BeMoreDigital: #D3unterwegs in London

Regen, Sturm und eine Art Digital Social Summit von Großbritannien. Anfang März waren wir in der britischen Hauptstadt auf den Spuren der Digitalisierung im Non-Profit Sektor unterwegs.

Spitze on Big Ben vor klarem Himmel, London.

This is a no handshake event!

Rund 400 Gäste aus Großbritannien und eine D3-Redakteurin auf Auslandsbesuch kamen am 5. März trotz Corona-Panik in das fensterlose Olympische Konferenzzentrum in West Kensington, London. Zwei Panels und vier Sessionrunden mit jeweils vier Auswahlmöglichkeiten zu Digitalthemen für Charity-Organisationen standen auf dem Programm.

Das Motto der Veranstaltung lautete #BeMoreDigital! Darunter verstehen die Veranstaltenden von Charity Digital so etwas wie „Einfach mal machen!“ Warum er diesen Titel geeigneter findet als sperrige Begriffe wie „digitale Transformation“, verrät Jonathan Chevallier, CEO von Charity Digital, im Kurzinterview:

Der Veranstalter: Charity Digital

Charity Digital ist wie das deutsche Pendant Stifter helfen Teil des globalen TechSoup Networks: Sie ermöglichen Produktspenden und Sonderkonditionen auf IT-Produkte für gemeinnützige Organisationen. Zum weiteren Programm gehören Webinare rund ums Thema Digitalisierung der Zivilgesellschaft. Und, im Falle von Charity Digital, eine große jährliche Konferenz.

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Digital Challenge Bingo!

Die Überschriften im Konferenzprogramm klingen vertraut: Wie nutzen wir unsere Daten? Wie gelingt das mit der Digitalstrategie? Wie können wir eine digital diversere Organisation werden? Was macht gutes Storytelling aus? Agiles Arbeiten, aber wie? Hier könnt ihr euch das gesamte Programm ansehen: Agenda #BeMoreDigital

Wo die britische Zivilgesellschaft in Sachen Digitalisierung derzeit steht, verrät der UK Business and Charity Digital Index der Lloyd Bank. Es ist noch viel Luft nach oben, angefangen bei dem Erkennen von Potentialen. 13% aller befagten Charity-Organisationen zeigten 2019 quasi keine digitalen Aktivitäten, 63% planen nicht, sich in der Zukunft mit dem Potential von Datenanalyse zu befassen und 37% gaben an, noch kein Verständnis für die geeigneten Technologien zu haben, um ihre Organisation voranzubringen.

Nach einem kurzen thematischen Einstieg durch Jonathan Chevallier (seine Kernaussagen findet ihr oben im Video-Interview) übernahm Zoe Amar das Mikro. Sie gilt als eine der führenden Digital-Köpfe Großbritanniens und war maßgeblich an der Entwicklung des Charity Digital Code of Practice beteiligt, der Organisationen sieben Prinzipien auf dem Weg durch den digitalen Wandel an die Hand gibt.

Mit Zoe spielten wir eine Runde „Digital Challenge Bingo“. Eine kurze Handabfrage zeigte: Fast alle im Raum kannten mindestens drei der genannten Herausforderungen aus der eigenen Arbeit, einige wenige bekannten sich gar zu einem Full House. Wie das Publikum die Herausforderungen angeht? Eher radikal: „I got rid of senior management“ und „I started teaching them like 5 year olds“.

#BeMoreDigital Panel

Genug gespielt: Mit drei kurzen Praxisimpulsen näherten wir uns der Frage, was die digitale Transformation für verschiedene Organisationstypen bedeutet.

Victoria Hornby ist CEO von „Shout“, einer App, die Menschen in Krisensituationen via Chat hilft. Die Organisation gründete sich als Digitalprojekt, daher ist für sie eher eine Analog-Strategie relevant. Bei Shout chatten Ehrenamtliche mit Menschen in einer Krisensituation – im Bedarfsfall können via App schnell weitere Engagierte aktiviert werden. Ein psychologisches Fachteam liest die Chats mit. Sie alle arbeiten von Zuhause aus – da braucht es eine gute zwischenmenschliche Begleitung und reale Treffen, um bei diesem toughen Engagement in ein unterstützendes Netzwerk eingegliedert zu sein.

Karen McLean ist Director bei Home Start, einem kleinen Verein für Familienpatenschaften. Innerhalb kurzer Zeit hat der Verein von einem Stadtteil mit einem Büro auf drei Stadtteilbüros skaliert. Home Start steht noch eher am Anfang der Entwicklung einer Digitalstrategie und eines digitalen Freiwilligenmanagements. Alle mitnehmen und bei gänzlich anders gelagertem Tagesgeschäft die Arbeit an der Digitalstrategie voranzutreiben: Nicht einfach.

Kirsten Naudé als „Director of New Ventures“ bei The Childrens Society zeigte, wie Wandel in einer landesweiten etablierten Organisation gestaltet werden kann: Mit einer verantwortlichen Treiberin und großer Sensibilität für die unterschiedlichen Digitalisierungs-Geschwindigkeiten in der Organisation. Angefangen bei denen, die kaum ein pdf erstellen können hin zu denen, die gerne sprachgesteuerte Bots für die Erstberatung der Kinder und Jugendlichen einführen würden möchte sie alle passend abholen. Kirstens Botschaften wurden während der Tagung noch öfter zitiert.

Kirsten riet: Lasst in eurer Digitalstrategie das Wort „digital“ möglichst selten fallen, um Ängste und Ermüdungserscheinungen bei den Kolleg:innen nicht zu füttern. Kombiniert das Wort mit bekannten Begriffen, die den Ansatz deutlich machen. So fußt die Digitalstrategie von Childrens Society auf drei Bereichen – mit dem Hauptwort kann jede:r in der Organisation etwas anfangen:

  • (Digital) Engagement
  • (Digital) Infrastructure
  • (Digital) Impact

#BeMoreDigital: Die Sessions

In den folgenden Sessions gab es jeweils 30 minütige Vorträge, gefolgt von einer kurzen Fragerunde. Erstaunlich frontal! Hier ein Einblick in drei Sessions.

„What to do with our data? – Most charities in 2019“

Unter dieser Überschrift gab Giselle Cory von DataKind UK einen Einstieg ins Thema Datennutzung. Sie zeigte, in welchem kleinen Bereich zwischen Hacking, Mathe&Statistik sowie explorativer Erkundung das Feld Datenwissenschaften angesiedelt ist – und anhand einiger Beispiele, was man in diesem Bereich alles tun kann. Mehr erfahren wir auch bald auf unserer D3-Expedition zum Thema Daten!

DataKind und vergleichbare Organisationen und Netzwerke (in Deutschland beispielsweis CorrelAid – Giselle sendet herzliche Grüße) unterstützen soziale Organisationen dabei, aus ihren Daten zu lernen und mit Daten Gutes zu tun. In einer späteren Session im „Daten-Strang“ der Veranstaltung wurde es konkreter – am Beispiel einer Food Bank.

How AI is improving service delivery for small charities

Dank einer Fallstudie von DataKind mit The Welcome Centre wurde deutlich, wie Datenanalyse dabei helfen kann, eigene Organisationsziele noch besser zu erreichen. Das Welcome Center gibt Krisenpakete – vorrangig Lebensmittel – an Menschen in akuten Krisensituationen heraus. Sie werden aufgrund von Empfehlungen anderer Einrichtungen an die Tafel weiterempfohlen und bekommen einen festen Termin, um ihre Pakete abzuholen.

Am Rande der Abholung gab es bis 2014 kurze Gespräche mit den anwesenden Sozialarbeiter:innen, die per Zufallsprinzip und nach Zeitbudget vertiefende Beratungen anboten. Die Statistiken zeigten jedoch: eine stetig zunehmende Zahl der Foodbank-Nutzenden kehrte regelmäßig wieder. Die Besuche dort steigerten also die Abhängigkeit.

Im Rahmen einer Kooperation mit DataKind analysierte das Welcome Centre deshalb seine Daten: Dr. Andrew Tomlinson, Trustee der Organisation erklärte in dieser Session, wie es der Organisation dank ausgefeilter Datenanalyse und machine learning gelingt, zunehmend mehr Menschen aus der Lebensmittelspendenabhängigkeit herauszubringen.

Basierend auf den digitalisierten Fallakten – bis dahin Karteikarten in Registerboxen – wurde analysiert: Wann und in welcher Situation kommen welche Menschen? Warum kommen sie wieder? Wer kommt nicht wieder? Dank einer großen Datenbank konnten aus solchen Fragen Muster abgeleitet werden.

Screenshot www.thewelcomecentre.org

Dank dieser lernenden Datenbank können basierend auf Vorhersagen knappe Beratungsstunden effektiver genutzt werden. Die Datengrundlage gibt Hinweise, welchen Klient:innen in der jeweiligen Situation mit welchem Angebot am effektivsten geholfen werden kann. Dadurch wurde ein Früherkennungsprogramm möglich, das Abhängigkeitsspiralen weniger wahrscheinlich macht.

10 ways technology is transforming service delivery

Die Session begann recht bald mit einem Lacher – und längerem Betrachten dieses Gifs.

Was Dan Sutch, Direktor von CAST – Centre for Acceleration of Social Technology und Mitglied des Netzwerks The Catalyst damit sagen wollte? Im digitalen Wandel passiert so viel gleichzeitig, und alles auf einmal zu bearbeiten, ist für kleine Organisationen alleine kaum zu schaffen. Es war eine Session voller kleiner guter Tipps: Gebündelt sind diese auf Servicesiten zu finden, die in der Session vorgestellt wurden:

Diese tollen Angebote werden wir uns auch noch einmal genauer anschauen!

Was sonst noch zu erzählen ist

Der lauteste von Lachen begleitete Applaus brandet wohl in dieser Session auf:

Technologie-Tücken

Statt einer schnöden Garderobenmarke wurde man am Morgen gebeten, durch Angabe seiner Handynummer einen Verifizierungscode für die spätere Abholung zu erhalten. Das Verfahren weckte Misstrauen. Zu Recht – eine lange Schlange und einen Konferenztag später hieß es dann: „Also, sie ist schwarz und hat Reißverschlüsse an den Taschen…“.

Die besten Features

Mit Eventsential von RD Mobile wurde die Veranstaltung sehr gut als App aufbereitet. Sie beinhaltet ein personalisierbares Veranstaltungsprogramm, eine digitale Teilnehmendenliste mit der Möglichkeit zur Kontaktaufnahme (je nach eigenen Voreinstellungen), Diskussionsmöglichkeiten öffentlich in den jeweiligen Programmpunkten aber auch ein Feld um eigene Notizen zu hinterlegen und mehr. Gemeinsam konnten Abschlusserklärungen geteilt und diskutiert werden, Informationen rund um Kostenerstattungen, Dresscode, Anreise und Speiseplan abgerufen oder der Twitterfeed verfolgt werden.

Alle Sessions und Panels wurden mit Voicebox live untertitelt: Gelebte Inklusion und eine schriftliche Dokumentation wurden damit möglich!

Danke, Charity Digital!

Friederike Petersen von D3 vor der Fotowand von Charity Digital #BeMoreDigital

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