Mit Fachlichkeit und Witz auf TikTok

TikTok ist bekannt für Kurzvideos. Warum die Stiftung Deutsche Depressionshilfe trotzdem gerade dort postet und was andere aus den Erfahrungen des Teams lernen können, verrät Lisa Bäuerle.

Ein Smartphone, auf dessen Bildschirm ein Video der Stiftung Deutsche Depressionshilfe auf Tiktok zu sehen ist.

Foto: Geertje Wehry

Bevor das Social Media-Team der Stiftung Deutsche Depressionshilfe mit dem Bespielen der Social Media-App TikTok anfing, hatte es kaum Erfahrungen damit gemacht. Trotzdem machte es sich zur Aufgabe, ein Konzept für einen Auftritt dort zu entwickeln. „Die meisten von uns hatten eine Ahnung, was da passiert, aber hatten noch nie ein Video hochgeladen“, sagt Lisa, verantwortlich für Öffentlichkeitsarbeit und Jugendarbeit bei der Stiftung. Abhilfe sollte die D3-Level Up! Werkstatt 2022 schaffen. Mithilfe der Rebelko-Kreativagentur lernte das Team der Stiftung vor rund einem Jahr Tricks und Kniffe rund um die App kennen und erarbeitete ein Konzept für den Auftritt dort. „TikTok ist von außen nicht so leicht zu durchschauen“, hat Lisa beobachtet. Gerade deshalb sei der Workshop sehr wichtig gewesen, um die Funktion besser zu verstehen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betroffenen zu helfen und Wissen rund um Depressionen weiterzugeben.

Glühbirne

TikTok

Rund 20,9 Millionen Deutsche nutzen laut Mitteilung von TikTok die App mindestens einmal im Monat. Die App steht in den verschiedenen App-Stores kostenlos zur Verfügung. 41 Prozent aller TikTok-Nutzer:innen sind Teenager. Die aus China stammende App wird von Datenschützer:innen kritisch betrachtet.

Inzwischen befinden sich auf dem TikTok-Kanal der Stiftung bereits zahlreiche Posts. Fast 4500 Follower:innen und insgesamt rund 40.100 Likes hat das Team bisher generiert. Mit Unterstützung einer studentischen Hilfskraft lädt das Team etwa zweimal die Woche Inhalte hoch. Noch ein Kanal, den das Team neben der eigenen Webseite, Facebook und Instagram, bespielt. „Eines der Ziele von uns als Stiftung ist, das Thema Depression zu entstigmatisieren, aber auch zu zeigen, wo es Hilfe gibt. Die Informationen gibt es natürlich alle auf unserer Webseite, aber junge Menschen sind nun einmal viel auf Social Media unterwegs. Man sagt, dass etwa drei bis zehn Prozent aller Jugendlichen an einer Depression erkrankt sind. Auf eine Schulklasse gerechnet sind das ein bis zwei Schüler:innen. Die haben wir bisher über die klassischen Kanäle als Stiftung nicht erreicht“, meint Lisa.

Da informieren, wo die Jugendlichen sind

Die Idee sei ursprünglich aus dem Jugendbeirat gekommen, dessen Ziel es ist, gerade jüngere Menschen zu erreichen. „Auf Instagram sind wir sehr gut aufgestellt und haben eine gute Community aufgebaut, aber da sind Schüler:innen oder junge Menschen, die gerade die Ausbildung starten, nur wenig vertreten“, so die Erfahrung von Lisa. Außerdem würden sie sich von Inhalten wie „Erzähle ich meinen Kollegen von meiner Depression?“ nicht abgeholt fühlen. „Sie sind in einer ganz anderen Situation: Wohnen vielleicht noch zu Hause, merken, dass es ihnen nicht gut geht, aber wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen“, so Lisa. Diese jungen Menschen zu erreichen und ihnen aufzuzeigen, wo sie Hilfe bekommen, das sei wichtig.

Deshalb nutzte das Social Media-Team die Chance von Level-Up! und lernte von Rebekka von der Rebelko-Kreativagentur zunächst, wie der Algorithmus hinter der App funktioniert und analysierte, welche Chancen und Risiken für die Stiftung auf TikTok vorhanden sind. „Schließlich haben wir auch Formatideen entwickelt. Dazu gehört etwa „Drei Dinge“, aber auch fachliche Beiträge von Psychotherapeut:innen“, erläutert Lisa. Außerdem nutzt das Team auch bereits vorhandene Inhalte von Instagram, die übertragbar sind. „Es geht uns um Content, mit dem man sich identifizieren kann“, sagt Lisa. Auch Technik und ein Zeitplan waren Thema. „Wir sind da sehr strategisch rangegangen und dabei hat uns Rebekka mit ihrer Expertise sehr gut geholfen.“

Niemand muss vor die Kamera

Zur Identifikation der jungen Zielgruppe mit dem Inhalt soll auch beitragen, dass dieser jung ist. Aus diesem Grund setzt das Team auf studentische Aushilfen als Identifikationspersonen. Sie sind beispielsweise bei Aufzählungs-Posts wie „Fünf Frühwarnzeichen für eine Depression“ oder „Fünf Sätze, die du einer an Depression erkrankten Person sagen kannst“ zu sehen. Und auch der Jugendbeirat selbst zeigt sich auf dem Kanal. Er erzählt etwa, was sich Betroffene im Umgang mit ihnen und ihrer Erkrankung wünschen. Etwas ältere Gesichter sind zu sehen, wenn es um fachliche Inhalte wie Anzeichen für eine Depression oder fehlende Therapieplätze geht. Es sind Psycholog:innen und Psychiater:innen der Stiftung, die dann vor die Kamera treten. Laut Lisa wolle man dort ganz bewusst auf Expert:innen setzen, um die Fachlichkeit noch einmal hervorzuheben. „Vor die Kamera gezerrt wird allerdings keiner“, sagt Lisa lachend. Zu sehen ist nur, wer dazu auch Lust hat.

Lisa Bäuerle ist Teil des Teams für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Dort ist sie Ansprechpartnerin für Öffentlichkeits- und Jugendarbeit.

Porträt von Lisa Bäuerle: Eine junge Frau lächelt in die Kamera.

Online ging der Kanal im Mai, also knapp ein halbes Jahr nach dem Level-Up!-Workshop.  „Wir hätten uns auch noch ein halbes Jahr Zeit nehmen können, aber am Ende läuft es doch anders, als man denkt“, so die Erfahrung des Teams. Deshalb empfiehlt Lisa anderen: Einfach starten. Natürlich sei es wichtig, mit einer Art inhaltlichem Grundgerüst zu starten, um den Fokus nicht zu verlieren. „Die ersten Monate sehen wir als Lernphase“, so Lisa. Wie lange diese insgesamt dauern wird, sei allerdings noch nicht klar. Die Stiftung habe bereits auf Instagram die Erfahrung gemacht, dass diese sich über einen langen Zeitraum ziehen kann. „Da hatten sich die Follower:innenzahlen kaum weiterentwickelt. Aber sobald eine kritische Masse erreicht war, dann ging es los. Wann man die erreicht, weiß man vorher nicht“, sagt Lisa. Inzwischen sei die Community auf Instagram sehr aktiv und treu. Deshalb hat das Team auch für den TikTok-Auftritt keine Follower:innen-Zahl als Erfolgsziel gesetzt. „Unser Ziel ist es, junge Leute zu erreichen. Das tun wir bereits“, sagt Lisa.

Nicht nur für Likes posten

Das Team probiert zudem, vorbeugend in die Kommentare oder Caption der einzelnen Beiträge zu schreiben, an wen man sich wenden kann, wenn Hilfe benötigt wird. „Wir denken also mit, dass Menschen unsere Inhalte meist sehen, wenn es ihnen nicht so gut geht, weil sie in so einer Bubble auf TikTok drin sind“, sagt Lisa. Trotzdem: Die Inhalte sind nicht alle ernst, sondern auch mal locker geschauspielert. „Es geht auch darum, dass sich die Betroffenen verstanden fühlen“, meint Lisa. Gleichzeitig seien aber auch die fachlichen Inhalte, die vielleicht weniger gut laufen, wichtig. „Es gibt Menschen, die diese brauchen. Für uns funktioniert dieser Mix gut“, sagt sie. Grundsätzlich sei der Hashtag #Mentalhealth ein riesiges Thema innerhalb der App. Daher reagiert das Team auch darauf, wenn Accounts falsche Informationen zu Depressionen teilen. Fachlich korrekt wird dann höflich, aber bestimmt eingeordnet, wie es wirklich ist.

Ein weiterer Punkt, der dem Social Media-Team wichtig ist, ist die Moderation der Kommentare. „Wir lesen alle Kommentare und beantworten sie“, betont sie. Das sei insbesondere aufgrund der Thematik wichtig, gleichzeitig hilft es dabei, eine aktive Community aufzubauen. So finden Nutzer:innen unter Kommentaren Tipps, wo sie bei einer Depression Hilfe erhalten können. „Es ist schön zu sehen, dass es Menschen dabei hilft, den Weg zur Hilfe zu finden“, sagt Lisa. Bereits jetzt lässt sich unterhalb einiger Posts erkennen, dass eine Community entsteht. Und das Team fragt bei Kommentaren auch selbst fragt nach und gibt Tipps zum Verhalten rund um Depressionen. 

Die Beiträge selbst werden nicht „live“ produziert, sondern vorbereitet. Einen festen Zeitplan dafür gibt es nicht. Laut Lisa kann ein Beitrag zwei Wochen oder zwei Tage vor Veröffentlichung entstehen. „Wir kommen da so langsam rein“, sagt sie. „Das ist, glaube ich, ganz natürlich – auch unabhängig vom Thema – dass man sich so ein bisschen an das Medium gewöhnt.“

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