Start with a friend: Aus Fremden können Freunde werden

Dezentrale Zusammenarbeit mit digitalen Hilfsmitteln

Das Projekt „Start with a Friend“ vermittelt Patenschaften zwischen Geflüchteten und Einheimischen. Der rasch wachsende Verein organisiert immer mehr Prozesse digital. Ausgenommen ist nur ein Bereich, der auf Dauer analog bleiben soll.

2014 fand sich eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher rund um Franziska Birnbach zusammen, die den Grundstein für „Start with a Friend“ (SwaF) legte. Ihr Ansatz: eine neue Art der Ein-zu-Eins-Beziehung etablieren, die sich „befriending“ nennt – also sich anfreunden – mit dem Ziel, längerfristige Bindungen zu stiften. Aus dem losen Zusammenschluss einiger Berliner Engagierter wurde im Oktober 2015 ein Verein, zwei Monate später gründete sich eine zweite Gruppe in Freiburg. Heute gibt es 22 Standorte in Deutschland sowie in Wien mit zehn hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Demnächst wird das 5.000. Tandem gestiftet.

Foto: Virginia Pech

Eine Meisterleistung des Projektmanagements

Die Standorte von SwaF setzen sich aus einem zentralen Ansprechpartner, den interkulturellen Vermittlerinnen und Vermittlern sowie gleichberechtigten Teams im Bereich Community-Building und PR zusammen. Die Vermittlerinnen und Vermittler organisieren Infoveranstaltungen, um Tandempartnerinnen und -partner zu gewinnen, führen Vorgespräche mit Geflüchteten, übernehmen das Matching und sind ansprechbar für Fragen der Tandems. Seit März 2018 unterstützen zudem bezahlte „Fellows“ die ehrenamtlich geführten Standorte.

Digitalisierung von Anfang an mitgedacht

Um ein flexibles und ortsunabhängiges Engagement zu gewährleisten, um besser miteinander zu kommunizieren, keine Info zu verlieren, Individualität zu gewährleisten und effektiv Neu-Engagierte vorzubereiten, nutzt die Organisation auch digitale Prozesse. Von Anfang an war die Homepage das zentrale Instrument, um Geflüchteten und einheimischen Tandempartnerinnen und -partnern sowie Spendern, Förderern und Medienvertretern eine Anlaufstelle zu bieten. Für das Tandemprojekt war es im zweiten Schritt wichtig, eine Datenbank aufzubauen, die die Teilnehmerprofile hostet, den Vermittlungsbereich organisiert und die Kommunikation zwischen den Engagierten möglichst effektiv gestaltet.

Mit dem schnellen Wachstum übernahm ein Server die zentrale Datenablage für die Hauptamtlichen. Um die interne Kommunikation neu aufzustellen, wurde Ende 2017 das Kollaborations-Tool Slack eingeführt, wenige Monate später dann die Plattform Trello, auf der die Aufgaben der Teammitglieder organisiert werden und die wichtigsten Materialien und Anleitungen für die lokalen Teams liegen.

Die häufig unübersichtliche E-Mail-Korrespondenz konnte auf diese Weise deutlich heruntergefahren werden. Über Slack kommunizieren alle Ehren- und Hauptamtlichen miteinander. Hier steht ein spezieller Bereich, die „SwaF-Welt“, zur Verfügung, in dem Erfahrungen und Neuigkeiten geteilt werden.

Wie gelingt es, alle mitzunehmen?

Wenn einige Mitglieder das neue Tool Slack nicht konsequent nutzen, erhalten sie die wichtigsten Informationen in Form monatlicher „Blitzlichter“, die das Kernteam per E-Mail verschickt. Tools wie Slack sind als Angebot gemeint, mit den Teammitgliedern zu kommunizieren, Kontrolle soll nicht stattfinden.

Jakob Filzen, bei SwaF für den Digitalisierungsprozess zuständig: „Slack ist schlicht der digitale Ort, an dem jede und jeder eine Stimme hat.“ Einzelne SwaF-Standorte nutzen darüber hinaus andere Kanäle, strenge Vorgaben gibt es nicht. Anders mit Trello: Es ist die essenzielle Plattform, um die einzelnen Standorte zu organisieren. Eine Vorlage für die Aufgabenverteilung hat das Bundesteam ausgearbeitet. Allen Teammitgliedern stehen Tutorials zur Verfügung – oder sie probieren einfach aus. Ein Bereich („board“) bei Trello nennt sich „SwaF Wissen und FAQ“ und enthält alle wichtigen Materialien, Flyer und Logos, die zentral aktualisiert werden. Mittlerweile nutzen immer mehr Beteiligte das Tool. Auch, weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man sonst wichtige Informationen verpasst.

Foto: Start with a friend

Interne Weiterbildung digitalisieren

Ab 2019 greift eine neue Digital-Strategie bei SwaF. Dies betrifft den Bereich Weiterbildung ebenso wie die Datenbank. Nachdem 2018 mit Webinaren für die interne Weiterbildung experimentiert wurde, wird es in Kürze ein zentral konzipiertes digitales Onboarding geben. Mithilfe der E-Learning- Software Moodle erfahren die Fellows noch vor der ersten Präsenzschulung die wichtigsten Basics über die Organisation und wie sie funktioniert. Dazu zählen die Entstehungsgeschichte ebenso wie die unterschiedlichen Engagementbereiche wie Vermittlung oder PR. Sind Tools wie Slack und Trello auch kostenlos erhältlich, ist die neue Datenbank, die es seit Sommer 2018 gibt, die derzeit umfangreichste Investition des Vereins in die digitale Geschäftsstelle. Jede Anmeldung für ein Aufnahmegespräch oder einen Infoabend (diese werden auch in der Datenbank erstellt) erfasst die Datenbank direkt. Darüber hinaus wird die Sortierung und Übersicht der Profile klarer, und der Tandemstatus passt sich automatisch an.

Ein fast altmodisches Learning

Grundsätzlich gilt bei SwaF: Keine Prozesse werden digitalisiert, einfach „weil es geht“. Neuerungen werden dann eingeführt, wenn sie ein notwendiger Schritt sind, um das übergeordnete Ziel von mehr Freundschaften und mehr Miteinander zu erreichen. Was die Organisation in den vergangenen vier Jahren gelernt hat? Für Jakob Filzen ist es eine ganz klassische Tugend: einen langen Atem beweisen. „Gerade bei neuen Tools zieht nicht jeder sofort mit – gerade, wenn wir von freiwillig Engagierten sprechen, denen oft die Zeit fehlt, sich mit den Neuerungen zu befassen“, erklärt er. Am Ende müsse jeder seine persönliche Lernerfahrung machen und sich das neue Instrument aneignen.

Ein Bereich bleibt analog!

Und was sind die Grenzen der Digitalisierung bei SwaF? „Wir wissen sehr genau, dass die persönliche Begegnung unser wertvollstes Gut ist. Daher wollen wir die Kennenlerngespräche mit den Tandempartnerinnen und -partnern auf keinen Fall digitalisieren. Wir möchten den Menschen persönlich begegnen und sie kennenlernen. Das zeichnet uns aus!“, fasst Jakob Filzen die Philosophie des Vereins zusammen.

Mehr zum Thema

Dieser Text ist in dem E-Book „Digitalisierung – vom Buzzword zur zivilgesellschaftlichen Praxis“ erschienen.

Das E-Book ist eine Orientierungshilfe, die das Großthema herunter bricht und konkrete Vorschläge macht, wie das Thema Digitalisierung angegangen werden kann. Schlagworte werden erklärt und mit Praxisbeispielen illustriert. Zahlreiche Tipps sollen zudem dazu inspirieren, sich aktiv in die Debatte um den digitalen Wandel einzuschalten.

Lizenz: CC BY-SA 3.0 de, Herausgeber: Stiftung Bürgermut

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