Erste codo-Fokusgruppe. Foto: Michael Taterka/ BürgerStiftung Hamburg
Für Annika Jähnke von der BürgerStiftung Hamburg war es von Beginn an ein
Herzensprojekt. Doch auf Begeisterung stieß die Projektleiterin nicht, als sie ihre Idee
von einem neuen Datentool für Patenschafts- und Mentoringorganisationen vor vier
Jahren bei Förderprojekten und in ihrem Hamburger Netzwerk vorstellte. „Wir haben
doch ein funktionierendes System, sagten viele“, erinnert sich Annika. Erst mit Corona
habe sich die grundsätzliche Haltung gegenüber der Digitalisierung geändert. „Also
haben wir unsere Gedankengänge wieder aus der Schublade herausgeholt und mit der
Planung begonnen.“ Schnell wurde klar, dass die Entwicklung eines neuen Datentools
ein Mammutprojekt werden würde. Teamarbeit war gefragt.
Kräfte bündeln, Ressourcen sparen
„Sowohl die Bürgerstiftung Hamburg als auch wir haben schon sehr früh digital
gearbeitet und digitale Angebote gestaltet“, sagt Johannes Hofmann von der Stiftung
Bürgermut. Für kleine und mittelgroße Organisationen sei es aber schon immer schwer
gewesen, sich digital weiterzuentwickeln. Nicht nur mangelndes Interesse, sondern auch
fehlende Ressourcen – finanziell und personell – bremsten die digitale Entwicklung
lange Zeit aus. Heute sei der Bedarf aber hoch – und steige weiter. Ein digitales Tool zu
erschaffen, von dem alle profitieren, schien die perfekte Lösung zu sein. „Aufgrund der
Partnerschaft im Bundesprogramm Menschen stärken Menschen haben wir uns vorher
schon intensiv ausgetauscht – vor allem im Bereich Digitalisierung“, sagt Johannes. Eine
Zusammenarbeit war also der nächste logische Schritt. Ganz nach dem Motto: Kräfte
bündeln und Ressourcen sparen.
„Es war wichtig, klare Verantwortungsbereiche zu definieren“, sagt Johannes. „Wir von
der Stiftung Bürgermut begleiten und gestalten den Prozess, sind aber auch für die
Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation rund um codo zuständig. Die BürgerStiftung
Hamburg ist für die Begleitung der technischen Seite und die konzeptionelle
Weiterentwicklung des Tools verantwortlich.“ In einen gemeinschaftlichen Projekt ist
eine gute Kommunikationskultur entscheidend, findet der Projektmanager: Ein offener
und ehrlicher Austausch, der auch dann gelingt, wenn gerade nicht alles rund läuft.
„Ebenso wichtig ist ein grundlegendes gemeinsames Verständnis für das, was man
entwickeln möchte“, sagt Johannes. Denn jedes Projekt bringe schwierige Phasen mit
sich. Eine gemeinsame Vision helfe, anstrengende Projektphasen zu überstehen.
Was ist codo?
Patenschaftsprojekte, insbesondere von kleinen und mittelgroßen Trägern, stehen vor der großen Herausforderung, trotz weniger Ressourcen qualitätssicher zu arbeiten. Dazu gehört auch eine gewisse Fluktuation in den hauptamtlichen Stellen und in der Zusammensetzung des Teams. Aufgrund kleiner Stundenkontingente wechseln Koordinator:innen nicht selten alle zwei bis drei Jahre. Das bedeutet oft einen Verwaltungsaufwand, aber vor allem einen Kompetenz- und Wissensverlust.
Dem möchte codo entgegensteuern!
codo bietet hier einen Lösungsansatz, denn das Tool ermöglicht nicht nur eine gute Dokumentation der Kontaktdaten, sondern auch ein personenunabhängiges Qualitätsmonitoring. Durch die Dokumentation von Schlüsselmomenten der Tandems können Koordinator:innen Wissen zu den einzelnen Tandems bündeln, leicht auf dieses zugreifen und so in Konfliktfällen kompetent reagieren.
Ziel ist es, Patenschaftsprojekten mit codo ein Tool an die Hand zu geben, dass ihnen bei der Dokumentation hilft und Zeit spart. Denn so können Koordinator:innen mehr Zeit für die wichtige Beziehungsarbeit mit den Tandems, die Gestaltung des Begleitungsprogramms und die Ausgestaltung von Auswahl- und Vorbereitungsprozessen investieren.
Erwartungen kommunizieren, Handlungsspielräume abgrenzen
Für Annika ist ein gutes Erwartungsmanagement ein wichtiger Erfolgsfaktor. Man müsse
allen, die an dem Projekt mitarbeiten, eine Struktur und einen festen Zeitplan bieten, damit alle Beteiligten wissen, was sie zu tun haben und wie viel Zeit sie einplanen
müssen. „Wir haben versucht das Tool – soweit es geht – vorzudenken“, sagt Annika. Auch
dabei war Teamarbeit gefragt. „Ich bin jemand, der auf der Userebene ein gutes
Verständnis von Funktionen hat.“ Johannes hingegen sei jemand, der ein großes
technischen Verständnis hat und die Fachtermini kennt. „Das war natürlich der totale
Glücksgriff.“ Und eine erfolgsversprechende Kombination. Auch die Finanzierungsfrage
war schnell geklärt: Das Bundesfamilienministerium stellte öffentliche Gelder für die
Entwicklung von codo zur Verfügung.
Was fehlte, war ein Entwicklerteam. „Die Suche nach passenden Entwickler:innen war
sehr herausfordernd.“ Allein die zwanzigseitige Ausschreibung zu erstellen, sei ein
Kraftakt gewesen, sagt Annika. Das begrenzte Budget machte die Suche nicht leichter.
„Wir konnten nur eine kleine fünfstellige Summe ausschreiben.“ Dementsprechend
gering war der Rücklauf. Doch die Bewerbung von Aam Digital war das fehlende
Puzzleteil. Das Sozialunternehmen entwickelt speziell zugeschnittene Softwarelösungen
für kleinere NGOs. „Sie sind selbst aus einer Hochschulgruppe heraus entstanden, haben
also Verständnis für semi-professionelle Strukturen und bringen ein Tool mit, das die
Grundfunktionen erfüllt, die wir brauchen“, sagt die Projektleiterin. Ein weiterer
Glückstreffer.
Feste Fahrpläne, flexible Haltestellen
„Wir sind auf Social Media über die Ausschreibung gestolpert“, sagt Softwareentwickler
Sebastian Leidig, Mitbegründer von Aam Digital. „In der Ausschreibung war klar
umrissen, was codo sein und wie es funktionieren soll. Unsere Plattform mit bereits
existierenden Lösungen war die Grundlage, auf der wir aufbauen konnten.“ Nach den ersten Videocalls war klar, was das Tool schlussendlich können und welche bestehenden Probleme es lösen muss. „Wir wussten, wo die Reise hingehen soll.“
Ein klarer Fahrplan sei wichtig, betont Sebastian, ebenso Flexibilität, „damit die Haltestellen
an einigen Punkten auch mal flexibel angesteuert werden können.“ So seien einzelne
Punkte, die ursprünglich fest eingeplant waren, zunächst verschoben und hintenan
gestellt worden. „Wenn man sich an vereinbarte Paragraphen festklammert, funktioniert
das nicht.“
Auch der Softwareentwickler betont, wie wichtig Offenheit und eine gute Kommunikation ist – egal auf welchen Kanälen. „Wir hatten feste wöchentliche Termine“, sagt Sebastian, „dort konnten wir immer kurz besprechen, wo wir stehen und wie es weitergeht.“ Das sei wichtig, weil das Softwareentwicklungsteam immer wieder Impulse und Feedback brauche. „Wenn man ins Blaue hinein entwickelt, ist das schwierig.“ Größere Abstimmungsrunden folgten spätestens alle vier Wochen. So entstand in kurzer Zeit ein Tool, das nutzbar war.
Zielgruppe einbinden, Prioritäten setzen
„Technisch ist fast alles möglich“, sagt der Softwareentwickler, „aber man muss sich immer fragen, was im ersten Schritt praktikabel ist.“ Der Austausch mit Projekten, die das Tool später nutzen, sei unentbehrlich. Gleich zu Beginn des Projekts wurde daher eine Fokusgruppe eingesetzt, in denen die späteren Endnutzer:innen das Tool aus erster Hand erleben, testen und individuell auf ihre Bedürfnisse anpassen konnten.
„Durch unseren vergleichenden Blick auf Projekte hatten wir ein gutes Gefühl dafür, wo die
grundsätzlichen Bedarfe liegen“, sagt Annika. „Aber es bringt nichts, wenn wir uns dieses Tool intern ausdenken.“ Erst die Praxis zeige, welche Funktionen wirklich benötigt werden und was warten kann. „Daher müssen die Menschen, die später damit arbeiten, in den Prozess involviert werden.“ Es habe eine Weile gedauert, bis der Austausch richtig angelaufen ist, sagt Softwareentwickler Sebastian, „weil die
Fokusgruppen natürlich nicht ständig Zeit hatte, das System zu testen oder uns Rückmeldung zu geben.“ Daher habe die Entwicklung am Ende auch ein bisschen länger gedauert, als zuvor geplant.
Der Protoyp steht
Nun ist ein erster Prototyp fertig. Die aktive Nutzung innerhalb der ersten Fokusgruppe
hat bereits begonnen. Die zweite Entwicklungsphase steht bevor. „In der ersten
Fokusgruppe waren Projekte aus der Hamburger Szene, in der schon viel über das
Projekt gesprochen wurde. Für die zweite Fokusgruppe haben wir deutschlandweit nach
Mitgliedern gesucht, das war nochmal herausfordernder“, sagt Annika. Einige Projekte
hatten noch nie von dem Tool gehört, andere erkannten den Mehrwert nicht oder waren
von den Aufgaben, die mit dem Engagement in der Fokusgruppe einhergehen,
abgeschreckt. „Da mussten wir stark gegensteuern. Das war anstrengend, ist uns aber
am Ende gut gelungen.“ Auch hier hat sich das Zusammenarbeiten und Netzwerken
ausgezahlt. Nun ist das gemeinsame Ziel zum Greifen nah: der Roll-Out von codo in die
Patenschafts- und Mentoring-Szene Ende 2023.
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