Im ersten Moment ist Online-Moderation wirklich eine Herausforderung. Aber mit etwas Übung, Kreativität und Mut zum Ausprobieren erkennen die meisten schnell, dass sich der Sprung in‘s kalte Wasser lohnt und sogar Spaß machen kann. Unsere dreiteilige Reihe mit einer Übersicht unserer wichtigsten Erkenntnisse zur Online-Moderation soll dabei helfen.
Wir steigen ein mit unseren Top 5 Erkenntnissen auf grundsätzlicher Ebene. Im zweiten Teil geht es dann weiter in’s Detail. Nutzt gern die Kommentarfunktion, wenn ihr Ergänzungen und Fragen habt!
Kommunikation ist der Schlüssel
Eigentlich der Kern guter Teamprozesse: Die Kommunikation der Menschen untereinander. Aufgabe von Moderation ist es, diese Kommunikation zu unterstützen und sie lebendig zu halten. Das gilt sogar noch viel mehr online. Denn Monitore und Distanz stellen dafür eine noch höhere Hürde dar.
Daher ist nach unserer Erfahrung online eine noch aktivere Rolle der Moderation als offline notwendig. Technische Tools sind dabei eher zweitrangig.
Sorgt durch eigene Beiträge dafür, dass die Menschen im Gespräch bleiben. Sprecht sie auch über den Bildschirm direkt an („Sabine, was sagst Du dazu?“). Stellt Bezüge zwischen den Beiträgen her. Greift die Fragen auf. Visualisiert Ergebnisse, kommentiert Geschriebenes und stellt es zur Diskussion.
Lasst die Menschen wann immer möglich in kleineren Gruppen zusammenarbeiten. Versucht zu vermeiden, dass die Teilnehmenden immer nur mit Euch sprechen. Ermutigt sie vielmehr, miteinander zu reden. Auch online geht es vor allem darum, dass Kommunikation in Echtzeit ermöglicht wird – durch geschicktes Agieren kann eine gute Moderation die Hürden dafür kleiner machen.
Flexibel bleiben
„Hört Ihr mich?“ Im Online-Meeting-Bullshit-Bingo nimmt dieser Satz vermutlich die Spitzenposition ein. Und es stimmt ja auch: Je mehr technische Hilfsmittel wir für unsere Workshops nutzen, desto mehr kann schiefgehen. Das ausgeschaltete Mikro ist da noch die kleinste Herausforderung. Der Link lässt sich aus dem Zoom-Chat heraus nicht öffnen. Eine Teilnehmerin fliegt immer wieder aus dem Video-Call, bei einem anderen funktioniert das Schreiben im gemeinsamen Dokument nicht. Und warum hab‘ ich jetzt eine eigentlich private Nachricht im Chat statt an meine Kollegin an alle Diskussionsteilnehmer:innen geschickt?
Natürlich kennen wir es auch aus Workshops in der analogen Welt, dass Dinge nicht funktionieren. Und auch da wissen wir, dass Flexibilität und Gelassenheit wichtig sind. Eine Moderation, die sich durch eine Störung verunsichern lässt, hilft der Gruppe nicht. Darum ist Vorbereitung gerade auch der technischen Aspekte wichtig.
Testet alles vorher, gern auch mit Kolleg:innen. Rechnet damit, dass etwas nicht funktioniert und schafft Backup-Szenarien – die Telefonnummer zum Online-Meeting, vorbereitete Mails zum Versand von Links und Dokumenten, Backup der Präsentationsunterlagen beim Co-Host, alternative Tools für den Notfall.
Plant Zeit zur Vorbereitung und zur Fehlerbehebung ein. Denn offline wie online gilt: Störungen haben Vorrang! Wenn doch mal etwas passiert: Souverän bleiben und den Fokus auf der Gruppe lassen. Und daran denken, dass manche Störungen nicht das ganze Team aufhalten sollten und besser in der Pause geklärt werden.
Weniger ist mehr
Habt ihr auch in den letzten Wochen in jedem Workshop, jeder Konferenz ein anderes technisches Tool kennengelernt? Toll, was es da alles gibt. Tools zur Sammlung von Fragen. Zur Abstimmung. Zum Schreiben von Karteikarten. Zur Organisation von Aufgaben. Zum Arbeiten an Personas. Zur Organisation ganzer Barcamps und vieles mehr.
Keine Frage – diese Tools sind hilfreich und es macht Spaß, sie auszuprobieren. Bei Teilnehmer:innen erlebt man auch hin und wieder einen motivierenden Aha-Moment: „Ach, das geht online auch?“ Deswegen macht es absolut Sinn, solche Sachen hin und wieder auszuprobieren und den eigenen Werkzeugkasten zu erweitern. Wer nach solchen Tools sucht: Hier gibt es eine gute Übersicht dazu. Hier auch.
Man darf dabei nach unserer Erfahrung aber nicht aus den Augen verlieren: Jedes neue Tool erfordert Erklärzeit im Meeting und stellt auch die Teilnehmenden (die meistens schon zig andere Tools erlernen mussten) vor eine neue Lernherausforderung.
Gefahr „Methodenschlacht“
Hinzu kommt die Gefahr einer „Methodenschlacht“: Wenn man in einem Meeting ein halbes Dutzend verschiedener, teilweise unbekannter Tools anwenden soll, hilft das in der Regel nicht dem inhaltlichen Prozess der Gruppe, sondern eher der methodischen Eitelkeit der Moderator:innen. Da unterscheidet sich online nicht von offline.
Deshalb gilt auch online: Weniger ist häufig mehr. Lasst euch nicht von der Vielzahl möglicher Anwendungen und Dienste nicht verrückt machen. Wählt eure Methoden und die dazugehörigen Tools mit Bedacht und so, dass sie zu euch passen.
Ihr und die Teilnehmenden müssen sie gut handlen können. Ein gutes Gespräch in der Kleingruppe über 30 Minuten ist mitunter wertvoller als ein tolles gemeinsam gestaltetes virtuelles Plakat. Für die Visualisierung reicht Word oder Power Point über einen geteilten Bildschirm statt eines Extra-Tools oft schon aus.
Für die schnelle Stimmungsabfrage zwischendurch genügt die eingebaute Abfragefunktion in eurer Videkonferenzlösung, statt die Teilnehmenden in separate Anwendungen zu schicken. Und alle aufzufordern, einmal aufzustehen und um den Stuhl zu gehen kann auflockernder wirken als so manches vorher mühsam herausgesuchte lustige Video oder Gruppenspiel.
Fokus auf Inhalte dank Co-Hosts
Im analogen Raum haben wir uns an die Faustregel gewöhnt, dass wir ab ca. 15-20 Teilnehmenden mit zwei Moderator:innen arbeiten. Das macht auch online Sinn. Denn hier gilt es, die zusätzliche Herausforderung Technik zu bewältigen.
Es hat sich bewährt, dass ein zweiter Host vor allem technische Aspekte im Blick behält, zum richtigen Zeitpunkt Links zu anderen Tools bereitstellt, den Bildschirm teilt, die Teilnehmenden in Kleingruppen einteilt usw.
Je nach eigener Erfahrung und Umfang der eingesetzten Tools kann man das als Moderator*in auch alles alleine machen. Aber es entlastet doch ungemein, wenn man sich auf die Kommunikation und inhaltliche Moderation konzentrieren kann. Für die moderierte Gruppe wirkt die Moderation dann auch zumeist souveräner. Das gilt dann auch schon für kleinere Gruppen und insbesondere dann, wenn man noch nicht so viel Erfahrung im gleichzeitigen Handling beider Aufgaben hat. Auch ein zweiter Bildschirm kann neben dem eigentlichen Bildschirm mit der Videokonferenz helfen, auf dem Visualisierungstools wie PowerPoint, Padlet, Mentimeter & Co laufen.
Neben der Betreuung der technischen Aufgaben „darf“ sich ein Co-Host aber natürlich auch aktiv in die inhaltliche Moderation einbringen. Hier gilt dann wie im analogen Raum: Eine gute Abstimmung der beiden Moderator:innen mit einer guten Rollenverteilung und einem angemessenen Maß an Abwechslung kann zusätzliche Qualität in die Moderation bringen.
Same but different
Wer wirklich gut moderieren will, sollte methodisches KnowHow, Empathie und Gelassenheit im Umgang mit Gruppen und ein gutes Stück Erfahrung mitbringen. Wer bisher in der analogen Welt noch keine Moderationserfahrung sammeln konnte, steht auch online vor größeren Herausforderungen. Da kann auch das Internet nur begrenzt helfen.
Es macht in beiden Welten Sinn, sich die Grundlagen der Moderation zu verinnerlichen: In welchen Phasen verläuft ein Workshop? Mit welchen Methoden sammle ich Themen und Ideen, strukturiere ich Diskussionen, führe ich Entscheidungen herbei? Welche Rolle nehme ich als Moderator:in ein? Welche Bedeutung hat Visualisierung?
Zugegeben: Das ist eine eigene Wissenschaft und nicht ohne Grund gibt es Ausbildungen dafür. Aber die Mühe lohnt sich, um mit einer guten Moderation den Arbeitsprozess einer Gruppe oder eines Teams gut unterstützen zu können.
Vor allem aber ist ein grundlegendes Verständnis über Basics der Moderation die Basis dafür, dass man diese Arbeit auch online gut leisten kann. Denn vieles, was in der Moderation in der analogen Welt gilt, gilt auch virtuell. Allerdings teilweise mit Anpassungen – eben same but different.
Der Moderationszyklus beschreibt die wichtigsten Phasen der
Workshop-Moderation
Wir fassen also zusammen: Wer online moderiert, sollte
- sich besonders auf die Kommunikation der Gruppe konzentrieren,
- gut vorbereitet und doch – gerade bei technischen Problemen – flexibel sein,
- technische Tools nicht die Oberhand gewinnen lassen,
- sich nach Möglichkeit die Aufgabe mit einer zweiten Moderator:in teilen und ganz allgemein
- Moderationskompetenz mitbringen.
Diese Grundsätze lassen sich so auch auf die Moderation in analogen Räumen anwenden – im digitalen Raum gewinnen sie aber nochmal besondere Bedeutung. Wer diese Grundsätze beherzigt, ist schonmal gut gerüstet. Im nächsten Teil unserer Reihe gehen wir dann auf praktische Detailfragen zur Online-Moderation ein.
Die Autor:innen
Dr. Hilke Posor findet ihre Erfüllung, wenn Teams über sich hinauswachsen. Dieser Leidenschaft geht sie als geschäftsführende Gesellschafterin der Heldenrat GmbH nach, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Sie ist Mitgründerin von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V.. und begleitet dort seit 2004 sozialen Initiativen.
Dr. Thomas Leppert diskutiert gern leidenschaftlich über Folgen der Digitalisierung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Heldenrat GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Er ist Mitgründer von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V. und begleitet dort seit 2004 soziale Initiativen.
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Durch Corona mussten wir virtuelle Seminare abhalten. Dank des Beitrags wusste ich, dass man auch hier immer flexibel bleiben sollte. Dennoch bin ich froh, dass ich nun wieder ein Seminarhotel buchen kann. Mehr dazu: https://www.schaider.de/zimmer/zimmer-fur-messegaste/messehotel