Künstliche Intelligenz im Verein nutzen: Brauchen wir jetzt eine KI-Strategie?

Ob Social-Media-Redaktionsplan, Digitalstrategie oder Datenschutzkonzept: Wenn wir ein neues Thema angehen, brauchen wir einen Plan. Heißt das, dass wir auch für Künstliche Intelligenz eine Strategie entwickeln müssen? Im dritten Teil unserer Serie zu Künstlicher Intelligenz stellt Sören Etler mögliche Inhalte und Fragestellungen einer KI-Strategie im zivilgesellschaftlichen Sektor vor.

Ein Team sitzt um einen Tisch an Laptops. Eine Frau klebt Haftnotizen an die Wand.

Foto: Jason Goodman / Unsplash

Gleich vorweg: Auch für diesen Blogpost habe ich mir von KI-Tools bei Ideen und Formulierungen helfen lassen. Wäre ja auch komisch, wenn ich über KI schreiben würde, ohne sie selbst zu nutzen.

“Einfach mal ausprobieren, das könnte gut sein!”, ist ein oft zitiertes Motto, das auch für den Themenkomplex KI passt. Bei der Vielfalt an neuen Tools und Anwendungsfällen ist es ein guter erster Schritt, es einfach mal auszuprobieren – auch ohne ausgeklügeltes Konzept. In vielen Organisationen werden Tools wie ChatGPT und Co. momentan von unten heraus von einzelnen Mitarbeiter:innen und Freiwilligen vorangetrieben. Ist der Geschäftsführung oder dem Vorstand eigentlich bewusst, dass Social Media-Posts bereits mit KI geschrieben werden und erst im Nachhinein der menschliche Feinschliff erfolgt?

Im Folgenden möchte ich anhand von 6 Kategorien aufzeigen, welche Fragen wir uns beim Einsatz von KI stellen sollten. Vielleicht können diese als Startpunkt auf dem Weg zu einer KI-Strategie oder einfach als Denkanstoß für einen strukturierten Einsatz von KI dienen.

Zielsetzung

Sicher habt ihr als Verein eine Vision. Sie ist der große Polarstern, an dem sich die Vereinsarbeit orientiert. Sie hilft, den Verein auf ein gemeinsames langfristiges Ziel auszurichten, damit alle an einem Strang ziehen. Diese Form des gemeinsamen Ziels ist auch für KI wichtig.

Hier lassen sich grob zwei Richtungen unterscheiden. Zum einen können mit KI interne Prozesse effizienter gestaltet werden. Zum anderen können wir das System aber auch nutzen, um neue Angebote zu entwickeln. Was machen wir mit der gewonnenen Zeit? Nutzen wir die Möglichkeiten, um in Zukunft mehr auf Instagram zu posten oder reduzieren wir nur den Aufwand und investieren die frei gewordenen Ressourcen in andere Projekte?

Eine Frage, die ich im anschließenden Definitionsprozess gerne stelle, ist:

Wofür würdest du KI einsetzen, wenn alles möglich wäre?

Daraus können sich gemeinsame Anwendungsfälle ergeben. Gerade in der Freiwilligenarbeit ist es wichtig, dass die Ziele, die mit KI verfolgt werden, auch zur Organisation und zu den Engagierten passen. Wenn eine Organisation ein eingespieltes Team für die Öffentlichkeitsarbeit hat, ergibt es keinen Sinn, diese Aufgaben mit einem KI-Tool zu automatisieren und zu riskieren, dass sich die Freiwilligen von der Organisation abwenden, weil sie keine Möglichkeit mehr haben, sich einzubringen. Wenn aber alle genervt sind, Beiträge für den Blog oder Newsletter zu schreiben, ist das vielleicht der bessere Anwendungsfall. Natürlich braucht es weiterhin eine Person, die die KI bei ihrer neuen Aufgabe begleitet. Diese Person benötigt dann aber ganz andere Fähigkeiten.

Datenschutz

Kaum ein Thema kommt ohne Datenschutz aus. Das gilt auch für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Dabei muss der Datenschutz nicht wie ein Damoklesschwert über diesem Projekt schweben. Dennoch ist es sinnvoll, sich einige Gedanken dazu zu machen. Dabei geht es zum einen um den datenschutzkonformen Einsatz, zum anderen aber auch um das Training der KI-Modelle, das wir zwar nicht direkt beeinflussen, aber bei der Auswahl der Tools berücksichtigen können.

Beim Einsatz gilt immer, dass wir keine personenbezogenen Daten in diese Tools eingeben sollten.

Sowohl die Mitgliederliste als auch die Liste der Spender:innen haben nichts in ChatGPT zu suchen.

Die Prompts werden auf den Servern von OpenAI bzw. Microsoft verarbeitet und werden derzeit auch häufig für das Training zukünftiger Versionen der Systeme verwendet. Die genauen Regeln dazu kann man in der Datenschutzerklärung des jeweiligen Tools nachlesen. Bei ChatGPT heißt es: “We may use content you provide us to improve our services, for example to train the models that power ChatGPT.” Die von Nutzer:innen bereitgestellten Daten (also alle Eingaben und Interaktionen mit der Website) können zur Verbesserung der Dienste (eine sehr vage Formulierung, die alles einschließen kann) und zum Beispiel zum Trainieren von neuen Modellen genutzt werden.

Eine abschließende rechtliche Beurteilung der Nutzung von ChatGPT gibt es bisher nicht. Es hängt also viel von den eigenen Werten als Organisation ab.

Bei einem Beitrag über KI darf natürlich ein KI-generiertes Bild nicht fehlen! Diese Roboter hat Sören Etler über Midjourney erstellt.

Transparenz

Bisher konnten wir mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass in Social Media Posts, Newslettern und Websitetexten “echte” menschliche Arbeit steckt. Seit einem Jahr ist das nicht mehr so.

Kann ich mich über eine Geburtstagskarte freuen, die mit ChatGPT geschrieben wurde?

Wollen wir KI-Tools wie eine Rechtschreibkorrektur einsetzen? Oder eher als eine zusätzliche Autorin? Davon hängt es ab, wie wir ihren Einsatz dann kennzeichnen. Für mich gibt es hier keinen einheitlichen Weg. Es kommt immer auf den Inhalt an. In diesem Blogeintrag habe ich mir helfen lassen, die Ideen in sechs Schlagworte zu gliedern. Die Texte stammen alle von mir, wurden aber anschließend mit DeepL Write überarbeitet.

Wie wollt ihr das in eurer Organisation machen?

Verantwortung

Letztendlich ist (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) klar, dass wir als Menschen die Verantwortung für die geschriebenen Inhalte übernehmen. Wie das aber im Einzelfall aussieht, müsst ihr als Organisation entscheiden. Welche Kontrollmechanismen wollt ihr etablieren, um die Systeme zu überprüfen? Aktuelle Sprachmodelle neigen zu Halluzinationen (Generierung von Sätzen, die überzeugend klingen, aber inhaltlich falsch sind) und Biases (Vorurteile, die durch die Trainingsdaten auch von den Sprachmodellen gelernt wurden). Man kann sich nicht auf die Korrektheit verlassen und es können Vorurteile in den Texten stecken, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennt. In meinem letzten Blogpost habe ich zum Beispiel gezeigt, wie ChatGPT stereotypische Berufe für männliche und weibliche Personen verwendet.

Auch für einen Text, der mit KI-Tools geschrieben wurde, sollten daher bestimmte Freigabeschleifen berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass der Inhalt mit den Werten und Zielen des Vereins übereinstimmt.

Bild: Sören Etler über Midjourney

Weiterbildung

Kaum zu glauben, dass die erste Version von ChatGPT erst vor einem Jahr veröffentlicht wurde. In dieser Zeit hat sich so viel verändert und in den nächsten Monaten und Jahren wird sich noch einiges tun.

Anführungszeichen

Künstliche Intelligenz ist für uns alle Neuland.

Es ist enorm wichtig, sich auf dem Laufenden zu halten und Inhalte in diesem Themenfeld zu vertiefen. Gute (kostenlose) Inhalte dazu gibt es zum Beispiel auf dem KI-Campus.

Weiterbildung muss aber auch in der eigenen Organisation verankert sein. Dies kann verschiedene Formen annehmen, von kleinen Austauschformaten, Lesekreisen bis zu dedizierter Arbeitszeit für den Besuch von Weiterbildungen oder die Teilnahme an Online-Kursen. Der Bedarf hängt davon ab, in welchem Umfang ihr KI nutzen wollt und welche Fähigkeiten die Mitarbeiter:innen und Freiwilligen bereits mitbringen.

Zusammenarbeit

Wie die vorangegangenen Überlegungen gezeigt haben, ist Künstliche Intelligenz ein weites Feld. Sucht euch daher Verbündete auf eurem Weg. Das können andere Organisationen sein, mit denen ihr als Peers auf Augenhöhe zusammenarbeitet oder eher Organisationen, die eine Mentor:innen-Rolle übernehmen können. Gemeinsam könnt ihr Best Practices austauschen und Inspiration für neue Tools und Methoden sammeln.

Glühbirne

Tipp: Toolinventur

Verschafft euch mit einer Toolinventur einen Überblick über die Tools, die ihr in eurer Organisation bereits einsetzt. Viele Tools sind in den vergangenen Monaten um KI-Funktionen erweitert worden. Es muss also nicht immer ein neues Tool sein, manchmal reicht auch eine neue Funktion in einem alt-bewährten Programm.

Fazit

Viele dieser Kategorien lassen sich natürlich auf verschiedene Themenkomplexe anwenden. Besonders beim Thema Künstliche Intelligenz zeigt sich, dass es sich durch die Schnelligkeit der Entwicklungen im letzten Jahr lohnt, mal einen Schritt zurück zu machen und das große Ganze zu betrachten. Eine KI-Strategie kann dabei helfen, sich diesen Überblick zu verschaffen – das Ausprobieren von neuen Tools ersetzt sie aber nicht.

Habt ihr Interesse daran, eine KI-Strategie zu entwickeln? Welche Fragen sind euch dabei besonders wichtig?

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Ein Gedanke zu “Künstliche Intelligenz im Verein nutzen: Brauchen wir jetzt eine KI-Strategie?

  1. Hallo,
    mich interessiert die Frage ob man durch den Einsatz von KI die eigenen Entwicklungsziele z. B. in Vereinen bzw. Verbänden auch effizient erreichen kann oder ob KI durch den Abgleich mit den prognostizierten vielfältigen Veränderungen (welche man fast nicht in ihrer Komplexizität überblicken geschweige denn einschätzen kann) in der Gesellschaft eine Korrektur der Ziele vornehmen bzw. eine komplette Neuausrichtung erarbeiten muss!

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