Gutes geht digital: Engagement aus der Ferne

In Sachsen-Anhalt können Vereine barrierefreie digitale Mitmachangebote für den guten Zweck auf einer eigens dafür gegründeten Plattform einstellen. Hier erhalten sie auch Impulse und Anregungen für digitales Engagement und professionelle Beratung. Wir haben mit Sulamith Fenkl-Ebert von der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis über Wirken und Nutzen der digitalen Engagement-Plattform gesprochen.

Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch, über ihre Schulter fotografiert sieht man einen Bildschirm, auf dem die Seite gutes-geht.digital geöffnet ist.

Foto: Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis

Liebe Sulamith, wie ist die Idee zu der Plattform gutes-geht.digital entstanden?

In der Freiwilligen-Agentur achten wir auf gesellschaftliche Trends. Wir fragen uns immer: Wo wollen wir uns besonders in die Bresche werfen, um Engagement voranzubringen und Gesellschaft mitzugestalten? Seit 2018 haben wir uns stärker dem Thema Digitalisierung gewidmet und Ende 2019 die regionale Engagement-Plattform engagiert-in-halle.de an den Start gebracht. Das war ein Meilenstein für uns. Wir haben gemerkt, dass wir über diesen niedrigschwelligen Zugang viel mehr Menschen für ein Engagement gewinnen konnten, vor allem viele junge Menschen, beispielsweise Studierende. Und wir konnten Vereine und Organisationen digital sichtbar machen.

Und dann ist die Pandemie ausgebrochen.

Genau. Mit Corona hat die Digitalisierung nochmal einen großen Schub erfahren. Es sind viele digitale Engagement-Angebote entstanden, weil das analoge nicht mehr ging, das Engagement aber trotzdem aufrechterhalten werden sollte. Als es dann im Sommer 2020 eine Ausschreibung von der Digitalen Agenda des Landes Sachsen-Anhalt gab, die
gezielt digitales Engagement in den Blick genommen hat und fördern wollte, war das unser Startschuss. Zusammen mit der Freiwilligenagentur in Magdeburg und in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Sachsen-Anhalt haben wir eine Plattform für digitales Engagement in Sachsen-Anhalt entwickelt
– so entstand gutes-geht.digital.

Portraitfoto von Sulamith Fenkl-Ebert vor einer flaschengrünen Tür.

Sulamith Fenkl-Ebert ist Teil des Leitungsteams der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis. Diese fördert bürgerschaftliches Engagement in der Region durch verschiedene Projekte und Veranstaltungen sowie ein breites Beratungsangebot für Freiwillige und Organisationen. Mehr Informationen gibt es hier.

Wen wollt ihr mit der Plattform erreichen?

Wir wollen Vereine und Organisationen auf das Thema digitales Engagement aufmerksam machen, sie dafür sensibilisieren und ihnen zeigen, dass digitales Engagement mehr sein kann, als die Betreuung der Social Media-Seite im Verein. Auf unserer Seite zeigen wir gute Beispiele und spiegeln die große Bandbreite digitalen Engagements wider. Es ist ja eine neue, zusätzliche Form der Beteiligung, die bisher bestehendes analoges Engagement nicht verdrängt, sondern Platz für neues Engagement schafft.

Heute wollen sich viele Menschen auch im Ehrenamt nicht in ihrer persönlichen Flexibilität einschränken lassen, sich vielleicht lieber einem zeitlich befristeten Projekt widmen oder örtlich unabhängig sein. Auch für Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, kann digitales Engagement eine Form der Teilhabe sein. Auf unserer Seite finden diese Menschen und auch alle anderen, die sich für freiwilliges Engagement interessieren, viele verschiedene Angebote aus ganz unterschiedlichen Bereichen.

Welche digitalen Engagementfelder gibt es denn?

Das war tatsächlich unsere Ausgangsfrage, mit der wir uns am Jahresanfang sehr lange beschäftigt haben. Was gibt es eigentlich für Formen, finden wir Kategorien? Kann man das Engagement irgendwie sinnvoll clustern? Zunächst gibt es die offensichtlichen Felder, wie Gestaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Social Media. Aber durch Corona hat sich – ein bisschen aus der Not heraus – auch rund um die Themen Kommunikation und Begegnung viel entwickelt und aufgetan.

Ein Bereich, der uns jetzt tatsächlich häufiger begegnet, sind Recherchetätigkeiten in Archiven. Ich kenne eine ältere Dame, die beispielsweise seit einem Jahr jeden Tag von zu Hause aus alte Dokumente in Kurrentschrift aus einem Kirchenarchiv in heutiges Deutsch übersetzt. Auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat gerade ein Rechercheprojekt laufen, in dem Informationen zu ehemaligen Mitgliedern der letzten 300 Jahre zusammengetragen werden. In diesem Feld liegt großes Potential.

Muss digitales Engagement immer komplett ortsunabhängig möglich sein?

Aus unserer Sicht schon. Wir wollen, dass sich noch mehr Menschen unkompliziert engagieren und sich auch Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder Behinderungen einbringen können. Das heißt jedoch nicht, dass digitales Engagement immer am Schreibtisch stattfinden muss. So kann man beispielsweise auch mit dem Smartphone in der Hand an der frischen Luft unterwegs sein und rollstuhlgerechte Orte auf der Online-Karte „Wheelmap“ eingeben. Zudem ist Sachsen-Anhalt ein Flächenland. Viele Wege sind lang. Über digitale Kanäle lässt sich die Strecke problemlos überwinden.

Und man darf nie vergessen: In keinem anderen Bundesland sind nach der Wende so viele Menschen abgewandert wie aus Sachsen-Anhalt. Wenn Fortgezogene, die aus kleinen Orten in Sachsen-Anhalt kommen, in Stuttgart oder Hamburg wohnen und trotzdem noch die Verbindung zur alten Heimat haben, können sie lokale Vereine und Organisationen jetzt auch aus der Ferne unterstützen. Und diese Möglichkeit wird – teilweise sogar aus dem Ausland – auch genutzt.

Wie erreicht ihr die Vereine, Organisationen und Menschen mit eurer Plattform?

Wir sind im Sommer an den Start gegangen und arbeiten immer noch daran, die Seite publik zu machen. Wir nutzen die Strukturen unserer landesweiten Netzwerke, auch in den Verwaltungen und Ministerien. Und wir machen die Seite über die Presse bekannt, haben beispielsweise gerade ein Interview bei der dpa laufen – und bei euch. So können
wir hoffentlich noch mehr Vereine und Menschen erreichen. Unsere Seite ist aber nicht nur ein digitales Instrument, also nicht nur eine Seite, auf der Angebote für Engagements veröffentlicht werden, sondern wir bieten auch ein großes Paket darum herum an, zum Beispiel Fortbildungen, Sprechstunden oder Vernetzungsangebote. Wir haben auch
Materialien rund um das digitale Engagement entwickelt, gerade für Vereine. Da geht es dann beispielsweise darum, wie sie mit Freiwilligen trotz der räumlichen Distanz und ohne sich persönlich zu kennen gut zusammenarbeiten können.

Und wie schafft man das? Wie werden einzelne digital Engagierte Teil des gesamten Teams?

Auf unserer Plattform haben wir ganz viel Material zum Freiwilligen-Management eingestellt. Dort erklären wir, wie Menschen, die sich digital einbringen, Teil der Gemeinschaft werden und wie man ihnen Austauschmöglichkeit zu anderen Freiwilligen ermöglicht. Ich finde es gut, wenn sich digitales und analoges Community-Building kombinieren lässt. Bei uns im Verein machen wir bei digitalen Engagements immer persönliche Kennenlerngespräche über Video-Tools. Die Menschen wollen eine Verbindung spüren, mit anderen in Kontakt treten – ob analog oder digital. Manche Organisationen und Vereine bieten auch digitale Einführungsveranstaltungen an, so beispielsweise die Leopoldina. Es ist sehr schön, zu sehen, was alles möglich ist.

Habt Ihr über die Plattform auch schon Freiwillige für die eigene Vereinsarbeit gefunden?

Ja, wir konnten bereits Freiwillige in verschiedene Projekte mit einbinden. Zum einen in digitalen Berufspatenschaften, in denen Menschen, die im Berufsleben stehen und gut vernetzt sind, Menschen unterstützen, die es schwerer haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Sie helfen ihnen beispielsweise dabei, Bewerbungsunterlagen zu gestalten
oder sich auf Bewerbungsgespräche vorzubereiten. Über digitale Kanäle oder Tools, mit denen man Dokumente teilen und bearbeiten kann, funktioniert das sehr gut. Auch einen Sprachkurs mit geflüchteten Frauen konnten wir mit einer Studierenden während ihres Auslandssemesters auf digitalem Weg aufrechterhalten. Und wir haben hier in Halle gemeinsam mit Menschen mit Behinderung eine Actionbound-Tour zum Thema Inklusion entwickelt. Und diese interaktive Schnitzeljagd dann – als es wieder möglich war – gemeinsam ausprobiert.

Die Förderung für eure Plattform läuft Ende 2021 aus. Wie geht es dann weiter?

Wir führen gerade Gespräche auf verschiedenen Ebenen, sowohl mit dem Land Sachsen-Anhalt als auch auf Bundesebene. Wir wollen unbedingt, dass es nach 2021 weitergeht. Und wir sind hoffnungsvoll. Was uns in unserer Arbeit ermutigt, ist die Authentizität der Freiwilligen. Viele schildern uns, warum sie ein Engagement interessant und spannend finden, sagen aber, dass sie sich dennoch nicht einbringen können, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nirgendwo hinfahren oder es nicht regelmäßig absichern können. Wir sehen das Potential dieser Menschen und freuen uns, wenn wir ein Engagement finden, das zu ihnen, ihren Interessen und ihrer Lebensrealität passt. Unsere Plattform ist ein wichtiges Instrument dafür.

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