Foto: JUUUPORT
Mobbing kann Kindern und Jugendlichen den Schulalltag zur Hölle machen. Sie werden ausgelacht und ausgegrenzt, geschubst und geschlagen, Sachen werden mutwillig zerstört. Die Angst, wieder einmal zum Gespött der anderen zu werden, zerrt am Selbstbewusstsein, die Schulleistungen sinken. Der einzige Lichtblick: Wenn die Schulglocke klingelt und man nach Hause kann. Doch diese Grenze – hier die Schule, dort das Privatleben – hat sich mit der digitalen Kommunikation, mit sozialen Netzwerken und mit Chats aufgelöst.
Heute geht das Mobbing auch nach dem Unterricht weiter: im Netz. „Mit dem Smartphone prasseln die Nachrichten auch im eigenen Zimmer auf die betroffene Person ein. Dadurch wird die Situation für sie noch intensiver und dramatischer. Auch weil ein Teil der Attacken anonym geschieht, die Betroffenen also gar nicht mehr genau wissen, wo das eigentlich herkommt und wer dahintersteckt.“ Das sagt Lea Römer. Sie arbeitet seit 2015 für die Online-Beratungsplattform JUUUPORT.
Von Isolation und Depressionen
Der Name JUUUPORT soll einerseits an den Begriff „Jugendliche“ erinnern und andererseits steht das „Port“ für Hafen, also für einen sicheren Ort. Bei JUUUPORT finden betroffene Jugendliche und junge Erwachsene Hilfe und Rat, was sie in Mobbing-Situationen unternehmen können. Sie treffen aber auch Menschen, die einfach zuhören und die Sorgen und Fragen ernst nehmen. Beides ist wichtig, denn andauerndes Mobbing kann unter Umständen schwerwiegende Folgen haben. Das geht bei Traurigkeit los, kann in schlimmeren Fällen auch zu sozialem Rückzug, Depressionen und selbstverletzendem Verhalten führen.
JUUUPORT ist ein Verein und bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt angesiedelt, weitere Landesmedienanstalten sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützen und fördern die Arbeit.
Die Betroffenen können auf der Website in einem Nachrichtenfenster ihre Fragen senden. Völlig anonym, wenn sie wollen. „Wir verstehen uns als Erste Hilfe im Netz und unser Rat an junge Menschen ist: Meldet euch so früh wie möglich. Je länger ihr in diesem Strudel sitzt, umso schwieriger wird es, dort wieder herauszukommen“, sagt Lea Römer. Inzwischen können Anfragen auch über WhatsApp gestellt werden – für viele Jugendliche ein besonders niedrigschwelliges Angebot. Die JUUUPORT-Scouts sind montags bis freitags von 18 bis 20 Uhr per Messenger für junge Ratsuchende erreichbar.
Jugendliche beraten Jugendliche
In den allermeisten Fällen sind es nicht Erwachsene, die die Beratung übernehmen, sondern andere Jugendliche. „JUUUPORT ist eine Peer-to-Peer-Beratung“, erklärt Lea Römer. Das sei wichtig, weil die Beratenden die sozialen Netzwerke kennen, in denen die gleichaltrigen Ratsuchenden unterwegs sind. Sie wissen, was es mit TikTok auf sich hat und wie man auch hier gemobbt werden kann. Sie sprechen dieselbe Sprache und kommunizieren auf Augenhöhe. „Unsere Jugendlichen werden in ihrer Aus- und Weiterbildung unter anderem in juristischen und psychologischen Fragen geschult, danach können sie die Betroffenen als Scouts unterstützen“, sagt Lea Römer.
„Ich bin schon seit sieben Jahren dabei und übernehme pro Woche ungefähr einen Fall“, erzählt die inzwischen 24-jährige Jasmin Wittmann, die als Programmiererin in einem Software-Unternehmen arbeitet. Allein gelassen werden die Scouts nicht. Alle Anfragen landen auf einer Plattform, wo sie erst einmal von ausgebildeten Fachkräften gelesen werden. „Das sind Pädagog:innen oder Psycholog:innen. Sie scannen kurz die Nachricht, ob der Fall zu extrem für uns Scouts ist“, so Jasmin Wittmann. Zu extrem wären beispielsweise Betroffene mit Selbstmordgedanken. Dann übernehmen die Erwachsenen und leiten das Anliegen an eine Beratungsstelle weiter. In den allermeisten Fällen aber werden die Nachrichten freigeschaltet und daraufhin von einem der Scouts bearbeitet.
Beratung und Prävention
Eine wichtige Botschaft der Berater:innen ist, dass der oder die Betroffene nicht schuld an der Situation ist. „Im Gegenteil: Es sind die Mobbenden, die sich durch ihre Taten oder Äußerungen überlegen fühlen möchten“, sagt Jasmin Wittmann. Dann raten sie, sich Hilfe zu holen. Bei einer Lehrerin vielleicht, bei den Eltern, bei einem Schulpsychologen. Oder hat das Mobbing schon ein strafrechtlich relevantes Maß erreicht? Ist es zu Gewalt gekommen, wurden intime Fotos verbreitet, gab es Beleidigungen? Das sollte gespeichert werden – als Beweis für die Polizei.
Die Beratung ist das eine, Prävention der andere Bereich, in dem JUUUPORT tätig ist. Der Verein veranstaltet Online-Seminare in Schulen und für Jugendclubs, die von erfahrenen Scouts durchgeführt werden. In diesen geht es um Cybermobbing, aber auch um Tipps zur Privatsphäre, um Hass im Netz und Online-Sucht. Auf Instagram und Facebook begleiten die Teammitglieder diese Seminare mit Videos und Storys, in denen sie aufklären und zu einem anderen, positiven Verhalten aufrufen. Die Gesichter dieser Online-Kampagnen sind die Scouts selbst, Jugendliche sprechen also zu Jugendlichen.
Netzwerkstatt des Nordens
Unter dem Dach des Vereins ist inzwischen auch die „JUUUPORT-Netzwerkstatt des Nordens“ entstanden. In der Region um Bremen, Oldenburg und Bremerhaven haben Jugendliche die Möglichkeit, neben ihrem Engagement als Scouts individuelle Projekte zu entwerfen und umzusetzen, begleitet von medienpädagogischen Fachkräften vor Ort. Sie lernen sich in den Kleingruppen noch intensiver kennen und tauschen sich dort aus.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im eBook „Zusammenhalt“ unseres Schwesterprojekts openTransfer. Reinlesen lohnt sich!
Sie sind in sozialen Netzwerken unterwegs und sensibilisieren Gleichaltrige für mehr Respekt und Empathie im Internet. Die JUUUPORT-Netzwerkstatt trifft sich regelmäßig mit den medienpädagogischen Fachkräften im Nordwesten. Unter professioneller Begleitung entwickeln und setzen sie Kampagnen und weitere Aktionen auf Instagram, YouTube und Co. um. Die Scouts der JUUUPORT-Netzwerkstatt des Nordens haben so beispielsweise ein Online-Escape-Game entwickelt. Jugendliche ab der 8. Klasse werden hier spielerisch mit dem Thema Cybermobbing konfrontiert. Die Aufgabe: einer betroffenen Person „Erste Hilfe“ leisten und ihr aus der Opferrolle heraushelfen. Auch Datenschutz und Empathie sind wichtige Komponenten bei dem Spiel.
Die JUUUPORT-Netzwerkstatt wurde von der NORDMETALL-Stiftung initiiert und finanziell ermöglicht. Umgesetzt wird sie in Kooperation mit der Bremischen Landesmedienanstalt.
Aktiv werden
Wer Interesse hat, andere Jugendliche und junge Erwachsene als ehrenamtlicher Scout zu unterstützen, kann sich direkt bei JUUUPORT über das Formular „Scout werden“ auf der Homepage melden. Man sollte 16 bis 21 Jahre alt sein und sich sicher im Internet oder am Smartphone bewegen können. Nach den Ausbildungsmodulen kann es von zu Hause aus mit der Beratung losgehen.
Den Aktiven bei JUUUPORT geht es um nicht weniger, als den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch digitale Empathie und Zivilcourage zu stärken. Im Kleinen bedeutet dies für den Scout Jasmin Wittmann schlicht: Sie ist glücklich, wenn sie das Feedback eines Jugendlichen bekommt, dass ihre Ratschläge geholfen haben.