Die Welt der Open Source Software

Immer wieder heisst es, Open Source Software sei das, was die Zivilgesellschaft nutzen sollte. Aber was genau ist das eigentlich? In unserer neuen Serie tauchen wir tiefer in die Open Source Bewegung ein und schauen hin, was hinter offenem Quellcode, GNU-Lizenzen und vielen gängigen Programmen steht.

Nora Lassahn und Sebastian Gillwald sitzen auf einem langen roten Sofa, beide arbeiten an ihrem Laptop mit Jitsi, einem OpenSource Programm.

Fotocredit: openTransfer.de | Philipp Ziebart

Es wurde schon viel über Open Source und freie Software geschrieben. Oft werden dabei die Vorteile für die Gesellschaft hervorgehoben, wie zum Beispiel digitale Souveränität, Stärkung des Gemeinwohls, nachhaltiges Wirtschaften (insbesondere bei öffentlichen Software-Projekten) und vieles mehr. Doch obwohl der Gedanke von Open Source bereits seit den Anfängen der Softwareentwicklung in der Welt ist, dominiert auch heute noch in
den meisten Bereichen proprietäre closed Source Software.

Open Source-Software scheint weithin ein Nischendasein zu führen. Mit diesem Beitrag starten wir eine dreiteilige Artikelserie. Wir wollen uns mit der Frage beschäftigen, wie Open Source-Software entsteht, wie sie uns nützen kann und was wir beachten müssen. Wir, das sind Christian, der als Senior Softwareentwickler beinahe täglich mit Open Source zu tun hat und Kai, der als Consultant schon häufiger den Problemen bei der Einführung von Open Source-Software begegnet ist.

Was genau ist eigentlich Open Source Software und wie entsteht sie?

Freie Software begegnet uns im Alltag häufiger als wir vielleicht denken. Dabei wird der Begriff ‚Open Source‘ oft auch als Synonym verwendet. Bevor wir also einen Blick auf bekannte Vertreter freier Software werfen, schauen wir uns den Begriff „frei“ noch einmal genauer an. Das „frei“ in freier Software meint freiheitlich – und nicht zwingend kostenlos. Richard Stallman brachte es mit dem denkwürdigen Zitat „free as in speech not free as in beer“ (Sinngemäß: Frei wie in Meinungsfreiheit, nicht wie in Freibier) auf den Punkt. Davon abzugrenzen ist die so genannte Freeware. Dabei handelt es sich meist um kommerzielle Software, die für den privaten Gebrauch kostenlos genutzt werden kann. Diese ist hier explizit nicht gemeint. Mehr zu diesem Thema gibt es hier.

Damit Software wirklich frei sein kann, also alle damit tun und lassen können, wie es ihnen beliebt, muss der Quelltext (source code) offen (open) zugänglich sein. Daher kommt der Begriff „Open Source“. Die Offenlegung des Quelltexts allein reicht aber noch nicht um Software frei verfügbar zu machen. Der Quelltext muss auch mit einer entsprechenden Lizenz versehen werden. Es gibt viele verschiedene Open Source-Lizenzen. Das entscheidendste Merkmal ist jedoch, ob es sich um eine eine virale oder nicht-virale Lizenz handelt. Eine virale Lizenz erlaubt Entwickler:innen Änderungen an der Software nur dann, wenn die Änderungen auch wieder öffentlich zugänglich gemacht werden. Richard Stallman geht sogar soweit zu sagen, dass nur Software mit viralen Lizenzen wirklich frei ist.

Eine nicht-virale Lizenz erlaubt den Quelltext der Software zu nutzen und zu verändern ohne diesen wieder öffentlich machen zu müssen. Die bekannteste Vertreterin der viralen Lizenzen ist die GNU General Public License (GPL) und bei den nicht-viralen ist es die MIT-Lizenz. Beide haben Vor- und Nachteile, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen und der Einfachheit zuliebe beide Modelle als freie Software bezeichnen wollen. Wer dennoch vertiefend einstiegen will, kann hier weiterlesen.

Stiftungen hinter bekannten Open Source Anwendungen

Nach diesem Exkurs zu Freiheit, Lizenzen und Bier stellt sich die Frage, wie und von wem freie Software entwickelt wird. Dabei unterscheiden wir zwischen dem Stiftungsmodell, der Entwicklung durch Firmen und einer Community als treibende Kraft. Die meisten kennen Firefox, LibreOffice und haben schon einmal etwas von diesem ‘Linux’ gehört, das angeblich alle Hacker:innen benutzen. Was diese drei Projekte gemeinsam haben, ist die Förderung und Finanzierung der Entwicklung durch Stiftungen. Die Linux Foundation bezahlt die Hauptentwickler:innen von Linux, allen voran Linus Torvalds, dem Linux nicht nur den Namen zu verdanken hat. Die Mozilla Foundation steht hinter prominenten Vertreter:innen freier Software wie dem Browser Firefox, dem E-Mail-Programm Thunderbird und anderen Produkten. The Document Foundation treibt die Entwicklung von LibreOffice und den zugehörigen offenen Dokumentformaten voran, mit denen auch dieser Artikel entstanden ist.

Stiftungen werden hauptsächlich über Spenden finanziert. Theoretisch können wir alle einer solchen Stiftung Geld spenden, praktisch gibt es oft einige wenige Großspender:innen. Bei der Mozilla Foundation führt dies immer wieder zu Kontroversen, da Google als Hauptsponsor von Mozilla gleichzeitig einer ihrer größten Konkurrenten auf dem Browser-Markt ist. Somit sind sie von dessen Wohlwollen abhängig. Die Linux Foundation hingegen finanziert sich hauptsächlich über Mitgliedsbeiträge der beteiligten Firmen.

Firmengetriebene Open Source Lösungen

Firefox und LibreOffice sind für die meisten Menschen direkt sichtbar und gerade im privaten Bereich eine Alternative für Standardprogramme des Betriebssystems wie Microsoft Edge, Apple Safari oder kostenpflichtige Programme wie Microsoft Office und Apple iWork Suite. Linux ist für die meisten Menschen eher im Hintergrund anzutreffen, zum Beispiel auf Servern. Am häufigsten begegnet uns Linux in Form von Android auf Smartphones oder ChromeOS auf ChromeBooks.

Damit kommen wir zu Open Source-Software, die von Firmen direkt entwickelt wird, wie eben Android durch Google, die dafür eigene Entwickler:innen beschäftigen. Der Source-Code wird dann (ohne die Google Dienste wie Maps, Youtube und Gmail) zur freien Verfügung gestellt. Dadurch konnten Projekte wie LineageOS als Open Source Betriebssystem für Endgeräte entstehen. Sie führen zwar noch eher ein Nischendasein, erfreuen sich aber unter Softwareentwickler:innen und anderen Begeisterten großer Beliebtheit.

Open Source Projekte freiwilliger Teams

Das bringt uns zum dritten Modell der Open Source-Softwareentwicklung. Hier entwickeln (in der Regel kleine) Teams von Freiwilligen eine Software, pflegen sie und passen sie beständig an. Namhafte Vertreter:innen sind das Bildbearbeitungsprogramm GIMP (GNU Image Manipulation Program) und die Open Broadcaster Software OBS Studio. Letzteres hat vor allem in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen, da immer mehr Menschen ihr Videospielerlebnis auf Streamingplattformen mit der ganzen Welt teilen oder gezwungen waren, Live-Events ins Digitale zu verlegen.

So unterschiedlich diese Modelle auch scheinen, sie haben meist zwei Dinge gemeinsam. Ein begrenztes Kontingent an finanziellen oder zeitlichen Ressourcen und eine Gemeinschaft von Menschen, die an der Weiterentwicklung arbeiten. Dies spiegelt sich dann häufig auch direkt in ihrer Entwicklung wieder. Von Firmen gestützte Projekte haben meist sehr konkrete Anwendungsszenarien, Strukturen und einen gewissen Grad an Professionalisierung der Arbeitsweise. Stiftungen und Communities sind demgegenüber sehr stark abhängig von ihren Spender:innen (meist von Nutzer:innen) und ehrenamtlichen Entwickler:innen, weshalb diese beiden häufig einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung nehmen können. Hier liegen übrigens auch schon die ersten Vorurteile, denen Open Source-Software häufig begegnet:

Anführungszeichen

„Open Source-Software wird ja meist von Hobby-Programmierer:innen entwickelt, die zu selbstzentriert sind, die Interessen ihrer User:innen im Blick zu halten. Niemand weiß, ob es das Projekt nach drei Jahren noch gibt oder nicht drei konkurrierende daraus geworden sind!?“

Die Vorstellung, dass sich Open Source-Projekte zerstreiten ist eher anekdotenhaft als ein reales Problem. Das bedeutet aber nicht, dass Community-Management eine leichte Aufgabe ist. Häufiger kann es passieren, dass ein Projekt einschläft, da die beteiligten Personen mittlerweile anderen Aufgaben nachgehen oder die Firma dahinter nicht mehr existiert. Glücklicherweise können solche Projekte leicht von anderen übernommen werden, da der Source-Code ja offen ist. Auch die Befürchtung, dass es sich bei Open Source-Projekten um die Arbeit von Laien handelt, ist zumindest bei Anwendungssoftware eher unbegründet.

Wie wir Open Source Projekte fördern können

Was die Frage des Einflusses durch User:innen angeht: Da sind wir alle ein Stück weit für den Erfolg oder Misserfolg mitverantwortlich, denn Open Source lebt vom Mitmachen. Dafür sind nicht zwingend Programmierkenntnisse erforderlich! Ein Fehlerbericht oder der Wunsch nach einer neuen Funktionalität kann bei vielen Projekten von allen eingebracht werden. Über die Umsetzung entscheiden dann die verfügbaren Ressourcen des Projekts. Gibt es keine Fehler zu berichten oder Wünsche nach neuen Funktionalitäten: spendiert den Entwickler:innen doch eine virtuelle Tasse Kaffee. Diese kleine Anerkennung zeigt, dass die Software geschätzt wird und mehr als Applaus zurückkommt.

Im nächsten Teil wird es praktisch. Wir schauen, wie ihr Open Source-Software für die eigenen Bedürfnisse einsetzen könnt und welche Probleme dabei auftreten können.

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Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz.

Die Autoren

Kai Gärtner Profilbild, im blauen Hemd und Jackett vor einer grauen Wand.

Kai Gärtner ist Diplom-Informatiker und seit vielen Jahren in verschiedenen Organisationen engagiert. Zuletzt war er im Team von Schnell-Helfen e.V. an der Entwicklung einer Plattform zur Unterstützung von Ehrenamtlichen und Betreiberorganisationen in der Begleitung von Geflüchteten beteiligt. Kai war mehrere Jahre am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft tätig, seit 2021 arbeitet er beim IT Dienstleistungszentrum Berlin mit dem Schwerpunkt eGovernment und Fachverfahren der Berliner Verwaltung.

Christian Baer ist studierter Informatiker und arbeitet seit 2014 hauptberuflich als Softwareentwickler im E-Commerce. In dieser Zeit hat er an Frontend, Backend und Infrastruktur gearbeitet und ist dabei regelmäßig in der Open Source-Welt unterwegs. Darüber hinaus ist er passionierter Linux- und Open-Source-Nutzer.

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