PIKSL: Digitale Teilhabe für alle

Unser Leben wird immer digitaler. Doch viele Menschen werden dabei abgehängt. Die mehrfach ausgezeichneten PIKSL-Labore möchten das ändern und setzen auf Bildungsangebote von und für Menschen mit Behinderung.

Foto zeigt eIne Gruppe Menschen mit und ohne Behinderung im PIKSL-Labor Bielefeld. Sie sitzen in einer gemütlichen Sitzecke im offenen Halbkreis auf Sofas und diskutieren.

Foto: PIKSL

Monika Knieper ist 59 Jahre alt und lebt in Düsseldorf. Die ehemalige Reinigungskraft gehört nicht unbedingt zur Generation Internet und hatte durch ihre Lernschwäche Probleme, sich im Browser und in Computerprogrammen zurechtzufinden. Zu kompliziert waren Skype, E-Mails und Co., zu hektisch und schnell – so zumindest der Stand vor ein paar Jahren. Doch: Seit 2014 gibt Knieper Schulungen und Workshops und erklärt anderen Menschen, wie PCs, Tablets, Internetseiten oder digitale Tools funktionieren.

Den Weg dorthin hat PIKSL geebnet, eine Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, digitale Medien für alle Menschen zugänglich zu machen. Denn was für manche ganz einfach zu verstehen und zu nutzen ist, ist jemanden wie Monika Knieper mit vielen Einstiegs- und Anwendungshürden verbunden.

So sind Internetseiten für Menschen mit Behinderung oft kompliziert zu erfassen, die Schrift ist für jemanden mit Seheinschränkungen schwer lesbar oder der Inhalt verklausuliert. Das Gleiche gilt für E-Mails, die Kommunikation in den sozialen Netzwerken oder die Teilnahme an Videokonferenzen. Sich während der Corona-Pandemie in einen Zoom-Raum einwählen? Gar nicht so einfach, wenn man Hör- und/oder Spracheinschränkungen oder noch keine Erfahrung mit Online-Tools hat.

Foto: PIKSL

Das Internet ist längst eine zentrale gesellschaftliche Dimension geworden. Ein Großteil der Kommunikation findet online statt – Tendenz (nicht nur Corona-bedingt) steigend. Wenn digitale Medien für Menschen mit Behinderung nur eingeschränkt zugänglich sind, schließen wir sie als Gesellschaft von sozialer Teilhabe aus.

Inklusion und Augenhöhe

Menschen mit Behinderungen, beispielsweise mit Lernschwierigkeiten, stehen täglich vor komplexen Hürden, die es zu überwinden gilt. Dadurch sind sie Expert:innen in der Reduktion von Komplexität. Diese kompetenzorientierte Sichtweise steht zentral bei PIKSL. Der Ansatz ist deswegen auf Inklusion ausgelegt – und smart. Die klassische Zweiteilung aus haupt- und ehrenamtlichem Team auf der einen und der Zielgruppe auf der anderen Seite, für die die Angebote konzipiert sind, wird aufgebrochen.

Stattdessen werden bei PIKSL Menschen mit Behinderung zu sogenannten PIKSL-Expert:innen – und Teil des Teams. So wie Monika Knieper. Sie führen Bildungsangebote zu digitalen Medien für andere Menschen mit und ohne Behinderung durch, berichten in Workshops über ihre Lebenswelt, sensibilisieren für Inklusion und prüfen digitale Produkte auf Barrierefreiheit und Komplexitätsreduzierung, um Software-Entwicklungsteams und Fachleuten Feedback zu geben. Und das inklusive Miteinander funktioniert. Für Monika Knieper ist es eine ganz wichtige Facette von PIKSL, „auf Augenhöhe zu arbeiten und verstanden zu werden und dass nicht Chef Chef ist“.

Titelbild des eBooks Zusammenhalt von openTransfer zeigt eine junge schwarze Frau, die ihre Hände mit einer Frau verbindet, die ihr gegenübersteht. Schrift: Zusammenhalt. Gutes einfach verbreiten

Dieser Beitrag erschien erstmalig im eBook „Zusammenhalt“ unseres Schwesterprojekts openTransfer. Reinlesen lohnt sich!

Diese Ansicht teilt auch Inga Gebert. Die 32-Jährige ist Medienpädagogin bei PIKSL und seit Frühling 2021 dabei. Sie hat Rehabilitationswissenschaften studiert und kannte PIKSL bereits aus ihrer Zeit an der Uni. „Schon damals hat mich angesprochen, dass ‚gemeinsam auf Augenhöhe lernen und arbeiten‘ hier tatsächlich stattfindet und kein leerer Slogan ist. Dann gab’s die Stellenausschreibung und ich habe mich so schnell beworben wie noch nie.“

Portraitfoto von Inga Gebert

Mit Erfolg: Nun entwickelt und leitet Inga Gebert bei PIKSL inklusive Workshops und Vorträge, oft im Tandem mit einer PIKSL-Expertin wie Monika Knieper. Ziel ihrer Arbeit ist es, dass die Möglichkeiten des Internets von allen Menschen gleichermaßen genutzt werden können. Umso relevanter ist es, die Kompetenzen aller Nutzer:innen, egal ob mit oder ohne Behinderung, zu stärken – und diese in Kontakt mit digitalen Medien zu bringen. Nur so lassen sich eventuelle Berührungsängste mit digitalen Technologien abbauen.

Foto: PIKSL

Dass sie den Weg dorthin miteinander gehen, ist für Inga Gebert das Entscheidende: „Gesellschaftlicher Zusammenhalt bedeutet für mich, respektvoll miteinander umzugehen, aufeinander zuzugehen, andere Menschen und Perspektiven kennenzulernen und gemeinsam an Zielen und Projekten wie der digitalen Teilhabe zu arbeiten.“

PIKSL-Labore in verschiedenen Städten

Kernstück des Wirkens sind die PIKSL-Labore. Sie sind eine Mischung aus Internetcafé und Begegnungsort: offene, in die soziale Nachbarschaft integrierte Räume, zu denen alle digitalen Einsteiger:innen kommen können, um sich mit neuen Medien vertraut zu machen. Inga Gebert hält fest:

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„Da kommen Menschen hin, die noch nie einen Computer angeschaltet haben und gar nicht wissen, was ‚dieses Internet‘ eigentlich ist. Gleichzeitig kommen auch ganz viele Kinder und Jugendliche und genauso die Oma von nebenan. Dadurch entsteht ein Ort, an dem wir auf der einen Seite Bildungsangebote durchführen, an dem sich auf der anderen Seite aber auch Menschen mit verschiedenen Hintergründen begegnen.“

Dass die soziale Wirkung skaliert wird, war dem PIKSL-Kernteam von Anfang an wichtig. So hat PIKSL mittlerweile Labore in fünf Städten in Nordrhein-Westfalen sowie eines in Kassel. Laborstandorte in Berlin, Kaiserslautern und Groß-Gerau sind in Planung. Das Wachstumsprinzip ist dabei so einfach wie nachhaltig: Social Franchising nennt sich das Konzept, bei dem Innovationen von verschiedenen Trägern an unterschiedliche Standorte getragen werden, das Erfolgskonzept und Ziel jedoch über alle Städte hinweg konsistent bleibt. Trotz unterschiedlicher Trägerschaften ist so auch das Wirkungsmodell aller PIKSL-Labore gleich. Menschen mit Behinderung als Expert:innen in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen, um digitale Teilhabe zu fördern.

Ein mobiler PIKSL-Besuch. Foto: PIKSL

Raus in die Welt

Doch PIKSL wirkt nicht nur in den Laboren. Paula Ohgke ist für das Angebot PIKSL mobil zuständig. Tandems mit einem PIKSL-Experten oder einer PIKSL-Expertin gehen dabei in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung. Dort bieten sie niederschwellige und selbstwirksame Medienangebote für Digitaleinsteiger:innen an, die dabei Selbstwirksamkeit erleben.

Die 22-Jährige studiert parallel soziale Arbeit in Düsseldorf-Kaiserswerth. Gerade auf die Zusammenarbeit mit den PIKSL-Expert:innen hält sie große Stücke. „Ein PIKSL-Experte hat mich begleitet, kannte viele der Teilnehmer:innen und deren Unterstützungsbedarfe schon seit Jahren. Er konnte auch bei anfänglichen sprachlichen Barrieren super helfen.“ Das Projekt kommt gut an:

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„Vorher hatten die Klient:innen in Wohneinrichtungen häufig noch keinen Kontakt mit digitalen Medien – nach PIKSL mobil sind sie jedoch oft total begeistert. Eine Klientin kam nach zwei Wochen mit ihrem neu gekauften eigenen Tablet zu unserem Angebot“, so Paula Ohgke.

Digitale Zukunftswünsche

Neben analogen Bildungsangeboten wie bei PIKSL mobil, den Workshops in den Laboren oder vor Ort bei den verschiedenen Trägern wird zusätzlich an digitalen Angeboten gewerkelt. Denn das Zukunftsziel ist neben der räumlichen Skalierung auch der Sprung ins Internet.

Das ist jedoch eine Herausforderung, erklärt Inga Gebert: „Jemand, der noch nie im Internet war, wird auch nur schwerlich an einem Online-Angebot teilnehmen. Deswegen setzen wir gerade auf hybride Veranstaltungen. Außerdem entwickeln wir derzeit eine virtuelle Lernumgebung, die Menschen mit keiner oder nur wenig digitaler Erfahrung die Möglichkeit bietet, ihre ersten Schritte im Internet zu machen.“

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