Wie geht’s weiter? Die Zukunft ist hybrid

In den letzten Monaten war „Digitalisierung“ das entscheidende Wörtchen im gemeinnützigen Sektor. Doch was wird der neue Trend nach der Pandemie? Wir glauben: Die Hybridisierung von Arbeitsweisen, Veranstaltungen und Projekten sozialer Organisationen.

Foto vom Digital Social Summit 2021. Hybridisierung: Ein Zoom-Webinar wird ins Studio gestreamt.

Die interne D3-Kommunikation zu Beginn der Pandemie war hektisch: „Wir brauchen Inhalte und Tipps zum digitalen Arbeiten!“ – Ich schreib was zu Home Office!“ – „Machst du was zu virtuellem Zusammenarbeiten?“ – „Ja!“ „Und lass uns über soziale Akteure berichten, die ihre Projekte schnell digitalisiert haben!“ Ein Jahr später sitzen wir noch immer zuhause, mobil mit der Welt, unserer Arbeit sowie unseren Kolleg:innen und Zielgruppen verbunden und sehnsüchtig auf das Ausbrechen aus den eigenen vier Wänden wartend.

Aber was passiert, wenn es so weit ist? Ist die logische Konsequenz: Wenn Corona weg ist, gehen wir alle wieder ins Büro, machen alle unsere Veranstaltungen wieder analog? Kein Zoom, kein Miro, kein Slack, sondern analoge Flipcharts, Whiteboards und Meetings mit „echten Menschen“? (Äh, wie ging das nochmal?)

Eher nicht, denke ich. Denn der Pandemie-Alltag, das oft zitierte New Normal, hat Abläufe und Verhaltensweisen nicht nur zeitweise, sondern auch grundlegend verändert. Oder anders gesagt: Auch wenn danach wieder alles so wie davor möglich ist, werden wir danach nicht alles genauso wie davor machen. Die Digitalisierung des Dritten Sektors lässt sich nicht zurückdrehen.

Einen Einblick geben Umfragedaten zum Home Office: So befragte die HR-Firma Perceptyx im letzten Jahr 750.000 Arbeitnehmer:innen aus 100 Unternehmen. Wollten im April 2020 noch etwa ein Drittel der Befragten mittelfristig wieder vollständig zurück ins Büro, befürworteten das Ende Juni nur noch 4 Prozent. Studienergebnisse der DAK-Gesundheit aus dem Juli 2020 spiegeln das auch für Deutschland wider: Arbeitnehmer:innen im Home Office seien stressfreier, produktiver und zufriedener. Wenig überraschend möchten deswegen auch drei Viertel der Befragten nach der Krise nicht vollständig aus dem Büro arbeiten.

Interagiert der Dritte Sektor zukünftig digital?

Das ist erstmal wenig überraschend, bringt das Aufbrechen der Büropflicht doch klare Vorteile mit sich. Zuhause hat man mehr Freiheit und Selbstbestimmung als im Büro. Der wegfallende Arbeitsweg ist zeitsparend (und sogar nachhaltiger), das Arbeiten durch weniger Ablenkung zum Teil sogar produktiver – und auf überwachende Blicke von Vorgesetzten hat dann ja auch doch niemand Lust. Auch fernab des teaminternen Arbeitens gibt es Gründe für ortsunabhängiges Wirken: Dass Meetings, kleine Runden aber auch Großveranstaltungen über Organisationsgrenzen hinweg digital (und oft inklusiver) möglich sind, haben die letzten Monate oft bewiesen. Selbst der ehemalig analoge Kontakt mit Zielgruppen konnte bei vielen sozialen Organisationen per Videocall & digitalen Medien beibehalten werden – wodurch teilweise sogar größere Personengruppen erreicht wurden. Als Beispiele seien hier nur die pandemiebedingten Online-Workshops der Digitalen Nachbarschaft oder die digitalen Patenschaften bei Start with a friend e.V. genannt.

Sehen sich Teams / Organisationen / der Dritte Sektor in Zukunft also fast nur noch online? Natürlich nicht. Denn trotz aller Vorteile, die das virtuelle Arbeiten, der digitale Austausch und das „Wirken per Internet“ mit sich bringt, gehen bestimmte Aspekte digital verloren. Der spontane Kontakt mit Kolleg:innen aus anderen Projekten, der unendlich oft angeführte „Plausch an der Kaffeemaschine“, die informelle Vernetzung auf Veranstaltungen, die trotz kreativer Ansätze wie gather.town oder virtuellen Mittagspausenräumen digital dann doch eher gut gemeint ist, aber nicht so richtig klappt. Kurzum: die Menschlichkeit der „echten Welt“, an die sich digital immer nur angenähert werden kann.

Die Zukunft ist hybrid

Aber es geht ja gar nicht um ein Entweder-oder. Sicher werden Home Office, virtuelles Zusammenarbeiten, Online-Meetings, Webinare und Digitalkonferenzen fester Teil der gemeinnützigen Arbeit der Zukunft sein. Gleichzeitig sind Büros, analoge Zusammentreffen und Veranstaltungen in Zukunft mitnichten überflüssig. Zu groß sind Vorteile und Alleinstellungsmerkmale auf beiden Seiten, die jeweils nicht in die andere, entweder analoge oder digitale Sphäre, transferiert werden können. Wieso also nicht kombinieren und das Beste aus aus der etabliert-analogen und neu gelernten, digitalen Welt verbinden?

Meine hybride Zukunftsutopie sieht so aus: Auf Arbeitsebene bietet sich mobiles Arbeiten für das Abarbeiten von Aufgaben an und schafft Raum für Konzentration und fokussierten Workflow. Eine gute virtuelle Meetingkultur gewährleistet, dass Informationsfluss und zweckmäßiger Austausch (ohne viel Aufwand) dabei nicht verlorengeht. Gleichzeitig ist das Büro nicht tot. Das Büro der Zukunft wird anders aussehen und einen anderen Zweck erfüllen: Weniger als Ort zum „To Do’s-Abhaken“, sondern dem sozialen Austausch gewidmet. Die Präsenzpflicht wandelt sich zur Präsenzoption, mit der Arbeitgeber:innen ihren Angestellten Raum zum Kollaborieren oder als Treffpunkt, Repräsentanz oder Headquarter/Geschäftsstelle anbieten.

Auf Veranstaltungsebene berücksichtigt das bestmögliche hybride Potpourri aus analogen und digitalen Events das Menschliche der „echten Welt“ und die Schwierigkeit, digital soziale Wärme und echte Interaktion entstehen zu lassen. Dadurch das Teilnehmende gleichzeitig online zugeschaltet sein können, wird die Ortsunabhängigkeit, Inklusion und Zeitersparnis von Digitalveranstaltungen jedoch auch nach der Pandemie weiter gewährt. Sicher werden viele Workshops auch wieder ganz klassisch vor Ort stattfinden. Paneldiskussionen hingegen haben sich in der Pandemie allerdings weiterentwickelt und wurden unter anderem auf Clubhouse zu beliebten „Live-Podcasts“, die gern vom eigenen Schreibtisch oder Sofa „nebenbei“ verfolgt wurden und spannende Expert:innen vereinten, die an ganz unterschiedlichen Orten auf der Welt saßen.

Auch auf Projektebene verhält es sich ähnlich: Natürlich zeichnet sich insbesondere der Dritte Sektor durch Netzwerkarbeit, das Schmieden von Allianzen und den direkten Kontakt mit Zielgruppen aus. Soziale Arbeit hat immer etwas mit sozialer Nähe zu tun – und die gelingt analog einfach besser. Aber: Beispiele wie die Streetworking-App Mokli von Karuna oder die digital-sozialen Stadtführungen bei querstadtein e.V. zeigen, dass digitale Ansätze Vorteile gegenüber analogem Projektwirken in Bezug auf die Skalierung und das Erreichen von Zielgruppen bieten. Außerdem verbringen nicht nur junge, sondern Menschen aller Altersschichten immer mehr Zeit im Internet. Tendenz steigend. Sollte man potentiell Engagierte nicht logischerweise dort abholen, wo sie sowieso unterwegs sind, und ihnen auch digitale Engagement- und Partizipationsangebote bieten? Hybride Projekte, die sowohl analog als auch digital gedacht sind, machen beides möglich.

Echte Teilhabe ist gefragt

Das Gedankenspiel zeigt einen ganz neuen Weg auf, den sicher nicht alle Organisationen so gehen werden. Aber trotzdem gilt es für soziale Organisationen für die Zeit nach der Pandemie zu planen und sich mit potentiellen und erstrebenswerten Entwicklungen auseinanderzusetzen. Denn so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der hybride Wandel nicht passiv geschieht, sondern aktiv gestaltet wird. Im besten Fall mit flexiblen und teilhabeorientierten Konzepten, die Mitarbeitenden, Veranstaltungsteilnehmenden und Zielgruppen eigenständig wählbar erlauben, ob sie analog oder digital partizipieren möchten – und Möglichkeiten so nicht einengt, sondern erweitert. Das macht unser Arbeiten, Zusammenkommen und Wirken komplexer und geht mit neuen Anforderungen einher, birgt jedoch großes Potential.

Wir tun in der Zivilgesellschaft also gut daran, uns sehr schnell zu überlegen, wie diese neuen Möglichkeiten genutzt werden können. Unserem Teilhabe- und Wirkungsanspruch entsprechend darf man geradezu erwarten, dass wir zur treibenden Kraft in der Entwicklung von Formaten werden, die sowohl die menschliche Begegnung vor Ort als auch die Teilhabe über Grenzen hinweg ermöglicht.

Dr. Hilke Posor / Dr. Thomas Leppert

Auch wir möchten dabei unterstützten: Schon jetzt könnt ihr in unserer Artikelserie zu hybriden Veranstaltungen, aus der auch das obige Zitat stammt, Gedanken zu analog-digitalen Events aufsammeln.

Grafik zum D3 Community Event. Das Thema: U.a. Hybridität.

Außerdem wird auf unserem Community-Event am 18. Juni grundsätzlich über die post-pandemische Zeit und zivilgesellschaftliches Wirken gesprochen. In zwei Workshops- und Austauschrunden taucht ihr u.a. in hybride Arbeitswelten und Events ein, beleuchtet barrierefreie Digitalveranstaltungen und die Frage, wie digitales Engagement auch zukünftig gut in eure Organisationen hineinspielt. Auch um den Umgang mit Widerständen bei der Digitalisierung in eurer Organisation wird es gehen. Seid dabei – und diskutiert mit uns!

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