Foto: Think Digital Green
Es lohnt sich, die Nutzung digitaler Anwendungen an deinem Arbeitsplatz mit der Klimaschutz-Brille anzusehen: Wie kannst du unnötigen Datentransfer vermeiden und damit Energieverbrauch und CO2-Emissionen senken? Weil unser Büroalltag immer digitaler wird und wir praktisch von überall aus im Team dabei sein können, wird es aber auch immer relevanter, dabei auf den ökologischen Part zu achten. Darüber haben wir in Teil 1 dieser Serie bereits geschrieben:
In diesem Teil wird es nun ganz praktisch: Mit drei Hacks, also kleinen technischen Kniffen, die alle sofort umsetzen können – ohne auf etwas zu verzichten. Im Artikel treffen wir auf Karl und Nala, die beide in einer Non-Profit-Organisation arbeiten und ihr privates Engagement für Klimaschutz gerne auch im Berufsalltag einsetzen wollen.
💌 Hack 1 – klimabewusster E-Mailen:
Täglich werden weltweit etwa 330 Milliarden E-Mails bewegt, Tendenz steigend.
Karl erhält im Schnitt 21 E-Mails am Tag. Auch wenn eine E-Mail mit Text nur einen geringen Fußabdruck hat, so stimmt der Satz: „Kleinvieh macht auch Mist.“ Rechnerisch verursacht jede E-Mail etwa 10 g CO2 durch Erstellen, Versand, Lesen und Speichern. Dafür wird auch Wasser für das Kühlen der Server verbraucht, die auch einen Fußabdruck haben.
Wie gehen Karl und Nala vor?
Was Karl noch einfällt, ist folgendes: Er wird ungenutzte E-Mail-Accounts und alte Accounts in Apps für Zusammenarbeit, die er „mitschleppt“, endlich löschen. Auch Daten, die lediglich lagern, brauchen Strom.
Ein paar Tage später gehen Karl und Nala gemeinsam zum Mittagessen. Auf dem Rückweg schneidet Karl das Thema Video-Konferenzen an. Er hatte Nala versprochen, ihr von seinem kleinen Experiment zu berichten.
💻 Hack 2 – klimabewusster sein beim Video-Conferencing
Videokonferenzen können bis zu 450 MB Daten pro Stunde verbrauchen. Wenn Karl im Schnitt beruflich und privat ca. 2 Std. pro Tag in Online-Meetings verbringt, können dadurch etwa 250 kg Treibhausgase im Jahr für Rechenzentren, Datennetze und Betrieb des Endgeräts usw. entstehen. Wenn er die Kamera die Hälfte der Zeit ausgeschaltet lässt, sinkt die Bilanz rechnerisch auf 135 kg CO2 pro Jahr. Das hat Think Digital Green berechnet. Daher gilt abzuwägen: Wann brauche ich die Kamera in Videokonferenzen und wann nicht?
Ein Beispiel: Vielleicht ist euch aufgefallen, dass beim Präsentieren viele Kolleg:innen zuhören und gar nicht in die Kamera schauen. Ist dies ohnehin der Fall, braucht es keine Bildübertragung. Im Diskussions-Teil jedoch ist es wichtig, die Menschen zu sehen. Ein Team kann also vereinbaren, wie ein klimabewusstes Online-Meeting gestaltet werden soll.
Einen noch größeren Impact habt ihr unter dem Finger, wenn ihr ein Video streamt.
🍿 Hack 3 – Der größte Impact: klimabewusster beim Video-Streaming
Bei unseren Workshops geben manche Teilnehmende an, bis zu 6 Stunden pro Tag zu streamen. Dabei rechnen sie beruflich relevante Tutorials, Podiumsveranstaltungen, Nachrichten-Sendungen und privat gestreamte Videos zusammen. Seit Corona sind die Zahlen fürs Streaming deutlich gestiegen – auch im mobilen Netz. Professor Tilman Santarius, TU Berlin, gibt zu bedenken:
„Wer in der Straßenbahn Videos streamt, hat fast den gleichen Energieverbrauch wie jemand, der mit dem Auto nebenher fährt.“[1]
Nala kennt das Zitat bereits aus ihrem Workshop, den sie bei uns besucht hat. Sie hat Karl sofort auf ihrer Seite, hier den Energieverbrauch zu senken. Denn es ist ganz einfach: Wer die kleinstmögliche Wiedergabe-Qualität für das jeweilige Endgerät auswählt, nur im WLAN streamt und Autoplay in den Sozialen Netzwerken abschaltet, hat schon viel unnötiges CO2 vermieden. Denn ganz ehrlich: HD muss bei einem Tutorial oder den nebenbei geschauten Nachrichten nicht sein, oder?
Noch mehr kleine Hacks für weniger CO2-Verbrauch
- Download des Videos auf das Endgerät, wenn Videos öfters genutzt werden oder z. B. aktuelle Nachrichten in der U-Bahn angeschaut werden sollen. So findet der Datentransfer nur einmalig statt.
- Einer für alle! Im Büro ist auch das gemeinsame Streamen im Konferenzraum – etwa bei Live-Streams für eine Weiterbildung oder hybriden Team-Meetings – eine gute Idee. Auch können sich Kolleg:innen dann im Anschluss dazu austauschen.
Wie auch Karl kritisieren viele Konsument:innen den hohen Stromverbrauch des Internets und wünschen sich mehr Informationen und umweltfreundlichere Angebote.
Es an der Zeit, dass die Politik Klimaschutz und Digitalisierung zusammen denkt und auf einander abstimmt.
Hierfür gibt es noch keinen Masterplan. Aber es gibt u.a. ein Plädoyer für ein digitales Nachhaltigkeitsgesetz von Abgeordneten der Grünen (12/2022) und eine Konferenz unter dem Motto: „Nachhaltigkeit by design – für eine klimaneutrale digitale Zukunft“ im März 2023 in Berlin. Hier stehen auch die Themen Recht auf Reparatur von ITK-Geräten (Bezeichnung für Geräte der Informationstechnologie (EDV) und der Telekommunikation (z.B. Telefonanlagen) und klimagerechte Digitalisierung – Rohstoffe, seltene Erden und Menschenrechte – auf der Agenda.
Zum Abschluss noch ein Geräte-Hack für mehr digitale Nachhaltigkeit: Prüft beim Neukauf, ob wieder aufbereitete, also refurbed Smartphones etc. verfügbar sind und gebt unbrauchbare Geräte an Sammelstellen ab. Positiv ist, dass etliche Arbeitgeber inzwischen Fairphones anbieten und ausrangierte Geräte zur Weiterverwertung bzw. Aufbereitung an die AfB – social & green IT geben.
Auch wenn das Prinzip „Nachhaltigkeit by design“ erst am Horizont erscheint: Wir brauchen nicht zu warten. Wir alle können selbst Impact erzeugen und andere mitnehmen. Tag für Tag. Klick für Klick. Denn: digital und nachhaltig – das geht!
Weiterführende Informationen und Ressourcen
Bits und Bäume, die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit 2022: Programm, Aufzeichnungen, politische Forderungen.
Video-Interview mit Prof. Tilman Santarius, Bits und Bäume-Konferenz 2022 zu den politischen Forderungen mit Susanne Grohs-v. Reichenbach, Think Digital Green.
Video-Interview mit Hannah Magin, All Codes Are Beautiful bei der Bits und Bäume-Konferenz 2022 zu nachhaltigen Websites
Digitalisierung zum Treiber des Klimaschutzes machen! Plädoyer für ein digitales Nachhaltigkeitsgesetz, Autor:innenpapier, 5.12.22
Corporate Digital Responsibility (CDR): Die Initiative des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz hat das Ziel, digitale Verantwortung zu einer Selbstverständlichkeit für Organisationen werden zu lassen. Du findest auf der Website unter anderem Prinzipien des CDR-Kodex und Fallbeispiele
Praxis-Beispiel CDR: Aktion „digitaler Frühjahrsputz“ bei der Otto Group
Öko-Institut e.V.: Themen der nachhaltigen Informations- und Kommunikationstechnik u.a.
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz.
[1] Frankfurter Rundschau, 27.12.2019 (Zugriff 07.01.2023)