Stockfotos: Eine Abbildung der Realität?

In unserem Alltag auf Social Media begegnen sie uns täglich: die Stockfotos. Sie vermitteln vermeintliche Realitäten, die sich in unser Gehirn einbrennen. Aber wie „echt“ sind diese Stockfotos eigentlich – und bilden sie wirklich die Realität ab?

Zwischen den Blättern einer Monstera-Grünpflanze hält eine Hand eine Spiegelreflex-Fotokamera in die Luft.

Foto von Lilly Rum auf Unsplash

In diesem Beitrag beleuchten wir Stockfotos und die Verwendung dieser in den Sozialen Medien und der Werbung und sprechen darüber, welche Machtverhältnisse und Diskriminierungssystematiken dahinterstecken.

Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft

Machtverhältnisse sind historisch gewachsen und sind an bestimmte (gesellschaftlich konstruierte) Merkmale gebunden. Hierdurch entsteht automatisch ein Machtgefälle zwischen verschiedenen Menschen, welche zu Diskriminierung der einen Gruppe und Privilegien für die andere Gruppe führen. Wenn eine Person Macht besitzt, muss gegenüber also auch immer eine Person stehe, die keinen Macht besitzt. Denn Macht braucht immer Gegenspieler:innen – wie eine Wippe.

Eigene Darstellung, basierend auf einer Grafik vom Kulturshaker

Diese Diskriminierungen können auf verschiedenen Ebenen stattfinden:

#1 Individuelle Diskriminierung:

Einzelpersonen werden auf Grund bestimmter Merkmale diskriminiert.

#2 Institutionelle Diskriminierung:

Menschen werden auf der Ebene von Organisationen benachteiligt. Das heißt, bestimmte Menschen werden von Organisationen und Institutionen regelmäßig benachteiligt.

#3 Strukturelle Diskriminierung:

Eine strukturelle Diskriminierung liegt vor, wenn Menschen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene ausgegrenzt werden.

Und was haben Stockfotos damit zu tun?

Wenn wir jeden Tag ein gewisses Bild von einem „perfekten“ Menschen oder Körper vermittelt bekommen, beeinflusst das unser Denken (über uns selbst). Denn Bilder sind nicht nur einfach Bilder, sondern konstruieren eine vermeintliche „Realität“ und beeinflussen unsere Wahrnehmung. Das große Problem hierbei ist, dass Bilder eben nicht die Realität abbilden. Gleichzeitig werden bestimmte Macht- und Diskriminierungsverhältnisse mit ihnen reproduziert. In der Vereinsarbeit kann uns das zum Beispiel betreffen, wenn wir nur Bilder von weißen, jungen Menschen posten. Dies kann nach Außen so wirken, als ob auch nur diese Menschen im Verein erwünscht sind und keine Diversität innerhalb des Vereins besteht. Auch könnten sich Menschen mit einer Behinderung fragen, ob sie im Verein erwünscht wären.

Es ist wohl kaum Zufall, dass in einer Werbung für Waschmittel meist weibliche Schauspielerinnen eingesetzt werden, die die „perfekte Hausfrau“ widerspiegeln sollen. Es werden Klischees reproduziert, die der Gesellschaft sagen: „Das ist der ‚richtige‘ und ’normale‘ Weg. So soll es sein, so ist es gut.“ Und genau aus diesem Grund müssen wir bei unserer (Öffentlichkeits-)Arbeit darauf achten, diese Klischees nicht zu erfüllen und dafür sorgen, dass sich alle Menschen willkommen fühlen (soweit dies möglich ist).

Außerdem helfen Stockfotos ja auch gar nicht für unsere Sichtbarkeit online…

… denn mittlerweile haben wir ein gutes Auge für Stockbilder und scrollen schnell drüber. Da hilft es auch gar nicht, ein perfektes Stockfoto zu nehmen um die Aufmerksamkeit eines:r Follower:in zu gewinnen. Lieber Mut zu mehr Unperfektheit und Bühne frei für die Diversität unserer Vereinsmitglieder!

Aber wie können wir dies aufbrechen?

In den letzten Jahren hat sich bereits viel in der Art und Weise von Werbung und Medien verändert. Es gibt zahlreiche gute Beispiele, an denen wir uns orientieren können. Als gemeinnützige Vereine haben wir neben der eigentlichen Arbeit auch immer einen Auftrag in der Öffentlichkeit. Denn wir engagieren uns meist dort, wo es der Staat nicht tut. Wir haben also die Chance, als gutes Beispiel voranzugehen und diese Machtverhältnisse aktiv aufbrechen.

  1. Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an Webseiten und Stockbildern, die auf Diversität spezialisiert sind und ein diverses Portfolio vorweisen können. Du möchtest mehr dazu wissen? Dann schau dir doch diesen D3 Blogbeitrag an.
  2. Ihr wollt eigene Stockfotos produzieren? Dann engagiert doch einfach mal Fotograf:innen aus marginalisierten Gruppen und gebt ihnen hierdurch eine Stimme.
  3. Achtet selbst darauf, Klischees nicht selbst immer wieder zu reproduzieren. Ein Bild von einer blinden Person sollte also beispielsweise nicht immer nur bei behinderungsspezifischen Themen eingesetzt werden. Sie kann zum Beispiel auch einfach mal Teil einer Kampagne für digitale Teambuildingevents sein.

Und was kann ich tun, um geeignete, diverse Bilder zu erkennen und diese zu verwenden?

Um diskriminierende, marginalisierende Bilder zu erkennen und zu vermeiden, muss die eigene machtkritische Auseinandersetzung (weiter)entwickelt werden. Hierfür ist neben dem theoretischen Verständnis auch ein methodisches Wissen von großer Bedeutung. Man muss die Thematik verstehen, um Verflechtungen im Alltag zu erkennen und zu begreifen, wie man dies aufbrechen kann.

„Für das Entwickeln einer machtkritischen Haltung ist es wichtig, zu wissen, was genau ich
kritisiere, was ich verändern und erreichen will. Ich muss ein Verständnis für das
Machtverhältnis bzw. die Verflechtung von Machtverhältnissen entwickeln, muss dies für
mich ausformulieren und auf konkrete Situationen anwenden können.“
Quelle: http://portal-intersektionalitaet.de/uploads/media/Goel_und_Stein_Bildungsarbeit_01.pdf

Der erste Weg dorthin ist, sich über die verschiedenen Diversity Dimensionen klar zu werden, um diese im Alltag zu erkennen

Die Diversity-Dimensionen

Das Diversity-Konzept hat seinen Ursprung in der Bürgerrechtsbewegung in den USA und beschäftigt seitdem viele Soziolog:innen, die versuchen Vielfalt in einem Konzept darzustellen. In den letzten 50 Jahren haben sich hierbei 7 verschiedene Diversity-Dimensionen herausgestellt.

#1 Alter

Das Alter kann auf unterschiedliche Art zu Diskriminierungen führen. Während jungen Menschen beispielsweise ihre Kompetenzen auf Grund fehlender Erfahrung abgesprochen werden, wird älteren Menschen beispielsweise unterstellt, weniger flexibel zu sein, oder Dinge auf Grund ihres Alters nicht mehr zu verstehen. Auf Stockfotos werden ältere Menschen so z.B. oft als „schwach“ und „hilfebedürftig“ dargestellt, während kaum jüngere Menschen als „kompetente Manager:innen“ abgebildet werden.

#2 Geschlecht und geschlechtliche Identität

Diese Kategorie beinhaltet neben der Diskriminierung von Frauen auch die von nicht-binären (keinem Geschlecht zuordenbar) oder trans Personen. Diese werden auf Grund der patriarchalen Machtstrukturen unserer Gesellschaft unterdrückt, was sich beispielsweise im Gender-Pay-Gap oder der Besetzung von hohen Positionen in Firmen oder der Politik widerspiegelt. Bezogen auf Stockfotos wurde die Reproduktion von Stereotypen bereits am Beispiel der Haushaltswerbung aufgezeigt.

#3 Körperliche und geistige Fähigkeit

Menschen mit einer Behinderung stoßen im Alltag auf unterschiedliche Hürden, von Teilhabechancen an Bildungsangeboten und gesellschaftlichem Leben hin zu Repräsentanz im Alltag und den Medien. Stockfotos von Menschen mit Behinderung werden oft nur bei behinderungs-spezifischen Beiträgen genutzt. Dies vermittelt, dass Menschen mit Behinderung in alltäglichen Situationen nicht sichtbar und Teil der Gesellschaft sind.

#4 Religion und Weltanschauung

Diskriminierung auf Grund der Religion oder Weltanschauung kommt vor allem dann vor, wenn diese durch beispielsweise Kleidung oder Traditionen nach außen sichtbar ist und wenn sich diese Religion oder Weltanschauung von der der Mehrheitsgesellschaft unterscheidet. Stockfotos mit sichtbaren religiösen Kleidungsstücken oder anderen Merkmalen werden selten für nicht spezifische Werbung benutzt.

#5 Sexuelle Orientierung

Menschen erfahren auch auf Grund ihrer sexuellen Orientierung in ihrem Alltag Diskriminierung. Dies geschieht sowohl auf staatlicher Ebene (z.B. Ehe für Alle, Blutspenden, Adoption) als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene, indem Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen und beleidigt werden. Bei Stockfotos zum Thema Familie werden beispielsweise häufig Mann, Frau und Kinder dargestellt. Dass Familie auch anders aussehen kann, bleibt hierbei unbeachtet.

#6 Ethnische Herkunft und Nationalität

Die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft beschreibt rassistische Zuschreibungen und die Benachteiligung von Menschen auf Grund ihrer Herkunft, Hautfarbe, zugeschriebener Nationalität oder Sprache. Hier greifen rassistische Stereotype, die über Jahrhunderte aufgebaut und konstruiert wurden. Ein Beispiel der Repräsentation in den Medien wäre hier, dass bei der Darstellung von Menschen mit Macht kaum Fotos von Schwarze Menschen oder Menschen mit Kopftuch genutzt werden.

#7 Soziale Herkunft

Die soziale Herkunft bezieht sich auf die gesellschaftliche Schicht und die damit einhergehenden Ressourcen von Menschen. Dies zeigt sich beispielsweise bei Bildungs- und Arbeitsmarktchancen, Vermögen und gesellschaftliche Macht. Bei Stockfotos werden Plattenbauviertel beispielsweise häufig als konfliktive Brennpunkte im Hintergrund gezeigt, während das Einfamilienhaus mit Garten den Eindruck einer sicheren, gebildeten Umgebung geben soll.

Der Auftritt des Vereins in den sozialen Medien gibt nicht nur einen Einblick in die Arbeit des Vereins. Er ist auch eine wichtige Möglichkeit, Diversität mehr Raum in den sozialen Netzwerken zu geben. Nicht immer sind genügend Fotos aus der eigenen Vereinsarbeit vorhanden und Stockfotos können eine gute Hilfe sein. Jedoch sollte bei der Auswahl der Bilder darauf geachtet werden, dass die bunte Vielfalt eurer Zielgruppe auch widergespiegelt wird und keine Stereotypen reproduziert werden.

Creative Commons License

Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz.

Die Autorinnen

Foto zeigt Nadja Mühlhäuser mit blonden schulterlangen Haaren im schwarzen Shirt.

Nadja Mühlhäuser ist Sozialarbeiterin und hat ihren (Arbeits-)Schwerpunkt auf Intersektionalen Feminismus und Menschenrechte gelegt. Neben ihrem Master in Empowerment Studies arbeitet sie in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und digitales Teammanagement bei der Weiterbildungsplattform fairlinked.org.

Jana Piske ist fröhliche Rheinländerin und ein Digital Native. Seit 2019 vermittelt sie virtuelle Teammanagement-Skills mit der Weiterbildungsplattform fairlinked.org. Dies ist ihr Weg, um virtuellen Teams zum Erfolg zu verhelfen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt im virtuellen Teambuilding und interkulturellen Teams im digitalen Raum.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr Beiträge aus dem Magazin

D3 – so geht digital ist ein Projekt der     gefördert durch  Logo DSEE