Digitale Selbstlernkurse: Eine Plattform für alle

Der Traum von einer digitalen Activist Academy brachte Julia Junge und ihre Mitstreiter:innen auf die Idee, kostenlose Online-Selbstlernkurse für Aktivist:innen und Engagierte zu entwickeln. Noch ist die Reichweite ihrer Plattform „Organisiert Euch“ gering – doch das soll sich bald ändern.

Julia schreibt bei einem Workshop auf ein Flipchart.

Foto: Fairshare Monitor

Zwischen dem Engagement für eine gute Sache und professionellem Handeln liegen oft Welten. Ob Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit oder Kampagnenarbeit – für aktivistische Gruppen und soziale Projekte ist das Werben um neue Mitglieder, das Planen erfolgreicher Kampagnen oder die Moderation eigener Treffen nicht immer leicht. Gerade bei jungen Projekten fehlen die Erfahrungswerte. Wie lenkt man die Aufmerksamkeit auf das eigene Thema? Wie lassen sich Menschen motivieren? Und wie können gut geplante Aktionen öffentlichen Druck erzeugen?  All diese und andere Fragen beantworten Julia Junge und ihre Mitstreiter:innen in kurzen praxisnahen Videos, Checklisten und Grafiken auf ihrer Plattform Organisiert Euch.

Porträt Julia Junge.

Julia Junge arbeitet als freie Trainerin, Moderatorin und Organisationscoach. Sie unterstützt und berät insbesondere Organisationen im Non-Profit-Bereich zu Fragen der digitalen und hybriden Zusammenarbeit, Organisationsentwicklung und Wissensmanagement.

Kostenlos und ohne Registrierung

In Trainings, Seminaren und Workshops hat das Team rund um Julia seit Jahren Erfahrung in diesem Bereich gesammelt. „Irgendwann hatten wir die Idee, eine Art Activist Academy aufzubauen“, sagt die 42-Jährige, die als freie Trainerin, Moderatorin und Team-Coach arbeitet. „Wir wollten die Schmankerl aus unseren Kursen und das ganze Know-How ins Netz bringen.“ Als dann mit Beginn der Corona-Pandemie vor gut drei Jahren die Nachfrage nach Online-Angeboten stieg, sind Julia und ihr Kollege Alexander Koch das Projekt angegangen und haben mit der Entwicklung begonnen. Entstanden ist die Plattform Organisiert Euch, die kostenlose Onlinekurse für Menschen in sozialen Bewegungen anbieten. „Damit ihr mehr erreicht, als Gruppe wachst und die Freude am Engagement steigt“, so steht es auf der Homepage des Projekts.

Das große Plus der Plattform: Alle Kurse sind gratis abrufbar. Wer die Plattform nutzen möchte, muss sich weder registrieren noch ein Tool herunterladen und installieren. „Wir wollten den Menschen schnell und direkt helfen und nicht noch mehr Barrieren aufbauen“, sagt Julia. „Wenn sich jemand in einem Projekt ehrenamtlich engagiert und in der eigenen Freizeit nochmal ein paar Basics beispielsweise zum Thema Moderation lernen will, soll es nicht an einer Bezahlschranke scheitern.“ Ohne eine Finanzierung durch die Deutsche Stiftung für Ehrenamt und Engagement wäre das allerdings nicht möglich gewesen. „Wir hatten Glück, dass unsere Bewerbung vor eineinhalb Jahren gut in deren Förderprogramm gepasst hat. So hatten wir endlich die Ressourcen, unsere Ideen umzusetzen und ins Netz zu bringen.“

Anführungszeichen

Wir wollen den Menschen Tools an die Hand geben, von denen wir wirklich überzeugt sind, weil sie auch in unserer eigenen Arbeit hilfreich sind.

Mit agilem Prototyping zum Ziel

Fünf Kurse hat das Team bereits online gestellt. Ein sechster ist in Arbeit. Alltagsnah und so handlich wie möglich sollen sie sein. „Wir wollen den Menschen Tools an die Hand geben, von denen wir wirklich überzeugt sind, weil sie auch in unserer eigenen Arbeit hilfreich sind.“ Jeder Kurs ist in einzelne Module unterteilt. „Die meisten Module dauern nicht länger als zehn Minuten.“ Alle Informationen zu komprimieren, sei eine der größten Herausforderungen gewesen. „Wir haben dann agiles Prototyping gemacht, um unser Produkt auf Funktionalität und Design zu testen“, sagt Julia. In Live-Workshops haben sie ihre Module vorgestellt und die Teilnehmenden die verschiedenen Tools und Angebote ausprobieren lassen. „Deren Feedback hat uns beim Aufbau der einzelnen Kurse sehr geholfen.“ Julias Tipp für andere Projekte, die ähnliches planen: „Wichtig ist es, die Zielgruppe klar zu formulieren und gemeinsam Standards für die Kurse zu entwickeln. Dann hat man als Organisation weniger Arbeit und bessere Produkte.“

Alle Kurse von „Organisiert Euch“ stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY 4.0. „Das heißt, auch andere Organisationen können die Kurse komplett kopieren und auf ihre Webseiten integrieren“, sagt Julia. Auch einzelne Module, Grafiken und Arbeitsblätter teilen sie mit allen. Doch noch ist das Interesse gering. Woran es liegt? „Manchen Organisationen und Projekten fehlen die technischen Ressourcen für die Umsetzung.“ Mal scheitere es auch an Layoutfragen oder dem Aufwand, den Kurs auf der eigenen Plattform nachzubauen. „Aber wir haben 2023 eine Folgefinanzierung bekommen und wollen in den nächsten Wochen und Monaten nochmal gezielt Werbung für unsere Plattform machen.“

Kursangebot der Plattform "Organisiert Euch": Projektmanagement, Moderation, Öffentlichkeitsarbeit, Mehr werden, Kamapgnenarbeit. Bald gibt es auch ein Modul zu Konfliktbewältigung.
Aktuelles Kursangebot von Organisiert Euch.

Reichweite vergrößern, Netzwerke aufbauen

„Als kleiner Verein ist das Marketing für uns schwierig. Wir haben nur eine relativ beschränkte Reichweite“, sagt Julia. Die Zugriffszahlen der verschiedenen Kursmodule bewegen sich im zwei- und dreistelligen Bereich. Ein neues Angebot soll die Nutzungszahlen nach oben treiben. „Wir sind gerade dabei, die Kurse auch als E-Mail-Kurse anzubieten.“ Dann können sich die Menschen die einzelnen Module des Kurses flexibel einteilen. „Sie bekommen täglich eine E-Mail in ihr Postfach, die sie daran erinnert, das nächste Modul zu starten.“ Ein erster Erfolg ist sichtbar. „Von heute auf morgen hatten wir 100 Leute, die einen Kurs gleichzeitig gemacht haben.“ Und eine zweite Idee steckt schon in der Pipeline: Im Herbst sollen Social-Media-Varianten einiger Kurse online gehen.

Wie es weitergeht, wenn die Finanzierung am Ende des Jahres ausläuft, weiß das Team noch nicht. Eine Paywall ist momentan keine Option. „Dafür müssten wir auch erstmal eine ganze Ecke wachsen, selbst wenn es eine solidarische Paywall werden würde.“ Was sie beim nächsten Mal anders machen würde? „Am Produkt selbst würde ich nicht viel ändern. Aber ich würde die Plattform vielleicht zusammen mit anderen Kooperationspartnern entwickeln oder schauen, welche Plattformen kompatibel sind.“ Zwei, drei dauerhafte und reichweitenstarke Partner:innen, so das Fazit der Trainerin, hätten von Beginn an mehr Aufmerksamkeit auf die Plattform lenken können.

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