Mit 27.000 Teilnehmenden hat #WirVsVirus, der virtuelle Ideenwettbewerb der Bundesregierung, im März 2020 einen Weltrekord erreicht. Zahlreiche der in diesen 48 Stunden entwickelten Ideen gegen die Corona-Krise befinden sich mittlerweile in der Umsetzung.
Michael Metzger unterstützt mit dem D.Network Organisationen und Unternehmen dabei, eigene Remote Hackathons zu veranstalten. In diesem Artikel erklärt er, worauf man achten sollte.
Probleme sind auch nur dornige Chancen, sagte schon ein altersweiser liberaler Politiker in jungen Unternehmer-Jahren. Frei nach diesem Motto kann eine Organisation auch Herausforderungen wie die Corona-Krise als Chance begreifen und überlegen, was nun zu tun ist, um mit Hilfe von innovativen Ansätzen durch die kommenden Monate zu navigieren. Ein Remote-Hackathon, also ein Ideenwettbewerb im digitalen Raum, könnte genau das richtige Format sein. Damit kann man alle Mitarbeitenden bzw. Mitglieder und womöglich auch die eigene Zielgruppe aktivieren, binnen kürzester Zeit gemeinsam eine Vielzahl an Lösungsansätzen zu entwickeln.
Das Wort „Hacking“ steht im Kontext von Hackathons schon lange nicht mehr nur für das Hacken von Software. Es geht vielmehr darum, Probleme auf ungewöhnliche Weise zu lösen. Der zweite Teil der Wortverschmelzung kommt von „Marathon“. Ein Online-Hackathon dauert 24 Stunden bis zu einem ganzes Wochenende und inspiriert die Teilnehmenden zu wahren kreativen Höhenflügen. Und wenn Corona wieder vorbei ist, könnt ihr das Format auch analog durchführen.
So organisiert ihr einen Online-Hackathon
Festlegung von Thema und Zielgruppe
Das Thema eures Hackathons sollte offen genug sein, um den Teams zu ermöglichen, innerhalb des Themas an individuellen, verschiedenen Fragestellungen zu arbeiten. Das Thema beim Hackathon der Bundesregierung lautete „Wie können Lösungen zur Corona-Krise aussehen?“. Gute Themen sind auch „Wie kann der Einzelhandel in der Corona-Krise gestärkt werden?“ oder „Wie kann ein internationaler Jugendaustausch in Zeiten von Corona aussehen?“.
Natürlich muss ein Hackathon nichts mit Corona zu tun haben, aber in jetzigen Zeiten ist dieser Themenbezug sehr naheliegend.
Dann stellt sich noch die Frage, wer an eurem Hackathon teilnehmen soll: Alle Mitglieder der eigenen Organisation? Zusätzlich Partner:innen und Stakeholder? Oder soll, wie im Falle von #WirVsVirus, die Teilnahme komplett offen sein? Was ist die maximale Größe, die ihr stemmen könnt – auch, was technische Verfügbarkeiten angeht?
Euer Grobkonzept: Länge, Ergebnissicherung und Follow-Up
24 Stunden ist die minimale Länge für einen Remote-Hackathon, wenn qualitativ verwertbare Ergebnisse herauskommen sollen. Eine Maximallänge gibt es eigentlich nicht: manche Organisationen wählen ein ganzes Wochenende (Freitagmittag bis Sonntagabend). Je kürzer der Hackathon, desto mehr müsst ihr im Vorfeld abhaken. Dazu gehört zum Beispiel, die Teams bereits im Vorfeld und nicht erst während des Events zusammenzustellen.
Ebenfalls eine Vorabüberlegung wert ist die Ergebnissicherung: Überlegt vorab, was ihr am Ende mit den Ergebnissen tun wollt und passt die Planungen darauf an. Für das virtuelle Format bieten sich als Grundstock immer ein dreiminütiges Pitch-Video der erarbeiteten Idee und ein ausgefüllter Ideen-Steckbrief an.
Überlegt euch Anreize für das Follow-Up: Teilnehmende legen sich nur dann ins Zeug, wenn sie wissen, dass sich jemand für ihr Ergebnis interessiert. Das kann eine Anschluss-Förderung sein, ein Coaching für die weitere Entwicklungsarbeit oder eine Siegerprämierung.
Ihr gestaltet die Dramaturgie
Mit welchem Gefühl sollen die Teilnehmenden nach dem Hackathon „nach Hause gehen“? Je nach Tonalität, Arbeitsweise und Zielsetzung eurer Organisation könnt ihr die Dramaturgie eures Hackathons ganz unterschiedlich gestalten. Geht es um effizientes Arbeiten? Plant ihr Pausen ein, in denen virtuelle Yoga-Sessions stattfinden? Gibt es eine virtuelle Aftershow-Party? Dürfen oder sollen über die digitalen Kommunikationskanäle GIFs mit Katzenbilder gezeigt werden, Corona-Witze gepostet, die Teilnehmenden etwas Privates über sich erzählen? Ein Hackathon kann anstrengend, effizient, inspirierend, lustig oder auch herzlich sein. Behaltet diese Fragen bei den kommenden Schritten im Kopf.
Auswahl der passenden Online-Tools
Die Grundlage für euren Hackathon bildet ein zentrales Kommunikationstool, in dem ihr die Teilnehmenden im virtuellen Plenum versammelt und zentrale Informationen veröffentlichen könnt. Solche Kommunikationstools sind beispielsweise Slack, MS Teams oder Stackfield. Zusätzlich braucht ihr eine Videokonferenz-Software. Berücksichtigt, dass ihr ggf. sehr hohe Teilnehmenden-Zahlen verwalten müsst und fragt ggf. beim Anbieter nach, ob das geht.
Devpost ist ein Tool, dass eigens für Hackathons entwickelt wurde und euch zusätzlich unterstützen kann. Hier können Teams Profile anlegen, Ideenskizzen ausfüllen und ihre Dokumentationen anfertigen. Je nach Thema des Hackathons werden Teams weitere Software benötigen, um beispielsweise ein MockUp zu erstellen, zu coden oder ein CSS zu designen. Es macht daher Sinn, eine Liste mit von euch empfohlener Software allen Teilnehmenden zur Verfügung zu stellen und dann den Teams selbst die Wahl zu überlassen, welche dieser Tools sie brauchen und nutzen möchten.
Ein Tipp: Bitte berücksichtigt bei der Auswahl der Tools, dass nicht alle Teilnehmenden immer Englisch können, und dass DSGVO in vielen Organisationen ein sensibles Thema ist. Fragt, wenn ihr habt, bei eurem IT-Beauftragten nach!
Einladungen und Ticketvergabe
Ist alles vorbereitet und geplant, geht es darum, die Einladung zu veröffentlichen. Sammelt alle Informationen, Erklärungen und die Anmeldemöglichkeit an einer zentralen Stelle. Dazu eignet sich natürlich die Website eurer Organisation. Ergänzend bietet sich zum Beispiel ein Facebookevent an – und ein Eventbrite-Event, über welches ihr die Anmeldungen abwickelt. Und dann heißt es: Infos streuen und Teilnehmer:innen gewinnen
Beschreibt auf eurer Seite und im Event genau, wann der Hackathon stattfindet, bis wann die Ergebnisse fertig sein sollen und mit welcher Software gearbeitet wird. Je genauer ihr hier formuliert, desto weniger Nachfragen gibt es. Stellt euch das am Beispiel von #WirVsVirus vor: Wenn von 27.000 Teilnehmenden nur jede hundertste Person eine Frage hat, kann das bereits sehr anstrengend werden…
Mit der Einladung könnt ihr bereits dazu auffordern, Herausforderungen zur Bearbeitung im Hackathon einzureichen – dazu im nächsten Punkt mehr.
Bei einem Hackathon gibt es bestimmte Rollen, die es sowohl innerhalb der Teams als auch für die allgemeine Durchführung braucht. Teams sollten divers aufgestellt sein, und es sollte genügend Mentor:innen geben, die die Teams in ihrem Prozess begleiten, unterstützen und auf Kurs halten.
Damit ihr den Überblick behaltet, wie sich eure Teilnehmendenschaft zusammensetzt und gegenzusteuern, wenn sich nur bestimmte Gruppen – und davon zu viele – anmelden, kann es sinnvoll sein, bei Eventbrite oder einem vergleichbaren Ticketsystem Ticketkategorien mit bestimmten Kontingenten anzulegen. Das kann sein
- IT Expert:in
- Designer:in
- Mentor:in
- Digital Newbie
Herausforderungen im Voraus einreichen lassen
Es hat enorme Vorteile, dass Teilnehmende ihre Vorschläge für Herausforderungen, an denen sie arbeiten möchten, bereits im Vorfeld des Hackathons einsenden. Als Veranstaltende habt so die Möglichkeit, Themen zu clustern, Doppelungen und Vorlieben festzustellen und unpassende Vorschläge auch einfach auszusortieren. Außerdem hilft euch dieses Vorgehen, im Vorfeld bereits Teams zusammenzustellen und eventuell bereits den Herausforderungen zuzuordnen. Bei längeren Hackathons geht dies aber auch während der Veranstaltung selbst.
Ankündigungs-Email formulieren
Ein paar Tage vor dem Hackathon solltet ihr nochmal eine Infomail an alle versenden. Die soll die Vorfreude auf den Hackathon natürlich steigern! Gebt einen Ausblick auf den Ablauf der Veranstaltung (siehe unten) und geht noch einmal auf die Voraussetzungen ein. Das betrifft insbesondere die technischen Aspekte: Macht nochmal klar, dass die Teilnehmenden sich bitte die nötigen technischen Tools im Vorfeld herunterladen und eigene Accounts erstellen sollen. Für technisch weniger affine Personen könnt ihr eine Telefonhotline bereitstellen, in der ihnen bei diesen Schritten geholfen wird. Falls ihr, wie oben beschrieben, bereits Herausforderungen gesammelt und ggf. Teams zusammengestellt habt, kommuniziert auch diese Übersicht.
Gemeinsames KickOff
Ein gemeinsames KickOff beim Remote Hackathon ist super für die Gruppendynamik! Denn im weiteren Verlauf des Events werden die Teilnehmenden vorrangig in ihren kleinen Teams, in Gruppen von drei bis 20 Personen arbeiten. Ein gemeinsames KickOff und weitere gemeinsame soziale Zusammenkünfte zwischendurch sind die Momente, in denen den Teilnehmenden klar wird, dass sie Teil einer großen Bewegung sind und gemeinsam gejubelt werden kann!
Hacking
Die eigentliche Arbeitsphase ist natürlich das Herzstück eures Hackathons! Das braucht ihr, damit es gelingt:
- genügend Coaches, die in den Teams auf die Gruppendynamik und die Arbeitsfortschritte achten.
- Q&A-Kanal: Es wird sicherlich viele Fragen zur Technik und dem weiteren Ablauf geben. Ein zentraler Kommunikationskanal , über den ihr top-down alle Teilnehmenden erreichen könnt, lohnt sich.
- ein ausgeklügeltes Ordnungssystem für die Chat- oder Videokanäle samt gut zu findender Übersicht. Beispielsweise könnten alle wichtigen Kanäle mit der Ordnungsnummer 0_ beginnen, alle Teamkanäle mit 1_ und alles Sonstige mit 2_.
Ein Hackathon lebt in hohem Maße von der Selbstorganisation der Teilnehmenden. Ermuntert sie immer wieder, proaktiv Verantwortung zu übernehmen und sich auch gegenseitig zu unterstützen. Mehr dazu, basierend auf meinem Coaching bei #WirVsVirus, findet ihr hier (https://michaelmetzger.de/blog/wirvsvirus/)
Geschafft! Das Finale
Die Zeit ist um – die Ideen stehen und die Teilnehmenden sind k.o. aber glücklich – Zeit für das gemeinsame Finale! Genau wie das gemeinsame KickOff ist auch das gemeinsame Finale nicht im engeren Sinne für den Hackathon relevant. Ohne es fehlt aber was! Feiert die Gruppe und die zahlreichen tollen Ideen, die entwickelt wurden! Abhängig von der Größe eures Hackathons werdet ihr wahrscheinlich nicht jedes Team zu Wort kommen und präsentieren lassen können. Vielleicht lasst ihr aber ja blitzlichtartig Einzelne zu Wort kommen und verweist dann auf eine Galerie oder Übersicht, bei der man sich durch alle Lösungen hindurchklicken kann. Denkt auch daran, euch bei den Teilnehmenden, euren Helfern, Partner:innen oder Sponsor:innen zu bedanken.
Recap und FollowUp
Holt Schlaf nach – und dann heißt es: Recap-Mail verfassen! Sie fasst noch einmal den Hackathon zusammen und beinhaltet die Links zu den Ergebnissen – der Galerie und vllt. den erarbeiteten Videos.
Schaut euch alle entwickelten Ideen und Lösungen selbst sehr genau an und beratet, was davon ihr für eure Organisation umsetzen und wovon ihr euch inspirieren lassen möchtet.
Je nachdem, was ihr an FollowUp geplant habt, passieren jetzt unterschiedliche Dinge: Womöglich wählt eine Jury die besten Ideen aus, oder ihr überweist den Gewinner:innen ein Preisgeld, vermittelt ein Mentoring für die Umsetzung oder vereinbart direkt die nächsten Videokonferenzen.
Ganz schön viele Infos – und noch viele Fragen offen?
Einen Hackathon zu organisieren, ohne an einem teilgenommen zu haben und die Innensicht zu kennen, ist wohl ziemlich schwierig. Daher empfehlen wir: Probiert euch bei den vielen aktuell aber auch sonst regelmäßig stattfindenden Hackathons aus. Sprecht mit denen, die schon Erfahrungen gesammelt haben. Neben #WirVsVirus und #CareHacktCorona gibt es viele langjährig Erfahrene, die ihr Wissen mit euch teilen.
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz.
Mehr zum Thema Hackathons auf D3 – so geht digital
Und weitere spannende Veranstaltungsformate gibt es in unserer Peer-to-Peer Rubrik!
Danke fuer den tollen Blog Beitrag!🙂