Data4Good: Wie soziale Organisationen von der Datennutzung profitieren können

Dass sich Effizienz und Effektivität mit Digitalisierung und Datennutzung steigern lassen, hört und liest man oft. So weit, so gut – aber wie kann das konkret aussehen? In unserer Artikelreihe zu Data4Good gibt Nina von CorrelAid e.V. Einblicke, wie der Dritte Sektor von Zeitgeist und technischem Fortschritt profitieren kann.

Foto eines 3D-Animation auf einem Konzert vor dunklem Hintergrund.

Während sich in der Wirtschaft in den letzten Jahren ein Verständnis für digitale Technologien wie Big Data und künstliche Intelligenz entwickelt hat, werden Gesellschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen hier bislang abgehängt. Deutlich wird das im Digital-Report 2020: So haben zwar 73 Prozent der befragten Organisationen bereits die richtige Strategie für ihr Wirkungsmanagement, aber nur 38 Prozent auch eine geeignete Datengrundlage, auf deren Basis sie ihre soziale Wirkung messen könnten. Letztlich können nur insgesamt 28 Prozent der über 5000 befragten Organisationen ihre Wirkung analysieren.

Dabei ist im sozialen Sektor Datennutzung nicht einmal kongruent zum Begriff Wirkungsmanagement, sondern geht noch weit darüber hinaus. Auch Daten zu Marketingkampagnen, zu Spender:innen, operationalen Prozessen oder aus externen Quellen können euch dabei helfen, eure gesellschaftliche Wirkung effektiver und effizienter zu erreichen. Geschäftsprozesse können ganz neu gedacht werden. Und das Beste ist: Die Nutzung von Daten ist (in den meisten Fällen) weitaus weniger kompliziert, als man denkt.

Foto: Johannes Müller, Gründer von CorrelAid e.V.

„Das Feld Data Science bietet in erster Linie ein Toolset um Informationen aus großen Datenmengen zu generieren: Diese helfen Entscheidungen zu optimieren und Prozesse zu verbessern. Es liegt an uns zu entscheiden, zu welchem Zweck wir diese einsetzen wollen und welche Werte uns dabei leiten.“

Johannes Müller, Gründer von CorrelAid e.V.

Effektiver Arbeiten

Als soziale Organisationen liegt euer Fokus stets auf dem Allgemeinwohl der Gesellschaft. Damit ihr dort mit eurer Arbeit auch die größten Effekte habt, ist es einerseits notwendig die Qualität euer Prozesse und Programme zu sichern und andererseits diese gezielt zu steuern.

Qualität sichern

Wenn ihr während eurer Projekte Daten dazu sammelt, inwieweit die bisherigen Ergebnisse euren Erwartungen entsprechen, könnt ihr rechtzeitig eingreifen, wenn es brennt. Nach außen könnt ihr diese Qualitätsstandards dazu nutzen, um Fördergelder zu erwerben oder Ehrenamtliche und eure Zielgruppe von euch zu überzeugen. Wie eure Zielgruppe euer Angebot bewertet, ist also nicht nur für euch ein toller Arbeitsqualitätsindikator, es ist auch die Grundlage, um bei der Zielgruppe tatsächlich etwas zu bewegen. Sind Teilnehmer:innen schon mit dem Unterrichtsmaterial der Nachhilfestunden unzufrieden, so wird das Nachhilfeprogramm später vermutlich geringere Veränderungen auf der individuellen Ebene aufweisen. Spannend ist es außerdem diese Kennzahlen mit den eingesetzten Ressourcen (Input) zu vergleichen.

Da Qualitätsindikatoren sehr regelmäßig erhoben werden, könnt ihr diese durchgehend aktualisieren. Statt eines Papierfragebogens bietet sich dazu die Möglichkeit zur Datenerhebung über mobile Endgeräte wie Smartphones oder Tablets an. Dazu muss eure Umfrage nur für mobile Endgeräte optimiert werden – bei den meisten Tools geht das über das Layout mit nur einem Klick. Teilnehmer:innen können die Umfrage dann über den Web-Browser ihrer Smartphones ausfüllen. Viele Umfragetools lassen sich zudem mit Analysesoftware verbinden, ganz ohne manuelle Downloads. Die Datenerhebungstools ONA oder das Open Source Tool der U.N. (Kobo Toolbox) können beispielsweise mit Tableau, einem Datenvisualisierungstool, verknüpft werden. So behaltet ihr über euer Projekt jederzeit den Überblick: Sobald eine neue Beantwortung eingeht, wird diese in eure Datenvisualisierungen integriert.

Grafik: Ein Monitoring Dashboard auf Basis von ONA und Tableau mit fiktiven Daten
Monitoring Dashboard auf Basis von ONA und Tableau mit fiktiven Daten.

Projekte lenken

Die Wirkung eurer Programme auf eure Zielgruppe(n) (Outcomes) und die Gesellschaft (Impact) solltet ihr ebenfalls über das gesamte Projekt im Blick behalten. Nur so können wirkungssteigernde Programmänderungen implementiert werden und Projekte, die eure Wirkungsziele nicht unterstützen, rechtzeitig neu durchdacht werden. Dabei unterscheidet sich die Evaluierung von fortlaufendem Monitoring insbesondere dadurch, dass nicht nur der Projektfortschritt, sondern eben auch Gründe, Ausmaß und Folgen von Interventionen ermittelt werden. Diese Evaluation sollte in der Regel durch externe Anbieter:innen erfolgen, um die Unabhängigkeit der Studie sicherzustellen. Es bieten sich also Kooperationen mit Universitäten oder ehrenamtlichen Datenwissenschaftler:innen, wie zum Beispiel dem Netzwerk von CorrelAid e.V.,  an.

Da solche Evaluationen in der Regel mit höheren Aufwendungen für Datenerhebung und -analyse verbunden sind, stellt sich hier die Frage der Automatisierung von generierten Reports, die jährlich oder halbjährlich erfolgen. Vorbei sind Zeiten, in denen ähnliche Daten immer wieder mühsam manuell aufbereitet werden: Sobald Ihr Eure Umfragen soweit habt, dass Ihr sie immer wieder in einem ähnlichen Format wiederholt, könnt Ihr die Ergebnisse der Umfragen über eine API (Schnittstelle) direkt in eure Analysetools einpflegen. Solche automatisierten Reports lassen sich sehr gut mit Python oder R, den go-to Programmiersprachen für Data Scientists, umsetzen. Beide Programmiersprachen enthalten verschiedenste Libraries (zu deutsch: Bibliotheken, eine Sammlung an verschiedenen Funktionalitäten), mit denen sich Arbeitsschritte abbilden lassen.

In unserem Weltladen-Projekt haben wir mit dieser Technologie mehrtägige, manuell in Microsoft Word ausgeführte Reportingprozesse auf einen Zeitaufwand von zwei Stunden reduzieren können – mehr dazu im nächsten Artikel dieser Serie.

Legitimation

Daten, Zahlen, Fakten – mittlerweile werden in den meisten Förderverträgen Indikatoren verlangt, über die Geförderte während der Projektlaufzeit berichten müssen. Impact Investing bestimmt als globaler Trend auch in Deutschland immer mehr, wie Gelder verteilt werden. Auch Stiftungen und sogenannte Family Offices (private Großvermögen) ändern ihre Förderstrategie: Ihr Fördervolumen macht im Jahr 2020 etwa die Hälfte des Impact Investing Fördertopfs in Höhe von 6,5 Mrd. Euro aus. Wenn ihr euch auf solche Förderungen bewerben möchtet, braucht ihr datenfundierte Wirkungsnachweise.

Effizienter Arbeiten

Neben den Kernbereichen Fundraising und Wirkungsmanagement sind Daten noch für ganz andere Themenbereiche relevant. Mit manueller Arbeit stößt jede Organisation irgendwann an ihre Grenzen, denn eure Ressourcen sind begrenzt. Wie könnt ihr diese möglichst effizient nutzen?

Neu-Denken von Prozessen

Euer Organisationswachstum ist 2020 nicht mehr an personelle Grenzen gebunden. Digitalisierung, Technologisierung, Data Science – all das sind Instrumente, mit denen ihr euch effektiver und effizienter für das Gemeinwohl engagieren könnt. Schon Steve Jobs bezeichnete Computer als „Bicycles of the mind“.

Besteht eure Mission in der Aufklärung von Poltiker:innen zu kritischen Verschuldungsgraden der Welt, dann könnt ihr manuell Visualisierungen erzeugen, um diese für eure Advocacy-Arbeit zu nutzen. Oder ihr profitiert von Web Scraping, einer Technologie, die ermöglicht, öffentliche Daten automatisiert aus dem Netz zu sammeln. Diese Daten können dann über eine Web-Applikation aufbereitet und visuell ansprechend auf eurer Webseite veröffentlicht werden. Wie hier.

Grafik: Interaktive Karte, die überschuldete Staaten weltweit abbildet
Interaktive Karte: Überschuldete Staaten weltweit. (Screenshot: Erlassjahr.de)

Skalierung

Das vorangegangene Beispiel stützt allerdings nur eure Aktivitäten im Bereich Advocacy. Mit Politiker:innen zu sprechen und Unterschriften für Petitionen zu sammeln, lässt sich natürlich nur bedingt automatisieren. Ihr könnt neue Technologien jedoch auch dazu nutzen, eure Prozesse ganz neu zu denken und sie damit skalierbar zu machen. Besteht eure Mission aus der Vermittlung von Kursen an Umweltschützer:innen (oder -Profis), so könnt ihr Anfragende manuell mit Betreuer:innen zusammenbringen – oder ihr ermöglicht die Durchsuchbarkeit eures Kurskatalogs online und vergrößert damit eure Reichweite um ein Vielfaches.

Datengestützter Online-Kurskatalog. (Screenshot: Umweltprofis.ch)

Schlusswort

Die Netflix-Dokumentation „The Social Dilemma“ bringt es auf den Punkt: Produkt von Google, Facebook & Twitter sind die marginalen Verhaltensänderungen in der echten Welt, die Marketingkampagnen bei euch als Nutzer:innen auslösen. Das Wohlbefinden des Users hat dabei niemand im Sinn. Im sozialen Sektor ist der Fokus ein anderer: Als soziale Organisationen dienen euch Daten als Instrument (“Bicycle”) zur effektiveren und effizienteren Erreichung eurer gesellschaftlichen Vision. Ihr seid nicht nur mit Kopf, sondern auch mit Herz bei der Sache. Daten zu generieren ist dabei nicht für eure individuellen Zwecke von hoher Bedeutung. Ihr könnt damit im Zusammenschluss und durch die Veröffentlichung eurer Erkenntnisse und Daten auch die Zivilgesellschaft unterstützen, Daten für die effektivere und effizientere Steigerung des Gemeinwohls und nicht nur als Treiber wirtschaftlichen Wachstums zu nutzen.

Ihr seid neugierig geworden? CorrelAid e.V. berichtet in einem monatlichen Newsletter über die Arbeit mit Daten für den guten Zweck. Zur Anmeldung geht es hier.

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