Digitale Barrierefreiheit: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Zeit der digitalen Barrierefreiheit ist jetzt! Da das Corona-Virus uns in den eigenen vier Wänden festsetzt, ist es wichtiger denn je, digitale Informationen wirklich für ALLE zugänglich zu machen.

Aufnahme von Menschen, die über einen Zebrastreifen laufen.

Kennt ihr die europäische Richtlinie 2016/2102? Diese gibt Maßnahmen zu digitaler Barrierefreiheit vor und strebt damit ein inklusives Europa, sowie eine einheitliche Gesetzgebung zum Thema digitaler Barrierefreiheit an. Diese wurde bereits 2016 veröffentlicht und setzt fest, dass öffentliche Stellen ihre Webseiten bis September 2020 barrierefrei gestalten müssen. Mobile Anwendungen müssen bis Juni 2021 ebenfalls barrierefrei sein. Carolina von Amberscript zeigt in ihrem Gastbeitrag, weswegen auch NPOs sich mit digitaler Barrierefreiheit auseinandersetzen sollten und worauf ihr bei der Umsetzung achten könnt.

Digitale Barrierefreiheit – das steckt dahinter

Digitale Barrierefreiheit ist ein Unterbegriff der allgemeinen Barrierefreiheit: Webseiten oder digitale Angebote sind dann barrierefrei, wenn alle Menschen, egal ob sie mit Einschränkungen leben oder nicht, diese in vollem Umfang nutzen können. “Alle Menschen” schließt hierbei auch Menschen mit Seh- und Hörschäden, sowie Menschen mit körperlich motorischen, kognitiven und neurologischen Einschränkungen ein. Von barrierefreien Inhalten profitieren jedoch auch andere Gruppen.

  • Ältere Menschen, da diese einerseits nicht als Digital Natives auf die Welt gekommen sind, und andererseits, da mit zunehmendem Alter gewisse Sinnesfähigkeiten natürlicherweise abnehmen.
  • Menschen mit geringeren Deutschkenntnissen, denen z.B. einfache Sprache oder die Benutzung von Bildern und Untertiteln dabei helfen kann, Informationen leichter aufnehmen zu können.
  • Menschen mit temporärer Beeinträchtigung, wozu beispielsweise gebrochene Gliedmaßen zählen, da diese ihre Endgeräte oft nur eingeschränkt bedienen können.
Scrabble-Buchstaben, die die Wörter "it's simple" ergeben.
Barrierefreiheit: Eigentlich ganz einfach. (Foto: Amanda Jones)

Aus zwei Gründen ist es gerade jetzt wichtig, dass nicht nur öffentliche Stellen, sondern auch soziale Organisationen ihre digitalen Inhalte barrierefrei zur Verfügung stellen und barrierefrei kommunizieren.

  1. Im Kontext der Corona-Krise sind die meisten Menschen dazu gezwungen, zuhause zu bleiben. Die Kommunikation und Information läuft verstärkt digital ab. Wenn wir die Barrieren im Internet nicht abbauen, schließen wir einzelne Menschen auch hier vom Diskurs aus. Und das sind nicht wenige: In Deutschland ist jeder zehnte Mensch auf barrierefreie Kommunikation angewiesen.
  2. Gleichzeitig wird durch nicht-barrierefreie Kommunikation signalisiert, dass Menschen mit Einschränkungen nicht als Zielgruppe gesehen werden. Das ist widersprüchlich, da die sozialen Themen von NPOs oft gerade für Menschen mit Einschränkungen oder Sprachschwierigkeiten relevant sind.

Und wie geht digitale Barrierefreiheit?

Hier findet ihr eine kurze Liste, auf die laut den Web Content Accessibility Guides des World Wide Web Consortiums WCAG geachtet werden sollte, um digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten.

  • Für jeden Nicht-Text-Inhalt wie etwa unbewegte Bilder, Graphen oder Infografiken, sollten Textalternativen angeboten werden (wie beispielsweise Alt-Texte, Großdruck, Blindenschrift, Sprache, Symbole oder leichte Sprache) 
  • Inhalte sollten stets auf verschiedene Arten und Weisen dargestellt werden (beispielsweise durch einfacheres Layout), ohne dass dabei Informationen oder Struktur verloren geht.  
  • Inhalte sollten stets so dargestellt werden, dass leicht und klar zu sehen oder lesen ist, beispielsweise durch hohe Farbkontraste oder die Möglichkeit zur Schriftvergrößerung.
  • Alle Funktionen sollten auch über die Tastatur bedienbar sein.
  • Webseiten sollten voraussehbar gestaltet und bedienbar sein.
  • Audio- und Videoinhalte sollten untertitelt und/oder transkribiert sein. Falls euch das zuviel Arbeit ist: Ein Programm, mit ihr einfach und schnell Untertitel und Transkripte von und für eure Audio- und Videodateien erstellen könnt, ist Amberscript: Die ersten 30 Minuten sind sogar gratis. Unter https://app.amberscript.com/ könnt ihr direkt kostenlos loslegen.

Und wie geht digitale Barrierefreiheit im Home Office? 

Bei der kollaborativen Arbeit von Zuhause geht es vor allem um eine reibungslose und unmissverständliche Kommunikation. Ist diese nicht gegeben, wird das Remote-Arbeiten für Menschen mit Einschränkungen nur schwierig möglich. Das heißt, das Informationen intern so übermittelt werden sollten , dass alle Empfänger:innen diese gleichermaßen verstehen können. Bei auditiv übermittelten Informationen, also beispielsweise Audio- oder Video-Tutorials, sollten diese beispielsweise mit Untertiteln oder Transkripten versehen werden. So können auch Menschen mit Einschränkungen während des Corona-Lockdowns partizipieren und ihrer Arbeit nachgehen.

Und außerdem: Vielleicht ist euer Alltagsgeschäft gerade ohnehin lahm gelegt: Zeit für Anpassungsarbeiten an der Webseite und dem Einüben neuer Gewohnheiten. Legt Alternativ-Texte für alle relevanten Abbildungen und Fotos auf euren Websiten an, bearbeitet eure Youtube-Videos in Hinblick auf Untertitel und gewöhnt euch daran, bei euren Social Media-Posts Alternativtexte zu verwenden. Nutzen wir die Krise, um unsere Angebote barriereärmer zu gestalten!

Zum Weiterlesen:

Auf https://www.amberscript.com/de/blog findet ihr viele weitere Infos rund um das Thema Transkription und Untertitel, aber auch zur digitalen Barrierefreiheit. Also: Loslegen und Stöbern!

Eine Auflistung von Tools für eine barrierefreie Online-Kommunikation aus dem Bildungsbereich findet ihr hier.

4 thoughts on “Digitale Barrierefreiheit: Wenn nicht jetzt, wann dann?

  1. Hallo Carolina, da Du im Artikel selbst duzt, mache ich das hier auch einfach mal. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Vorneweg, jeder Artikel über das Thema digitale Barrierefreiheit ist per se eigentlich ein guter Artikel, weil gar nicht genug über das Thema gesprochen und geschrieben werden kann. Ich selbst bewege mich in dem Feld seit über 15 Jahren und Amberscript kannte ich noch nicht, insofern zeigt das, man lernt immer dazu.

    Ich hätte aber zwei kleine Anmerkungen. Das Bild It´s Simple suggeriert, dass die Umsetzung der Barrierefreiheit simple wäre. Das ist in keinster Weise der Fall. Manche Anforderungen sind natürlich leichter umzusetzen, als andere, aber in der Summe ist das Ziel BITV-Konfomität oder auch Umsetzung der EU-Richtlinie 2102 wirklich nicht leicht zu erreichen. Wobei Untertitel ganz sicher zu den leichter zu erreichenden Anforderungen zählen, da bin ich total bei Dir. Vielleicht ist das Bild auch darauf bezogen gewesen.

    Die zweite Anmerkung bezieht sich auf die durchgängige Formulierung „sollte“, also beispielsweise „alle Funktionen sollten über die Tastatur bedienbar sein“. In allen Sätzen, die die WCAG oder EN301549 betreffen müsstest Du das Wort „sollte“ eigentlich durch ein „`müssen“ ersetzen. Nehmen wir das Beispiel Untertitel: Videos mit gesprochenem Audioteil müssen einen Untertitel haben. Das gilt insofern auch für NGOs, als diese oft öffentliche Fördergelder von EU, Bund und/oder Ländern erhalten. An diese Fördergelder ist fast immer die Barrierefreiheit nach gesetzlichen Vorgaben geknüpft – und dann ist das Wort „sollte“ gefährlich irreführend. Im Rahmen des jährlichen Global Accessibility Days habe ich gerade einen Artikel über ein paar gängige Mythen geschrieben: https://www.fronta11y.org/8-accessibility-mythen/

    Vielleicht auch interessant, mein Buch zu dem Thema:
    https://www.amazon.de/Barrierefreiheit-Internet-Barrierefreies-Webdesign-Entscheider/dp/3981983408/

    Beste Grüße,
    Jörg Morsbach (anatom5)

    1. Lieber Jörg,
      danke für die Hinweise – die Bilder haben wir als Redaktion ausgesucht und nicht Carolina als Autorin, daher antworte ich an dieser Stelle: Natürlich stimmt es, dass es insgesamt leider nicht ganz so simpel ist mit der umfassenden Barrierefreiheit – in der Tat wurde das Bild aber bezugnehmend auf eben so leicht umzusetzende Schritte wie Untertitelung bedacht eingesetzt. Sollte und müsste: Danke – wir nehmen den Hinweis auf! Vielen Dank für die Denkanstöße und herzliche Grüße, Friederike von D3

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