Aufmerksamkeit 4 good
Was tun, wenn ein wichtiger Kommunikationskanal durch Datenskandale immer unglaubwürdiger wird? Die Baden-Württemberg Stiftung wusste sich zu helfen und nutzte seinen Facebook Kanal in 2018 ausschließlich, um für das Thema Datenschutz zu sensibilisieren. Was das mit gutem Storytelling zu tun hat, lest ihr hier.
Ein gemeinnütziges Projekt soll durchstarten, ein Verein braucht mehr Freiwillige, eine Stiftung möchte die gesellschaftliche Debatte mitgestalten. Schnell ist ein Social Media Account aufgesetzt, man aktiviert seine Medienkontakte und holt lokale Partner für eine Veranstaltung ins Boot. Aber wie geht es dann weiter? Im Schlimmsten Fall so: Nach der Veranstaltung ebbt das Interesse ab, die Presse zeigt wenig Interesse und die Social Media Kanäle sind mehr Arbeitsbelastung als Erfolgstreiber.
Die gute Nachricht: Man kann es besser machen. Die schlechte: Es ist mit Arbeit verbunden. Storytelling ist das Stichwort, das mittlerweile immer dann ins Spiel kommt, wenn es darum geht, komplexe Themen ansprechend und fesselnd aufzubereiten.
Wir haben am Rande des Digital Social Summit mit Julia Kovar-Mühlhausen, Leiterin Kommunikation bei der Baden-Württemberg Stiftung, über das Thema Storytelling gesprochen. Und das aus gutem Grund: Im Jahr 2018 schaffte es die Baden-Württemberg Stiftung auf die Shortlist des Deutschen Preises für Online-Kommunikation. Wie sie den Grundstein für diesen Erfolg gelegt haben?
Seht selbst:
Was bedeutet Storytelling? Vom Suchen und Finden der eigenen Geschichte
Eine klassisches Vorgehen, um Menschen kommunikativ zu erreichen, ist das Erzählen von Geschichten. Im gleichen Atemzug wie das Wort Storytelling fällt meistens der Begriff der klassischen „Heldenreise“, die auch heute noch häufig als typisches Beispiel für gute Erzählkunst herhalten muss. Sie bildet die Basis für viele populäre Filme oder Romane – ein prominentes Beispiel dafür ist die Start Wars Saga und unzählige weitere Geschichten made in Hollywood.
Was hat das nun mit der Kommunikation für Vereine und NPOs zu tun? Gute Frage! Eine gute Geschichte besteht laut Heldenreise aus verschiedenen Phasen und Elementen, die aufeinander aufbauen und so eine gewisse Dramatik erzeugen. Wir sparen uns die Details – sie spielen im modernen Storytelling auch überhaupt keine Rolle. Ganz verkürzt dargestellt, geht es um einen Konflikt oder ein Problem, vor dem der Held der Geschichte steht. Dieses Problem gilt es, im Verlauf der Geschichte, zu lösen. Mit allen Hürden, Helfern und Informanten, Wendungen, die sich auf dem Weg dahin präsentieren. Kurz: Es geht darum, eine spannende Geschichte voller Handlung und Wendungen zu erzählen. Fertig ist die Geschichte – so einfach kann es sein.
Vom Facebook-Skandal zur Storytelling-Kampagne
Nichts anderes hat sich die Baden-Württemberg Stiftung in 2018 gedacht. Den Konflikt für ihre Story lieferte ihnen niemand anderes als Facebook selbst: Sich häufende Datenskandale, Leaks und der unsichere Umgang mit sensiblen Nutzerdaten sorgten für Schlagzeilen und boten ein ebenso aktuelles wie brisantes Thema. Doch wie geht man am besten dagegen vor? Insbesondere dann, wenn nicht auf diesen wichtigen Kommunikationskanal verzichten möchte?
Die Antwort der Baden-Württemberg-Stiftung lautete: Mit einer klaren Haltung und mit Aufklärung. So fiel der Entschluss, die gesamte Facebook-Kommunikation der Stiftung auf das Thema Datenschutz zu fokussieren, das Thema von verschiedenen Standpunkten aus zu beleuchten und so ein differenziertes Bild des weiten Feldes zu zeichnen.
Mit dieser klaren Vorgabe im Gepäck entwickelten sie ein Redaktionskonzept, das auf gut recherchierte und aufklärerische Inhalte setzte und mit starken visuellen Mitteln den Nerv der Zeit traf. Ihr eigenes strategisches Vorgehen wurde zur Geschichte, die die Baden-Württemberg Stiftung mit aktuellen Themen füllte und so zum Leben erweckte.
Die Verbindung aus aktuellem Anlass, eigener Message und der kreativen Umsetzung funktionierte nicht nur auf Facebook. Auch in anderen sozialen Medien sowie in der eigenen Pressearbeit kam die Geschichte zum Tragen und konnte auch hier Erfolge erzielen: Zahlreiche Medienberichte nahmen sich des Themas an und verschafften nicht nur der Baden-Württemberg Stiftung Aufmerksamkeit, sondern sensibilisierte für ein gesellschaftlich wichtiges Thema.
Wie finde ich meine Geschichte? Checkliste für gutes Storytelling
Gutes Storytelling ist alles andere als trivial – und gerade zu Beginn des Vorhabens mit viel Arbeit verbunden. Das Gute daran: Wenn man sich diese Gedanken einmal gemacht hat, sind sie nicht nur für die Kommunikation nützlich. Sie bilden ein richtig gutes Fundament für das eigene Leitbild.
Wir haben daher die fünf wichtigsten Fragen in einer Checkliste zusammengefasst. Ihr könnt alle Fragen beantworten? Dann könnt ihr loslegen und eure Geschichte erzählen!
Check Nummer 1: Held:innen vorhanden?
Geschichten werden lebendig durch Menschen, die handeln. Wir können uns mit Menschen identifizieren, die vor einem Konflikt stehen, Herausforderungen meistern oder ein Problem lösen. Auch eine Organisation kann der Held ihrer eigenen Geschichte sein. Besonders greifbar wird es jedoch erst, wenn die Menschen dahinter sichtbar werden. Das können Freiwillige sein, Mitarbeitende oder Menschen, die Hilfe gesucht haben. Diese Held:innen bieten ein großes Identifikationspotential und lassen uns auf ihrem Weg mitfiebern.
Check Nummer 2: Überrraschungsmomente inklusive?
„Mann beißt Hund!“ Man muss nicht in die journalistische Trickkiste greifen, um eine Headline zu kreieren. Überraschende Wendungen (zum Beispiel, sich auf Facebook gegen Facebook zu wenden!), Planänderungen, Herausforderungen oder Konflikte geben Stoff zum Erzählen. Und das weitaus mehr, als stringente Erfolgsgeschichten. Rotkäppchens Waldspaziergang zur Großmutter wäre ohne den Zwischenfall mit dem bösen Wolf sicherlich nicht in den Märchenbüchern dieser Welt gelandet.
Check Nummer 3: Passt die Kernbotschaft der Geschichte zu uns?
Sind Held:innen und das grobe Gerüst der Geschichte identifiziert, geht es an die „Moral von der Geschicht‘“. Als Organisation oder Verein nutzt ihr die Geschichte nicht als Selbstzweck, sondern um eine bestimmte Botschaft zu vermitteln. Diese Botschaft kann eure Werte und Überzeugungen transportieren und ist damit ein wichtiger Bestandteil eurer Geschichte.
Check Nummer 4: Ist die Geschichte aktuell spannend für unsere Zielgruppe?
Eine Geschichte steht nie für sich allein – sie ist immer in einen aktuellen Kontext eingebettet. Deshalb lohnt es sich, auch aktuelle Themen in das Storytelling zu integrieren. Aktuelle Hashtags sorgen für größere Reichweite und tagesaktuelle Themen haben gerade in der schnellebigen digitalen Welt einen hohen Nachrichtenwert. Neben der Aktualität stellt sich zudem die Frage, ob das Thema für diejenigen spannend ist, die ihr damit erreichen möchtet. Das Thema Künstliche Intelligenz ist zum Beispiel derzeit in den Nachrichten nicht wegzudenken. Aber treibt es die Freiwilligen um, die man mit seiner Geschichte erreichen möchte? Hier gilt es, eine Geschichte zu finden, die für beide Aspekte passt.
Check Nummer 5: Ist die Geschichte verständlich?
Eine gute Geschichte lässt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen und sollte auch einem sogenannten „Elevator Pitch“ standhalten. Das bedeutet: In rund 30 Sekunden solltet ihr den Kern eurer Geschichte auf den Punkt bringen können. Es dauert noch etwas länger? Dann feilt weiter!
Zum Weiterlesen:
Ihr möchtet wissen, wie eure Geschichte nun an die Öffentlichkeit gelangt? Das erfahrt ihr in unserem Artikel: