den Standorten und gute Unterstützung durch die Zentrale ist ein Erfolgsrezept für Transferorganisationen. Auch hier bietet die Digitalisierung viele Möglichkeiten. So können Standorte eine gemeinsame Datenablage nutzen, ihre Programme in einer gemeinsamen Projektmanagementsoftware planen oder das Kontaktmanagement sowie das Monitoring über eine Datenbank laufen lassen. Dies erleichtert nicht nur den Austausch untereinander, sondern fördert auch die Transparenz. Denn so können etwa Arbeitsfortschritte für alle dokumentiert werden.
Für einen niederschwelligen Austausch setzen viele Organisationen auf ein eigenes Intranet oder interne Messenger, wie beispielsweise Slack. Dadurch können sich Standorte ad hoc austauschen und ihre Erfahrungen teilen. Im besten Falle kann sich die Zentrale sogar aus der Kommunikation zurückziehen. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass – im digitalen Raum mehr noch als bei Veranstaltungen – der Austausch moderiert werden muss.
Vor allem bei Prozessen, die einem Schema folgen und die man besonders oft durchläuft, lohnt sich eine Automatisierung. Um zu erfahren, welche das im Arbeitsalltag sind, sollte man Teammitglieder und Standorte bei der Entwicklung unbedingt einbeziehen.
Digitalisierung = Organisationsentwicklung
Es gibt jede Menge digitaler Tools, die zu mehr Effizienz und Transparenz führen und so die Skalierung voranbringen können. Eine wichtige Erkenntnis unserer Trainingsreihe war allerdings, dass die Auswahl eines digitalen Tools eigentlich erst an zweiter Stelle steht. Der Prozess startet früher und geht auch immer mit einer Analyse und Reflexion über die eigene Organisation und deren Ziele einher. Wer sich also dafür entscheidet neue Tools einzuführen, sollte sich zuerst fragen, was das Ziel ist und wie Technologien dabei helfen könnte. Wichtig ist es auch zu schauen, ob man nicht auch auf Bestehendes aufbauen kann. So vermeidet man, gegebenenfalls Prozesse zu doppeln und womöglich komplexer zu machen als sie vorab waren.
Der Faktor Mensch sollte immer mitbedacht werden. Gerade in einer wachsenden Organisation müssen die Mitarbeitenden in der Zentrale und den Standorten die eingeführten Tools nutzen, damit sie die gewünschte Wirkung haben. Das bedeutet auch, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Vielleicht fühlen sie sich unsicher bezüglich der Nutzung oder sie haben Angst, dass es zusätzliche Arbeit bedeutet. Nehmt sie mit, nehmt ihnen die Angst und zeigt, welchen Mehrwert die Einführung eines neuen digitalen Tools haben kann.
Eine regelmäßige Reflexion – am besten im ganzen Team – kann helfen zu überprüfen, ob das gewählte Tool wirklich einen Mehrwert für alle bringt.
Ein paar Tipps am Ende
Für viele Organisationen ist „mehr Digitalisierung“ nach wie vor ein großer Schritt, der mit jeder Menge Unsicherheit einhergeht. Hilfreich ist es daher, sich mit anderen gemeinnützigen Organisationen auszutauschen und nach Erfahrungen zu fragen. Dennoch muss jede Organisation eine eigene, für sich passende Lösung finden. Eine „One-size-fits-all“-Lösung gibt es in den seltensten Fällen.
Digitalisierung sollte euch, eurem Team und euren Standorten helfen, die Arbeit zu erleichtern und damit die Skalierung weiter voranzubringen. Daher macht es Sinn, sich die Zeit zu nehmen, um zu reflektieren, wo das der Fall ist.
Trotz sämtlichem Mehrwert den die Digitalisierung bietet, bleibt ganz wichtig: Der persönliche Kontakt bleibt ein essentieller Erfolgsfaktor bei der Skalierung. Daher ist es wichtig, eine gute Mischung aus digitalen und analogen Prozessen zu entwickeln, um die Zusammenarbeit zu optimieren und gemeinsam an vielen Orten Großes zu bewegen.
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