Sozialarbeit und Datenschutz: Worauf achten?

Beratungen per Messenger, ein Smartphone in der Tasche – Alltag im Bereich der Sozialen Arbeit. Dabei lauern immer wieder potentielle Datenschutzprobleme. Kai Fritzsche von rediak concept teilt mit D3 – so geht digital seine Erfahrungen und sinnvolle Tools.

Eine junge Frau in geringeltem Shirt sitzt mit einem Smartphone an einem Tisch.

Foto: Kev Costello auf Unsplash

Was passiert eigentlich, wenn ein:e Sozialarbeiter:in in einem Einzelgespräch auf dem Smartphone „Ketamin“ googelt? Diese Frage stellte sich Digitalreferent Kai Fritzsche, als er sich vor einigen Jahren als Streetworker mit dem Thema Datenschutz für Sozialarbeitende zu beschäftigen begann. Theoretisch seien mit der Suche Rückschlüsse auf ein Drogenproblem einer der beiden Gesprächsteilnehmer zu ziehen. Daraus könnten dann Nachteile etwa beim Abschluss von Versicherungen entstehen. „Soweit ist es noch nicht ganz, aber es ist möglich“, sagt Kai. Nicht nur durch Suchanfragen, sondern etwa auch durch Apps, die auf das Mikrofon zugreifen, würden ganz unbewusst immer wieder Daten preisgegeben. Vertrauliche Informationen können so zum Problem werden. Denn im digitalen Portfolio könnten – vielleicht auch erst zukünftig– verwertbare Informationen daraus werden. Was also brauchen also Sozialarbeiter:innen, um den Datenschutz und die Anonymität ihrer Schützlinge zu gewähren? Es beginnt mit der Haltung, sagt Kai. 

Nichts zu verbergen….

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Häufig ist in der Diskussion um Datensicherheit das Argument zu hören: „Ich habe doch eh nichts zu verbergen.“ Dem entgegnet Kai: „Datenschutz nicht ernst nehmen, weil ich nichts zu verbergen habe? Das ist wie Meinungsfreiheit nicht zu leben, weil ich nichts zu sagen habe.“ Daher gelte es, sowohl bei den Sozialarbeiter:innen wie auch ihren Klienten:innen ein Bewusstsein für Datenschutz zu schaffen. Und das ist gar nicht immer so einfach. Jugendliche seien mit anschaulichen Beispielen zu überzeugen, hat Kai beobachtet. Aber gerade ältere Nutzer:innen täten sich eher schwer. „Da fehlt es oft an einer kritischen Mediennutzung.“, Also müsse darauf geachtet werden, sie bei einem Digitalisierungsprozess mit ins Boot zu holen.

In der analogen Welt sei dafür ein Verständnis für Datensicherheit jedoch meist vorhanden. „Ich erzähle gern die Geschichte, als mir in einem Jugendclub stolz der für Einzelgespräche eingerichtete Raum gezeigt wurde. Ich schloss die Tür und redete weiter, die Kollegin vor der Tür konnte mich trotzdem hören“, erinnert sich Kai. Damit trotzdem Gespräche im sicheren Raum möglich waren, wurde kurzerhand ein Tischler gerufen, der das Problem behob. Genau so sollte es auch in der digitalen Welt laufen, wenn es nach ihm gehe. Sobald klar sei, dass ein Raum nicht sicher sei, müsse eine bessere Lösung gefunden werden.

Wo anfangen?

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Genau dieses Bewusstsein für digitale Datensicherheit sei, wo man ansetzen sollte. „Die Sensibilisierung für Datenschutz fängt bei den Mitarbeitenden an“, sagt Kai. Dazu gehöre es auch, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Daten schützenswert sind. „Was ich analog nicht weitergebe, sollte auch digital vertraulich bleiben“, betont er. Das gelte jedoch nicht nur für die Sozialarbeiter:innen, sondern auch für ihre Schützlinge. Denn aktuell gibt es neue Entwicklungen, die Kai Sorge bereiten.

„Inzwischen nehmen Jugendliche vertrauliche Beratungsgespräche auf“, berichtet er aus der Praxis. Die Idee dahinter sei, sich die Beratung später noch einmal in Ruhe anhören zu können. „Gut gedacht, aber schlecht gemacht“, sagt er. Denn es sei nicht nur der Mitschnitt ohne Einwilligung aller Beteiligten rechtlich fragwürdig, sondern auch die Speicherung von sensiblen Gesprächen. Stattdessen sollten solche durchaus sinnvollen Mitschnitte nur nach Einverständnis und mit den passenden Tools erstellt werden. Kurz gesagt: Es geht darum, ein Bewusstsein für Datensicherheit zu schaffen und adäquate Lösungen zu finden.

Social Media und Co.

Gerade im Bereich Jugendarbeit sind Social Media-Angebote beliebt, um unkompliziert für mögliche Klient:innen ansprechbar zu sein. Kai Fritzsche rät jedoch dazu, diese Kanäle möglichst zu vermeiden. Die Nutzung zur Kontaktaufnahme sei natürlich das eine, räumt er ein. Für Beratungen jenseits der Kontaktpflege scheiden die gängigen Anbieter jedoch aus und der Kanal sollte gewechselt werden, schließlich liege die Datenhoheit bei diesen Angeboten nicht bei den Nutzer:innen. Trotzdem ist eine Präsenz in der digitalen Welt nicht unwichtig, das weiß auch Kai. Inzwischen gibt es rein digitale Streetworker, die nicht mehr auf der Straße, sondern in der digitalen Welt unterwegs sind, um ihre Schützlinge zu treffen.

Datensicher kommunizieren

Doch wie kann datensicher kommuniziert werden? Kai empfiehlt Lösungen, die möglichst Open Source und optimalerweise browserbasiert sind. „Das sollte man sich dann mit kritischer Digitalkompetenz angucken“, betont Kai. Nicht nur für neue Systeme gelte dies, sondern auch für bereits verwendete. „Was nutze ich für Tools, wofür nutze ich sie?“, sollten sich Sozialarbeitende fragen. Von Lösungen, die Daten im außereuropäischen Ausland speichern, rät er ab – allein der DSGVO wegen. Die zentrale Frage sei: Sind die verwendeten Tools datensicher? Dabei sollte darauf geachtet werden, wo die Daten gespeichert werden und das niemand außer den Anwender:innen Zugriff auf diese hat.

Für einen guten Überblick über sichere App-Lösungen empfiehlt Kai die Webseite Mobilsicher.de.  Diese wird gemeinsam von iRights e.V. und dem Institut für Technik und Journalismus betrieben und hat eine Datenbank mit Testergebnissen zum Datenschutz von rund 30.000 Android-Apps. „Auch der Newsletter von #MakeITsocial bietet einen guten Überblick“, empfiehlt Kai. Neben der Anmeldung zum regelmäßigen Newsletter zum Thema Digitalisierung in der Sozialen Arbeit lassen sich dort auch bereits erschienene Artikel zu Software und Tools  nachlesen.

Begegnung in der Praxis

Sozialarbeit bedeutet natürlich längst nicht immer nur, kritische Gespräche zu führen, wie dieser Artikel bislang vermuten lässt. Eine weitere zentrale Säule ist die Begegnung. Doch wie lässt es sich virtuell zusammenkommen? Kai ist seit 2020 für das FSJ Politik in Sachsen zuständig. „Ich bin genau zum Anfang der Pandemie gestartet und konnte zum Glück fix auf digital umstellen“, sagt er. Er setzt dabei auf das Tool Topia. Topia ist ein webbasiertes Tool, mit dem eine virtuelle Umgebung aufgesetzt wird. Darin können sich die eingeladenen Teilnehmenden sich beispielsweise im Rahmen von FSJ-Tagungen frei bewegen.

Kai hat für solche Tagungen einen eigenen Raum auch optisch gestalten lassen. Wenn die Teilnehmer:innen die Plattform betreten, erscheinen sie als kleine Avatare auf dem Bildschirm. Sie können sich frei in der Welt bewegen und so verschiedene Räume, in denen unterschiedliche Themen besprochen oder bearbeitet werden, betreten. Dabei muss es gar nicht immer inhaltlich werden. „Wir haben auch schon gemeinsam gekocht oder Yoga gemacht“, so Kai. Für die Kommunikation wird dann BigBlueButton genutzt. Die datenschutzkonforme Open Source Software hat sich Kai auf einem eigenen Server installieren lassen. Die Teilnehmenden können sich ganz unkompliziert webbasiert mit Kamera und Audio einwählen. „Das kommt gut an“, fasst der Digitalexperte das Feedback zusammen.

Eingearbeitet in die Thematik hat sich Kai, weil ein Verein, bei dem er sich engagierte, sich digitaler aufstellen wollte. Zwar gäbe es mittlerweile gute Beratungsangebote für kleine Vereine und auch Institutionen, sagt Kai. Trotzdem fordert er eine Fachstelle für Datensicherheit. „Die könnte dann aktuell prüfen, ob neue Angebote datensicher sind“, sagt er.

 

Screenshot aus der Topia-Welt von Kai Fritzsche

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