Lea Pfau: Informationsfreiheit im Internet

Lea Pfau ist Campaignerin bei FragDenStaat.de. Mit ihren Mitstreiter:innen kämpft sie für freien Zugang zu Informationen. Ihr Netzaktivismus geht Behörden manchmal ordentlich auf die Nerven.

Foto von Lea Pfau, Campaignerin bei FragDenStaat.de

Wenn Lea ihre Arbeit macht, tanzt sie schonmal auf den Tischen. Zum Beispiel im Musikvideo, das FragDenStaat.de zu ihrem ironischen und angriffslustigen Song „Wer fragt den Staat?“ gedreht hat. Die Netzaktivistin hockt da auf einem Tisch, während sie zum krachenden Hip-Hop Beat rappt: „Wer fragt den Staat, damit mehr Transparenz unsere Zukunft ist?“ Das Video drehte die kleine NGO, um Spenden für ihre Arbeit zu generieren. Darin kommen die Aktivist:innen schließlich zu der Folgerung: Wer Antworten will, müsse das Fragen selbst in die Hand nehmen.

Recht auf freies Wissen

„Behörden arbeiten für uns, also für die Bevölkerung. Da sollten wir die Möglichkeit haben, nachzuprüfen, ob sie das tun, wofür wir sie gewählt haben“, meint Lea. Und das könnten Menschen mit FragDenStaat.de tun. Die Plattform ermutigt Bürger:innen, ihr Recht auf Information wahrzunehmen. Dazu stellt das Projekt der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. vorgefertigte Schriftsätze zur Verfügung, mit denen Menschen Auskünfte einfordern können. Täglich gingen Anfragen von Bürger:innen zu den unterschiedlichsten Themen über die Plattform an staatliche Stellen raus: Wie oft traf sich das Bundeskanzleramt mit einem großen Energiekonzern? Oder: Wie hoch waren die Gesamtkosten für Dienstwägen der Europäischen Umweltagentur im Jahr 2020? Und manchmal wird es auch kurios: Warum wurde eine bestimmte Ausgabe des Comics „Sailor Moon“ im Jahr 2001 vom Hamburger Senat als jugendgefährdend eingestuft? Alle Anfragen inklusive der Antworten und angeforderten Schriftsätze sammelt FragDenStaat.de auf ihrer Webseite. Transparent und für alle einsehbar.

Ihr Werkzeug findet die NGO im Informationsfreiheitsgesetz. Das Recht erlaubt es Bürger:innen Akten einzusehen, bei staatlichen Behörden Einsicht zu erfragen, und vor allem sie auch zu erhalten. Fast alle deutschen Bundesländer haben so ein Gesetz verabschiedet. Bei den meisten Anfragen sind Verwaltungen auskunftspflichtig. Als Campaignerin sieht Lea ihre Aufgaben darin, Informationsfreiheit generell sichtbarer zu machen. Dafür liest und recherchiert die 24-Jährige, liefert Inhalte für Forderungen, die sie anschließend mit ihren Kolleg:innen in Kampagnen übersetzt. Denn jede Person habe ein Recht auf Auskunft, aber nur wenige wüssten darüber Bescheid, meint sie. Deswegen klären sie darüber auf.

„Informationsfreiheit ist ein super wichtiges Thema, aber nicht alle verstehen das sofort.“ Aufgefallen sei ihr das beim Sammeln von Unterschriften für einen Volksentscheid über ein neues Transparenzgesetz für Berlin. Auf den Straßen hätten viele mit dem Begriff „Informationsfreiheit“ nichts anzufangen gewusst. „Aber wenn du fragst, ob die Menschen dafür sind, dass Verwaltungen Daten veröffentlichen müssen, damit wir die Regierung besser kontrollieren können, dann sind natürlich alle Personen dafür.“ Genau da versucht sie anzusetzen und Wege zu finden, das komplexe Thema zu vermitteln.

Zugang zu Informationen und demokratische Teilhabe

Als studentische Hilfskraft kam Lea zu FragDenStaat.de. Zunächst bewarb sie sich bei einem anderen Projekt innerhalb der Open Knowledge Foundation. Dessen Förderung lief aber aus und so landete sie in dem kleinen Team, das sich für die Freiheit von Informationen einsetzt. Ein glücklicher Zufall. Denn für netzpolitische Fragen interessiert sich die Politikwissenschaftlerin schon länger. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie über Informationsfreiheit. „Ich bin da so ziemlich das Kind meiner Eltern“, sagt sie. Ihre Mutter arbeite in der öffentlichen Verwaltung und habe viel mit bürgerschaftlichen Engagement zu tun, ihr Vater sei Informatiker. „Zusammen ergibt das Netzpolitik“, bemerkt Lea amüsiert.

Ihrer Meinung nach sollten alle Menschen den Staat befragen. Allerdings täten das nur wenige. „Es gibt zahlreiche Hürden, wenn ich einfach nur eine Information vom Staat erhalten möchte.“ Manchmal würden Behörden für Auskünfte Gebühren verlangen – bis zu 500 Euro. Und Deutsch als Amtssprache müsse verwendet werden, was wiederum Menschen mit geringen Kenntnissen der Sprache ausschließe. Im Ergebnis seien es vorwiegend Akademiker:innen, die Anfragen an Behörden stellten, meint Lea.

FragDenStaat.de möchte den Zugang für möglichst alle öffnen und dabei helfen, dass jeder Mensch an Wissen herankommt, das „von oben“ kommt. „Ich muss als Bürger:in nicht Gesetzestexte und alle einzelnen Paragraphen kennen, um etwas wissen zu wollen.“ Über die Plattform kann jede Person eine E-Mail formulieren, der eine juristische Erklärung für die Berechtigung der Anfrage automatisch angehängt wird. „Als Bürger:in muss ich mich also nicht mehr einarbeiten, wenn ich einfach nur was wissen will.“

Lea ist überzeugt, dass sie mit ihrer Arbeit nicht nur den Menschen ermögliche, ihr Recht wahrzunehmen, sondern auch die Demokratie fördere. Denn die lebt von Transparenz. Mehr Einsicht bedeutet bessere Kontrolle von staatlichen Einrichtungen. Was die Netzaktivistin aber noch wichtiger findet, ist, dass mehr Wissen auch mehr Teilhabe ermöglicht.

Informationen sind die Grundlage, um sich zu engagieren. Sei es, ob ich einen Fahrradweg bei mir um die Ecke erstreiten möchte oder wissen will, wie der Insektenbestand im Naturschutzgebiet aussieht – für all das brauche ich Informationen.

Gegen den Gegenwind

Das Engagement von FragDenStaat.de eckt an. Jüngst legten sie sich in der Kampagne #AbolishFrontex mit der Europäischen Grenzagentur Frontex an. Diese verklagte die Kritiker:innen. Von der NGO forderten sie die Übernahme der Anwaltskosten. 23.700 Euro. Das schüchtere natürlich ein, gibt Pfau zu. Trotzdem sei es für die sie ein „David gegen Goliath-Moment“ gewesen. „Dass wir als zehnköpfiges Team es geschafft haben, eine Milliarden-Behörde so zu ärgern, macht mich stolz“. Und es sei ein Beweis dafür, dass die Netzaktivist:innen bei der Agentur einen wunden Punkt getroffen hätten. Behörden zu kontrollieren und dabei auch unangenehme Situationen herbeizuführen, ist für Lea zentrale Aufgabe der Zivilgesellschaft. „Wir müssen skandalisieren und dahin zeigen, wo es weh tut, weil sich sonst nichts ändert.“

Nachzufragen scheint Behörden zu nerven. Oft würden Lea und ihre Mitstreiter:innen zu hören bekommen, dass Staaten ja nicht alle Informationen offen legen könnten. Ein „Strohmann-Argument“, wie die Campaignerin findet. „Natürlich gibt es Wissen, das nicht öffentlich gemacht werden sollte. Niemand von uns fordert, dass Informationen, die die nationale Sicherheit gefährden könnten oder sensible persönliche Daten veröffentlicht werden“. Es gibt Ausnahmen, aber hinter denen dürften sich Staaten nicht verstecken.

Politik sei Verhandlung, findet Lea. An der wirken auch kleine Institutionen mit. Sich wegen des Gegenwindes seitens der Behörden zurückzunehmen oder ihre Forderungen zu schmälern, komme für die Netzaktivistin nicht in Frage. „Mit einem Kompromiss gehe ich ja nicht in eine Verhandlung hinein.“ Bei all dem kämpferischen Aktivismus dürfe aber der Spaß nicht auf der Strecke bleiben. „Sich für etwas einzusetzen kann wahnsinnig frustrierend sein, da muss man Sachen finden, die Spaß machen“, findet Lea. Diese Maxime lebten sie bei FragDenStaat.de.

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