Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Eigentlich stellt sich die Frage ja nicht nur bei Online- sondern auch Offline-Formaten. Immer geht es darum, wie man die Energie der Teilnehmenden hochhält, den „Flow“ ermöglicht und eine möglichst produktive Atmosphäre schafft. Das fängt schon mit der Vorbereitung an: Lieblos einberufene Meetings mit unklarer Agenda, nüchterner Raumgestaltung und unmotivierter Moderation schrecken so manchen ab, wirklich ins gemeinsame Denken zu kommen. Daher gilt auch online:
Nehmt Eure Rolle als Gastgeber:innen ernst. Verteilt vorab alle benötigten Informationen, begrüßt die Gäste vielleicht mit einer Willkommensfolie auf dem geteilten Bildschirm. Achtet während des Workshops darauf, dass auch die leisen Stimmen zu Wort kommen (Vielredner:innen unterbrechen, Schweigende ansprechen). Und orientiert Euch an einem vorbereitenden Moderationsleitfaden, dessen Ablauf Ihr natürlich mit den Teilnehmenden am Anfang kurz abgestimmt habt.
Gute Vorbereitung gilt aber nicht nur für Euch – auch die Teilnehmenden tragen ihren Teil zu einem gelingenden Workshop bei. Wie auch offline macht es Sinn, dass vorbereitende Dokumente und Aufgaben schon gelesen und bearbeitet sind. Als Moderator:innen könnt Ihr dabei natürlich im Vorfeld bereits die Teilnehmenden abholen und einen guten Grundstock für eine produktive Arbeitsatmosphäre legen.
Übrigens: Im Netz finden sich zahlreiche gute Checklisten zur Online-Moderation. Wir empfehlen, mal bei Susanne Plaumann vorbeischauen, die eine wirklich gute Zusammenstellung bietet. Sehr praktisch ist auch das Online-Meeting Canvas von Julia Kolm.
Für Abwechslung sorgen
Überhaupt, die Sache mit dem Reden. Nur die wenigsten Menschen empfinden stundenlanges Zuhören als wohltuend. Verbale Impulse wollen verarbeitet, reflektiert werden. Darum ist es eine Binsenweisheit, hier für Abwechslung zu sorgen – wenigstens durch einen Wechsel der Sprecher:in oder des Mediums, über das ein Impuls erfolgt. Das Einblenden einer Grafik, einer Präsentation oder eines Videos kann schon helfen.
Fasst Euch kurz! Einzelne nicht zu lange reden lassen, ist in einer Arbeitsbesprechung ohnehin meistens eine gute Maxime. Eine grobe Orientierung bietet die 90 Sekunden-Regel: Die zentrale Aussage eines Diskussionsbeitrages sollte in 90 Sekunden zum Ausdruck gebracht werden.
Diskussionen sind ebenfalls gut geeignet, weil da die Möglichkeit der eigenen Interaktion besteht. Aber auch hier gilt: Aktives Moderieren und die Teilnehmenden nach Möglichkeit gezielt in die Diskussion mit hineinholen. Kleinere Gruppen, evtl. auch in Breakout-Sessions, sind dafür besser geeignet als größere. Vielredende dürfen gestoppt, Schweigende gefragt werden. Eine freundliche Formulierung, um Vielredner:innen in Schach zu halten, lautet beispielsweise: Was ist noch einmal Dein zentraler Punkt? Oder: Zusammengefasst, was willst Du betonen? Auch die Rückfrage an die Teilnehmenden, ob die Visualisierung des Gesagten, die ihr gerade anfertigt, passend ist (diese Aufgabe habt ihr hoffentlich nicht vergessen, oder?), eignen sich gut, um den Aufmerksamkeitsfokus wieder neu auszurichten.
Bloß nicht einschlafen: Interaktion und Beteiligung
Abwechslung kann natürlich auch mit anderen Formen der Interaktion erzeugt werden. Ihr habt dazu sicher schon verschiedene Möglichkeiten kennengelernt: Eine kurze Abfrage über Zoom-Poll oder Mentimeter, eine Breakout-Session, Kartenschreiben über Padlet, FunRetro oder Mural, eine Fishbowl-Diskussion oder das Einbinden externer Gäste mit anschließender Diskussion über ihren Impuls bieten sich auf fachlicher Ebene an. Man kann es natürlich auch übertreiben und einen Workshop mit solchen Methoden überfrachten.
Bei sinnvollem Einsatz ist grundsätzlich alles ist erlaubt, was einen gedanklichen Wechsel verursacht und die Menschen aktiviert, etwas zum Workshop beizutragen.
Ein weniger moderativer als struktureller Hinweis: Verbannt möglichst viel an reinen Informationsteilen aus dem Workshop. Die allermeisten solcher Sachen lassen sich im Vorfeld zum Lesen/Anschauen verschicken. Im Workshop wird dann nur noch über die Inhalte diskutiert. Eine Studie, deren Inhalte diskutiert werden sollen, sollte auch im Vorfeld zur Lektüre verschickt werden. Die Präsentation im Online-Workshop kann sich dann auf wenige Kernaussagen und Diskussionsfragen beschränken. Das vermeidet allzu lange Zuhör-Zeiten und lässt Raum für produktiven Austausch. Man kann daraus auch eine generelle Regel bei der Gestaltung von lebendigen Online-Workshops machen:
Schafft so viele Gelegenheiten wie möglich, dass die Teilnehmer*innen zu Wort kommen und sich selbst einbringen können. Vermeidet im Gegenzug so gut es geht Strecken längerer Wortbeiträge.
Mit Bedacht auswählen: Icebreaker und weitere Methoden
Oft gefragt, aber unserer Meinung nach mit Vorsicht zu genießen: Die kleinen, oft gutgemeinten Spiele und Auflockerungen am Anfang oder inmitten von Workshops. Es ist wie im analogen Kontext: Kann auch nach hinten losgehen, weil nicht alle Teilnehmenden so etwas gut finden. Es ist Geschmackssache, ob man aufeinander zeigen oder einen Gegenstand holen oder ein lustiges Video zwischendrin gut findet.
Wer damit arbeiten möchte: Hier findet sich eine prima Auflistung für solche Workshop-Elemente. Unsere Erfahrung: Ein eher „softes“ Hineinfinden in die inhaltliche Arbeit ist natürlich wichtig. Pausen ebenfalls. Oft wollen die Menschen die Zeit aber eher damit verbringen, sich kennenzulernen und dann über „fachfremde“ Dinge reden.
Eine Workshop-Einführung über eine Landkarte, in der alle ihre Geburtsorte markieren, die 3-minütige Biopause zum Aufstehen oder auch die Stimmungsabfrage zwischendurch mit Daumen hoch/runter in die Kamera zur aktuellen Gemütslage reichen oft schon aus, um eine gewisse Lockerheit im Workshop zu behalten.
Etwas anders sieht es bei spielerisch anmutenden Methoden aus, die aber einen engen Bezug zum Workshopthema haben. In einem Training zu agilem Arbeiten kann die bekannte „Bällemaschine“ durchaus kreativ online umgesetzt werden und zeigen, wie der Ablauf aus Planung, Sprint, Retro funktionieren kann.
Auch das gemeinsame Zeichnen eines Bildes kommt zwar locker daher, birgt aber ein hohes didaktisches Potential im Aufzeigen von Teamstrukturen. Und ein kurzer gemeinsamer Spaziergang zu zweit mit telefonischer Verbindung wirkt zwar wie eine Pausenbeschäftigung, kann aber mit der richtigen Fragestellung als Aufgabe auch als gegenseitiges Kurz-Coaching zum Workshop-Thema eingesetzt werden.
Kurzum: Gamification-Ansätze können durchaus hilfreich sein, spielerisches Handeln mit ernsthafter Workshop-Gestaltung verbinden. Methoden-Sammlungen bieten viele Anregungen für den klug gewählten Einsatz von Übungen.
Das Zwischenmenschliche
„Wie stelle ich sicher, dass auch das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommt?“ Das ist sicher eine der häufigsten Fragen an uns. Und natürlich: Hier kommt die Online-Welt einerseits an eine Grenze. Man kann sich nicht „beschnuppern“, nimmt Mimik und Gestik nur eingeschränkt wahr und Körpersprache spielt eine geringere Rolle als offline. Andererseits: Wenn „zwischenmenschlich“ online nicht möglich wäre, würden wir uns ja nicht auf Dating-Plattformen ineinander verlieben, Freundschaften über Facebook und Whatsapp pflegen und uns auf Twitter bis auf’s Blut streiten.
Da geht also was – wenn die Teilnehmenden es wollen, das Thema es hergibt und die Moderation dafür den Raum gibt. Letzteres kann – je nach Thema – durch die Frage nach persönlichen Erlebnissen und Gedanken, durch die Gelegenheit zum Austausch in kleiner Runde oder auch Aufträge zur gemeinsamen Bearbeitung erfolgen. Gerade Teams wachsen in der konkreten Kollaboration am besten. Lasst sie also zusammen arbeiten und schafft Gelegenheiten, sich fachlich näher zu kommen.
Persönlicher Austausch ist das wichtigste Element – dafür muss aber auch Platz im Workshop-Design sein. Die persönliche Ebene darf nicht erzwungen werden. Die Teilnehmenden entscheiden selbst, was sie wann von sich preisgeben wollen.
Es versteht sich von selbst, dass ein Workshop zur Durchsprache des Jahresabschlusses eines Vereins etwas weniger für diese zwischenmenschliche Ebene geeignet ist als zum Beispiel ein gemeinsames Training zum selbstorganisierten Arbeiten.
Rolle der Moderation
Man kann es gar nicht oft genug sagen: Neben einer abwechslungsreichen Gestaltung der Agenda und klug gewähltem Einsatz von Methoden ist die Rolle der Moderation enorm wichtig für lebendige Online-Workshops. Wir haben es im ersten Teil unserer Reihe hier schon beschrieben: Es braucht eine aktivere Moderation, die noch stärker auf die Teilnehmenden zugeht, Beiträge aufnimmt, Bezüge herstellt und die Diskussion befördert.
Anders als offline, wo sich häufig eine Gruppendynamik einstellt und die „Betriebstemperatur“ im Raum fast von selbst steigt, laufen Online-Workshops häufig Gefahr, dass die Teilnehmer:innen sich stumm hinter den Kameras und Mikros „verstecken“. Da ist eine Moderation gefragt, die die Lücken füllt und immer wieder motiviert und aktiviert. Tools alleine reichen da nicht – die Persönlichkeit und Wirkung der Moderation sind ebenfalls wichtig.
Humor wirkt oft übrigens Wunder. Es empfiehlt sich, wach und lebendig zu sein und die eigene Energie auf die Online-Gruppe ausstrahlen zu lassen. Auch wichtig: Sich im richtigen Moment zurückzunehmen, um der Energie der Gruppe Raum zu geben. Klingt esoterisch – ist es aber nicht. Nur halt online noch wichtiger als offline.
Wir fassen zusammen: Lebendige Workshops sind keine Raketenwissenschaft. Sie fangen mit einer vernünftigen Planung an, die Abwechslung, Interaktion und Beteiligung vorsehen. Sie leben von einer energetischen und empathischen Moderation und von einem klug gewählten Einsatz von Methoden zur Interaktion. Und sie vergessen nicht, dass am anderen Ende der Leitungen der Menschen sind, die auch mal lachen und andere auch von ihrer menschlichen Seite kennenlernen wollen. In diesem Sinne: Habt Spaß bei euren Online-Workshops!
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Die Autor:innen
Dr. Hilke Posor findet ihre Erfüllung, wenn Teams über sich hinauswachsen. Dieser Leidenschaft geht sie als geschäftsführende Gesellschafterin der Heldenrat GmbH nach, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Sie ist Mitgründerin von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V.. und begleitet dort seit 2004 sozialen Initiativen.
Dr. Thomas Leppert diskutiert gern leidenschaftlich über Folgen der Digitalisierung. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Heldenrat GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer. Er ist Mitgründer von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e.V. und begleitet dort seit 2004 soziale Initiativen.