Katarina Peranić: Corona hat für eine Art Turbo- Digitalisierung gesorgt

Die Engagierten in Deutschland brauchen mehr Unterstützung: Davon ist die ehemalige geschäftsführende Vorständin der Stiftung Bürgermut und D3-Erfinderin Katarina Peranić überzeugt. Bei der Deutschen Stiftung für Ehrenamt und Engagement will sie weiter dazu beitragen.

Portraitfoto von Katarina Peranic in Neustrelitz.

Lange war öffentlich über Katarina Peranićs neue Arbeitgeberin diskutiert worden. Doch als die Arbeit dann starten sollte, gab es noch nicht einmal einen Briefkasten fürs Büro. Den hat die Gründungsvorständin der Deutschen Stiftung für Ehrenamt und Engagement zwar inzwischen, genutzt wird er aber trotzdem nicht: „Im Moment kommt die Post hier kistenweise an“, lacht Katarina, „dafür wäre jeder Briefkasten zu klein.“ Im Juli hat die Stiftung die Arbeit aufgenommen und als eine der ersten Amtshandlungen ein Förderprogramm auf den Weg gebracht, für das sich Organisationen bis Anfang November 2020 bewerben konnten – mit den hunderten Anträgen, die daraufhin jede Woche in Neustrelitz ankommen, hatte wohl niemand gerechnet.

Vereine verschwinden, weil der Nachwuchs fehlt

Wer mit der 43-Jährigen spricht, merkt schnell: Das Neue, Unerwartete ist gerade genau das, was sie an ihrer Arbeit mag. Sie ist spürbar begeistert davon, wie arbeitsintensiv ihr neuer Job ist, für wieviel der erste Aufschlag der Stiftung sorgt. Auch, weil sie weiß, wie dringend all das gebraucht wirkt. „Es gibt 30 Millionen Menschen in Deutschland, die sich engagieren; das ist ein unglaublicher Schatz. Aber die allermeisten Vereine und Organisationen teilen dieselben Probleme: Es gibt immer weniger Menschen, die bereit dazu sind, ein Amt und damit noch einmal mehr Verantwortung zu übernehmen. Rund 15.000 Vereine haben sich deshalb in den vergangenen Jahren aufgelöst. Und es ist mühsam, dauerhafte Strukturen aufzubauen oder zu erhalten, weil wir komplizierte Förderstrukturen und Vorgaben haben. Da wollen wir ansetzen.“ 23 Millionen Euro hat die Stiftung bis zum Ende des Jahres zu vergeben, drei Förderbereiche hat sie definiert: Projekte zur Nachwuchsgewinnung, Digitalisierung und Innovationsstärkung in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Bis zu 100.000 Euro können beantragt werden; für Hardware, Software, Personal oder Qualifizierung – „im Grunde alles, was benötigt wird“, so Katarina, „auch Corona-Hygienekonzepte, damit Mobilität und Kontakt erhalten werden können“.

Was die Zivilgesellschaft braucht: Davon hat Katarina eine ziemlich klare Vorstellung. Seit 2004 arbeitet sie in Organisationen zum Thema Engagement. Bevor sie als Vorständin zur Engagementstiftung ging, hat die Politikwissenschaftlerin und zertifizierte Stiftungsmanagerin 12 Jahre lang im Vorstand für die Stiftung Bürgermut, bei der auch D3 angesiedelt ist, gearbeitet. Dass das Engagement in Deutschland ihr Lebensthema werden würde, sei gar nicht geplant gewesen, erinnert sich. Die Tochter kroatischer Eltern, die als Gastarbeiter nach Stuttgart kamen, hatte sich lange intensiv mit dem Balkan-Konflikt beschäftigt und mit der Frage, wie wichtig eine starke Zivilgesellschaft für eine stabile Demokratie ist „Ich habe mich beruflich lange viel eher in Südosteuropa gesehen. Aber dann kam ein Studentenjob und ich bin in Deutschland hängengeblieben.“

Und schließlich immer wieder beim Thema Digitalisierung und Engagement gelandet. Bei der Arbeit für die Stiftung Bürgermut habe sie immer wieder festgestellt, „wie viele tolle Projekte es gerade von Jüngeren gibt, mit innovativen Tools und Strukturen“. Dass ein wichtiger Förderbereich der neuen Ehrenamtstiftung nun die Digitalisierung ist, ist für Katarina nur logisch. „Die Corona-Pandemie hat in den letzten Monaten eine Art Turbo-Digitalisierung mit sich gebracht: Auf einmal wurden ganz viele Projekte digital, viele Engagierte haben online den Kontakt gehalten und ihre Projekte neu erfunden – eben digital.“

Textgrafik. Text: "Drei Fragen an Katarina  Was ist deine aktuelle Lieblings-App? Die Corona-Warn-App. Ich bin so viel unterwegs, deshalb besteht da leider viel Bedarf.  Auf welche Begleiterscheinungen der Digitalisierung  könntest du am ehesten verzichten? Spam, Malware und Viren.  Angenommen, du wärest für einen Tag Digitalministerin:  Was wäre deine erste Amtshandlung? Ich würde endlich den Breitbandausbau umsetzen."

Arbeiten ohne vernünftige Infrastruktur

Dabei sei aber auch deutlich geworden, wieviel Luft nach oben es bei der digitalen Zivilgesellschaft noch gebe. „Wie oft haben Vereine gar keine professionelle Emailadresse, sondern nutzen den Privataccount der Vorsitzenden? Es fehlt an Hardware, an Infrastruktur und oft auch an Kompetenzen.“ Nicht für jeden Verein sei das von zentraler Bedeutung. „Natürlich ist für einen Sportverein in einer ländlichen Region in der Pfalz die Ausstattung mit Trikots drängender als eine digitale Mitgliederverwaltung, das soll und wird sich auch nicht ändern. Aber an ganz vielen Stellen erleichtert die Digitalisierung die Arbeit der Aktiven.“ Gerade jetzt, in einer Phase, in der direkte Kontakte so weit wie möglich minimiert werden sollen, biete die Technik gute Alternativen – auch wenn sie festgestellt habe, dass nach einer ersten Phase der Zoom-Begeisterung Müdigkeit eingesetzt und das gute alte Telefon ein Revival erlebt habe, sagt Katarina lachend.

Insgesamt brauche es wohl ein neues „Mindset“; die Erkenntnis, wie groß die Möglichkeiten digitaler Hilfsmittel seien und wie sehr sie die Arbeit der Zivilgesellschaft erleichtern könnten. Die Digitalisierung sei ein „kontinuierlicher Veränderungsprozess“, der alle Lebensbereiche der Gesellschaft betreffe, „egal, ob Gesundheit, Bildung, Arbeit oder Mobilität“. Für den so genannten Dritten Sektor sei das eine große Herausforderung: Die Zivilgesellschaft bestehe erfahrungsgemäß aus drei sehr unterschiedlichen Gruppen. Während die „digitalen Novizen“ vor allem auf erprobte Vorgehensweisen und Engagementtraditionen setzten, seien viele renommierte Akteur:innen „digitale Pionier:innen“, die schon vertraut seien mit den Schnittstellen von tradiertem Engagement und Digitalisierung. Die dritte Gruppe der „digitalen Spezialist:innen“ bestehe hauptsächlich aus jungen, flexiblen Initiativen, die gut vernetzt in der digitalen Szene seien und auf moderne Methoden setzten. Ihnen allen, mit ihren ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, Vorbehalten und Vorgehensweisen Unterstützung geboten werden – dafür brauche es vor allem Mut, Ausdauer, Kompetenzen – und Investitionen.

Wissen austauschen – auf Augenhöhe

Bei der Stiftung Bürgermut hat Katarina sich deshalb das unter anderem D3 – so geht digital ausgedacht. Das damalige Ziel: Gemeinnützige Organisationen und Social Startups auf dem Weg in den digitalen Wandel zu unterstützen. Katarina ist davon überzeugt, dass Engagierte am besten voneinander lernen. Das Stiftungsprojekt sei vor allem dafür gedacht, Wissen in der Zivilgesellschaft verfügbar zu machen. „Aber nicht oberlehrerhaft, sondern in einem ganz intensiven Austausch von Partner:innen auf Augenhöhe. Denn wenn ehrlich miteinander darüber gesprochen wird, welche Fehler einem etwa im Bereich Digitalisierung schon passiert sind, wenn Leute sagen ,dieses würden wir wieder so machen, jenes aber auf gar keinen Fall’, dann hilft das immens.“ 

Foto vom ersten D3-Community-Event: Katarina Peranić stellt auf der Bühne D3 vor.
Back in the days: Als damalige D3-Projektleiterin und Geschäftsführerin der Stiftung Bürgermut moderiert Katarina das erste D3-Community-Event im Juni 2019. (Foto: Andi Weiland)

Diese Überzeugung hat sie auch in den neuen Job mitgenommen. Offenheit und eine gute Fehlerkultur braucht es hier genauso wie überall, vielleicht sogar ein bisschen mehr. Denn der Stiftung wird nicht nur Begeisterung entgegen gebracht, sie hat schon im Vorfeld viel Kritik einstecken müssen. Das liegt wohl auch an ihrer Entstehung: Jahrelang wurde über die Gründung diskutiert, über die konkrete Ausgestaltung gab es immer wieder Dissens. Nun wird die Stiftung von drei Ministerien (Innen-, Familie- und Landwirtschaftsministerium) finanziert – und aus den Reihen der Zivilgesellschaft gab es Vorbehalte: Sie sei eine Konkurrenz und Dopplung zu regionalen Strukturen, schaffe einen bürokratischen Wasserkopf und könne viel zu wenig Geld bereitstellen.

Selbst der Standort Neustrelitz – bewusst gewählt, um die Bedeutung des Engagements für den ländlichen Raum zu unterstreichen – sorgte für Unmut: Dort sei es gar nicht möglich, ausreichend qualifiziertes Personal für die wichtigen Aufgaben zu finden. Sie kenne die Vorbehalte, sagt Peranić, und suche gemeinsam mit dem Co-Vorstand Jan Holze intensiv das Gespräch mit den Skeptiker:innen. Sie sagt: „Wir wollen die zentrale Anlaufstelle für alle bürgerschaftlich und ehrenamtlich Engagierten in Deutschland werden -– und dabei natürlich mit den bestehenden Strukturen kooperieren. Es wäre ja fahrlässig, darauf zu verzichten.“ Und die Vorbehalte gegen den Standort seien bereits widerlegt: Für die 75 Stellen habe es hunderte Bewerbungen gegeben.

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