Digitale Barrierefreiheit verbandsweit umsetzen

Wie geht eigentlich digitale Inklusion? Katrin Dölle erzählt vom Weg des Verbraucherzentrale Bundesverbands zu barrierefreier Kommunikation.

Bunte Backsteinwand mit Schild, auf dem "Accessible Entry" steht. Das Bild steht für Barrierefreiheit.

Foto: Daniel Ali / Unsplash

Porträt von Katrin Dölle.

Katrin Dölle arbeitet seit Juni 2021 als Referentin Digitale Kommunikation im Verbraucherzentrale Bundesverband. Neben digitaler Barrierefreiheit ist sie für Prozessoptimierung und die Einführung neuer Tools für die digitale Kommunikation verantwortlich, beispielsweise für den Newsletter-Versand oder das Customer Relationship Management (CRM). Foto: Gert Baumbach / vzbv

Unser Weg zu barrierefreier Kommunikation

Digitale Barrierefreiheit umzusetzen ist Pflicht für alle öffentlich geförderten Institutionen. Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die Barrierefreie-Informationstechnikverordnung (BITV 2.0) stellen dafür den gesetzlichen Rahmen. Darüber hinaus ist es für uns als Verbraucherzentrale Bundesverband selbstverständlich, unsere digitale Kommunikation möglichst so zu gestalten, dass sie für alle Verbraucher:innen zugänglich ist. 

Aber was heißt das eigentlich? Und wie setzt man das in einem Verband mit knapp 280 Mitarbeiter:innen um?

Leichte Sprache, Alternativtexte, PDF/UA, ISO Standard 14289, BITV 2.0 sind nur einige Schlagworte, die beim Thema digitale Barrierefreiheit durch den Raum geisterten. Sie zu ordnen und das Thema so aufzubereiten, dass alle in einem großen Verband wissen, was zu tun ist, kann eine Mammutaufgabe sein.

Unser Ansatz war daher, möglichst systematisch und in machbaren Schritten vorzugehen. Ausgangspunkt war ein Konzept mit einer Soll-Ist-Analyse. Darin haben wir uns folgende Fragen gestellt:

  • Was müssen wir tun?
  • Wo stehen wir bei der Umsetzung?
  • Welche Schritte können wir in welcher Reihenfolge umsetzen?
  • Und was bedeutet das personell und finanziell für den Verband?

Die Antwort auf die Frage, welche Angebote, Anwendungen und Dienste eigentlich barrierefrei umgesetzt werden müssen, findet sich in der BITV 2.0. In Kürze: von Webseiten, Dokumenten und Videos bis zu digitalen Verwaltungsabläufen eigentlich alles. Und ja, auch das Intranet und rein intern genutzte Dokumente gehören dazu.

Glücklicherweise gibt es mit der Bundesfachstelle Barrierefreiheit eine Einrichtung, die aktuelle Informationen bündelt und Organisationen, die zu Barrierefreiheit verpflichtet sind, berät. Wir haben sie bei der Erstellung unseres Konzepts mehrfach für Detailfragen konsultiert. Auch Gespräche mit anderen Verbänden und Ministerien, die sich mit dem Thema beschäftigen, waren hilfreich.

Da die notwendigen Maßnahmen so umfangreich sind, dass sie sich nur nach und nach umsetzen lassen, haben wir einen Stufenplan für den Verband erstellt

1. Kompetente Unterstützung

Für uns war schnell klar, dass wir für die Umsetzung externe Unterstützung benötigen: Die nötige Beratungs- und Schulungsleistung haben wir uns durch einen Rahmenvertrag mit einer auf digitale Barrierefreiheit spezialisierten Agentur ins Haus geholt. Das kostet zwar erst einmal Geld, zahlt sich langfristig aber aus.

2. Information und Schulung aller Mitarbeiter:innen

Damit die Informationen zu digitaler Barrierefreiheit für alle zugänglich sind, haben wir sie übersichtlich im Intranet gebündelt.

Verpflichtende Grundlagenschulungen für alle Mitarbeiter:innen halfen, alle für das Thema zu sensibilisieren. Vermittelt wurde beispielsweise die Notwendigkeit, sich klar und verständlich auszudrücken (so einfach wie möglich, so komplex wie nötig), bei Präsentationen auf Schriftgröße und Kontraste zu achten, und bei Bildern Alternativtexte zu vergeben.

Vertiefende Schulungen, beispielsweise für die Online-Redaktion oder alle, die Dokumente erstellen, halfen bei der Vermittlung konkreten Anwendungswissens.

3. Berücksichtigung von Barrierefreiheit bei Ausschreibungen und Projektanträgen

Als Institution, die mit vielen externen Dienstleister:innen arbeitet, ist es besonders wichtig, diese mit Blick auf Barrierefreiheit gut auszuwählen.

Bei der Vergabe von Dienstleistungen, insbesondere für Webentwicklung, Websupport oder Grafikleistungen, werden die Anforderungen an digitale Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufgenommen. So ist sichergestellt, dass die beauftragten Dienstleister:innen die nötige Erfahrung und entsprechend geschultes Personal für die Erstellung barrierefreier Produkte mitbringen. Bei Flyern oder Broschüren verlangen wir beispielsweise ein Zertifikat, das belegt, dass das Produkt PDF/UA-konform ist.

Auch in neuen Projektanträgen haben wir das Thema Barrierefreiheit als Standard aufgenommen, damit eine barrierefreie Umsetzung nicht an fehlenden Mitteln scheitert, wenn beispielsweise Kommunikationsmaterialien oder eine eigene Projektwebsite geplant sind.

4. Barrierefreie Webseite

Eine komplexe Website wie die unsere komplett barrierefrei zu gestalten, ist ebenfalls eine Aufgabe, die uns vor Herausforderungen gestellt hat und immer noch stellt. Das A und O ist hier zum einen eine erfahrene Agentur, die Barrierefreiheit bei der Entwicklung neuer Features mitdenkt und ihr Handwerk versteht.

Zum anderen müssen die Redakteur:innen entsprechend sensibilisiert und geschult sein. So ist es beispielsweise wichtig, dass Bilder und Grafiken immer einen Alternativtext erhalten, Kontraste ausreichend sind und Inhalte semantisch richtig ausgewiesen werden. Videos sollten selbstverständlich Untertitel aufweisen, Animationen und Effekte abschaltbar sein. Dieses Wissen wurde in einer Schulung vermittelt.

Noch bestehende Barrieren auf unserer Website, benennen wir in der Barrierefreiheitserklärung und arbeiten daran, diese nach und nach abzubauen. Dafür lassen wir die Seite regelmäßig testen. Zusätzlich bieten wir auf unserer Website ein Formular an, um Barrieren zu melden. So können Menschen gezielt mit uns Kontakt aufnehmen, uns über Barrieren informieren und Inhalte ggf. in anderer Form anfragen.

5. Überarbeitung unserer Dokumentenvorlagen

Die Erstellung barrierefreier Dokumente hat uns bisher vor die größten Herausforderungen gestellt. Wo immer möglich, verzichten wir auf PDFs und nutzen lieber Unterseiten auf unserer Website. Bei unseren Stellungnahmen und Gutachten, die einen Großteil unserer Veröffentlichungen ausmachen, ist das jedoch nicht möglich.

Wir veröffentlichen zudem jeden Monat so viele Dokumente, dass es schlicht zu teuer wäre, diese extern barrierefrei machen zu lassen. Davon abgesehen gibt es keine Agentur, die ein Dokument innerhalb weniger Stunden barrierefrei macht und bei Veröffentlichungen ist der Zeitdruck natürlich groß.

Die Lösung war schließlich die Überarbeitung unserer Word-Vorlagen gemeinsam mit einem externen Dienstleister. Die Vorlagen wurden so optimiert, dass diese eine möglichst gute Ausgangssituation für die Erstellung barrierefreier PDFs stellen. Anhand eines Leitfadens können die Mitarbeiter:innen ihre Dokumente nun selbst barrierefrei erstellen. Dafür sind einige Punkte zu beachten: z. B. die Vergabe eines Dokumententitels, die konsequente Nutzung von Formatvorlagen, die Vergabe von Alternativtexten für Bilder und Grafiken (oder das Ausweisen als „dekoratives Element“). Die Erstellung ist damit aufwendiger als zuvor. Insgesamt klappt es aber ganz gut und es lohnt sich! Mit einer kleinen Zusatzsoftware – einem Word-Plugin – gelingt es uns nun, den größten Teil unserer Word-basierten Dokumente, intern als PDF/UA-konformes PDF, das von Screenreadern gelesen werden kann, zu exportieren.

Mit dem kostenlosen-Tool PDF Accessibility Checker können wir die finalen PDFs prüfen, uns gegebenenfalls noch bestehende Probleme anzeigen lassen und schließlich einen Bericht als Nachweis exportieren.

Auch unsere Power-Point-Vorlagen haben wir optimiert und die Mitarbeiter:innen geschult. Da Power-Point aber für die sehr flexible Bearbeitung gemacht ist, ist eine barrierefreie Umsetzung sehr schwierig. Hier werden wir – wie auch bei Dokumenten auf Basis von InDesign – wohl noch eine Weile externe Unterstützung benötigen.

Zusammenfassung

  • Barrierefreiheit ist komplex und die Begleitung durch Expert:innen, die insbesondere in großen Institutionen Beratungen und Schulungen anbieten, sinnvoll.
  • Die Auswahl von Dienstleister:innen, die sich mit Barrierefreiheit auskennen, ist essentiell.
  • Maßnahmen systematisch nach und nach anzugehen und alle Mitarbeiter:innen gut mitzunehmen, ist erfolgversprechender, als alles sofort umsetzen zu wollen.
  • Barrierefreiheit kostet Geld (und Zeit). Auch wenn vieles eine Frage der richtigen Entscheidungen ist (z. B. Einsatz kontrastreicher Farben) und in die Prozesse integriert werden muss (z. B. die Vergabe von Alternativtexten), kosten viele Maßnahmen Geld. Die Mittel dafür sollten bei Projektanträgen eingeplant werden.

Mit diesen und anderen Fragen haben wir uns in den letzten drei Jahren im Verband beschäftigt. Haben all diese Bemühungen dazu geführt, unsere digitale Kommunikation komplett barrierefrei zu machen? Leider nein. Es gibt noch viele Lücken und Schwachstellen und Bereiche, in denen wir es einfach noch nicht schaffen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Das Thema ist im Bewusstsein der Mitarbeiter:innen verankert und wird mitgedacht. Es gelingt uns, Schritt für Schritt besser zu werden. Gerne möchten wir auch anderen Institutionen Mut machen, sich auf den Weg zu einer barrierefreien digitalen Kommunikation zu machen. Wir sind offen, unsere Erfahrungen weiterzugeben und freuen uns auch über Austausch mit Institutionen, die vielleicht schon einen Schritt weiter sind.

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