Arbeitskultur in der Corona-Krise: Jetzt ist Agilität gefragt

Die Corona-Krise verändert vieles. Soziale Organisationen profitieren, wenn sie ihre Arbeitskultur an die neuen Umstände anpassen. Aber wie? Mit einem klaren Ja zu Innovation, Kreativität, Transparenz und Eigenverantwortung aller – und einem agilen Arbeitsumfeld, das dies möglich macht.

Ein Scrum-Board mit bunten Klebezetteln, die an einer Glaswand hängen.

Homeoffice, räumliche Trennung, Kommunikationsbarrieren & Co: Wie können soziale Organisationen auf die aktuelle Situation reagieren? In unserer neuen Artikel-Serie „Arbeitskultur in der Corona-Krise“ gehen wir darauf ein. Im vorliegenden ersten Teil geht es um die Wichtigkeit von agilem Zusammenarbeiten im Kontext der aktuell chaotisch-komplexen Umstände. Im weiteren Verlauf werden die neuen Anforderungen, die auf Führungskräfte zukommen und die Führungsstile, die sich daraus im besten Fall entwickeln, beleuchtet.

Ein Schritt zurück

Es gibt keine per se richtige Antwort darauf, wie Arbeitskulturen gestaltet sein sollten, um gut zu sein. Was es aber gibt, sind spezifische Arten der Zusammenarbeit, die in bestimmten Situationen sinnvoll sind. Deswegen ist es gerade jetzt wichtig, sich zuallererst die Situation der eigenen Organisation und den gesellschaftlichen Corona-Kontext vor Augen zu führen – um darauf zu reagieren.

Kleiner Affe schaut sich selbst im Handspiegel an.
Wie sind wir – und in welcher Situation befinden wir uns? (Foto: Andrew Mouton)

Grundsätzlich unterscheidet man – in der Theorie – zwischen vier verschiedenen Situationsdomänen. In einfachen Situationen kann der beste Lösungsweg leicht beurteilt werden: Führungskräfte geben dem Team vor, was zu tun ist und folgen dabei etablierten Best Practices. In komplizierten Situationen gibt es zwar ebenfalls einen richtigen Lösungsweg, dieser ist jedoch nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Schaubild des Cynefin-Modells mit 4 Feldern: Einfach, kompliziert, chaotisch und komplex.
Das Cynefin-Modell (Aussprache: Kü-NE-wien; Quelle: Thomas Jorré)

Die Corona-Krise erzeugt in den meisten Fällen jedoch erst eine chaotische – und danach komplexe Situation. Im chaotischen Umfeld, das für soziale Organisationen insbesondere zu Beginn der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen den Status Quo festsetzte, muss schnell gehandelt werden: Hier ist keine Zeit für lange interne Aushandlungen – the leader in charge is in charge. Das Ziel: Die Rahmenbedingungen für das interne Arbeiten sowie die “neue” strategische Ausrichtung schnell festzusetzen und dabei auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren, um als Organisation in eine halbwegs kontrollierte Situation zu gelangen.

Ist dies gelungen, entsteht eine neue, komplexe Situation: Wir können im Vorhinein nicht wissen, wie sich das rein digitale Zusammenarbeiten auf Teamdynamiken, Effizienz und Erfolg auswirkt. Wir wissen nicht, inwiefern sich soziale Fragen – und damit auch die Bedürfnisse unserer Zielgruppen – durch die Corona-Krise verändern. Wir können den richtigen Umgang mit der gesellschaftlichen Ausnahmesituation nicht eindeutig definieren – weil wir (und alle anderen) das erste Mal mit einer solchen Situation konfrontiert sind – und nicht einschätzen können, wie lange sie noch anhält.

Das richtige Handeln ist für Organisationen aus dem Dritten Sektor momentan nicht im Voraus ableitbar, sondern nur retrospektiv zu erkennen. Jetzt muss durch Ausprobieren und kleine Schritte versucht werden, die richtige Lösung zu erarbeiten. Es geht um Innovation, Experimentieren, Selbstorganisation und geteilte Verantwortungen – und ein Arbeitsumfeld, das schnelle Reaktionen und Anpassungen möglich macht.

Das klingt nach agilem Arbeiten
Und tatsächlich sind chaotische und komplexe Situationen Umgebungen, in denen Agilität den größten Mehrwert liefern kann. Denn je unklarer Weg und Ziel sind, desto sinnvoller lassen sich agile Methoden einsetzen.

Glühbirne liegt vor weißem Untergrund. Über ihr befinden sich drei gelbe Steckklammern.
Innovation kommt nicht von ungefähr (Foto: Karla Vidal)

Agilität als Buzzword. Aber was steckt dahinter?

Agile Arbeitsmethoden werden immer öfter beleuchtet und umgesetzt. Die bekannteste Art des agilen Zusammenarbeitens ist das Scrum-Rahmenwerk. Der Wesenskern: Teams versuchen hier gemeinsam, flexibel auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren und aktiv-kritisch nach dem besten Lösungsweg für das jeweilige Problem suchen.

Auch wir bei D3 arbeiten schon länger agil im Scrum-Kontext – nicht erst seit der Covid-19-Pandemie. Denn unser Ziel, die Digitalisierung sozial zu beleuchten und die Digitalkompetenz sozialer Organisationen zu unterstützen, ist für sich genommen schon ein komplexes Problem. Es gibt keine einfachen Antworten darauf, sondern der richtige Weg kann nur durch Ausprobieren und Experimentieren gefunden werden.

Das Kernstück des agilen Arbeitens mit Scrum ist, dass sich sowohl unsere angestrebten Arbeitsergebnisse, unsere Arbeitsweise, unsere Ziele, aber auch die dafür notwendigen Planungen stetig weiterentwickeln: Damit dies gut gelingt, müssen klassische Ebenen der Zusammenarbeit und Rollenanforderungen an die Mitarbeitenden überdacht und angepasst werden.

  • In regelmäßigen Abständen (alle zwei Wochen) werden Arbeitsergebnisse und Ziele kritisch evaluiert und um neue Anforderungen ergänzt bzw. neu priorisiert. Geplant wird immer nur bis zum Ende des kommenden Intervalls. So haben wir die Chance auf Veränderungen oder neue Erkenntnisse reagieren zu können.
  • Dieses Vorgehen erfordert aber auch den Mut Entscheidungen permanent zu hinterfragen. Die Bereitschaft “Nein” zu sagen, wenn Dinge falsch laufen, bzw. besser laufen könnten, ist wichtig.
  • Gleichzeitig sind Offenheit und Respekt essentielle Bestandteile eines agilen Mindsets. Denn wenn Feedback ausgesprochen, aber nicht angenommen wird, ist nichts gewonnen.
  • Aufgaben werden nicht mehr “von oben nach unten”, sondern gemeinsam im Team verteilt. Dafür ist ein hohes Maß an Selbstorganisation und Eigenverantwortung eines jede:n Einzelnen essentiell. 
  • Transparenz ist zentral – damit alle wissen, was alle machen. Denn nur so kann das Wesentliche für jede:n ersichtlich sein.

Einen noch tieferen Einblick in das agile Arbeiten bekommt ihr in diesem Webinar der openTransfer Akademie: Unsere D3-Projektleiterin Katarina geht dabei auf’s agile Arbeiten in unserer Organisation ein – und beleuchtet, inwiefern und wann auch andere soziale Organisationen von Scrum & Co. profitieren können.

Und was jetzt?

Sollten wir jetzt alle agil arbeiten? Nicht unbedingt. Denn die richtige Arbeitsweise ist immer von der jeweiligen Situation und den Problemen, die ihr lösen möchtet, abhängig. Ist die Situation komplex oder chaotisch, liegt in agilen Methoden aber ein großes Potential.

Falls das so ist: Natürlich ist die Einführung einer neuen Art der Kollaboration nicht einfach. Andererseits bringt Chaos auch einen großen und einzigartigen Vorteil mit sich: Neue und innovative Lösungswege werden hier am schnellsten akzeptiert, denn Chaos ist der beste Treiber für Kreativität. Niemand verlangt, dass ihr eure Arbeitsweise von heute auf morgen komplett neu gestaltet – aber ein schrittweises Experimentieren mit agilen Methoden kommt euch auch nach der Krise zugute.

Ein deutscher Politiker sagte einmal: “Probleme sind dornige Chancen!” Ein Satz, der zu vielen Kontroversen geführt hat: Im Kontext der Anpassung der eigenen Arbeitskultur an die komplex-chaotische Corona-Situation geben wir ihm allerdings recht.

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Zum Weiterlesen

Konkrete Tipps zum Umsetzen des agilen Arbeitens findet ihr in den beiden nächsten Serien-Artikeln.

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